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Kultur

Neue Leinwand für die Stadt

Die Kinostarts der Woche

  Neue Leinwand für die Stadt | Die Kinostarts der Woche  Foto: Filmstill

Es ist soweit: Die Cinémathèque bekommt endlich ihr erstes eigenes Kino. In der Karl-Liebknecht-Straße 109 sind 100 Quadratmeter Fläche für Kino und Ausstellungsraum enstanden. Im November steht die Lausitz im Mittelpunkt mit dem Dokumentarfilm »Auf der Kippe« von Britt Beyer (17.11.), sorbischen Kurzfilmen (25.11.), sowie der 20-Kanal-Kanal Video- und Klanginstallation von Kat Austen, »This Land Is Not Mine« (mehr dazu im kreuzer 10/23). Am 3.11. geht’s los mit einer Vernissage.

Cinémathèque, Karl-Liebknecht-Straße 109

 

Film der Woche: Die beiden Autoren Sandra und Samuel leben mit ihrem blinden Sohn Daniel in einem Chalet in den französischen Alpen – bis es zu einem tödlichen Unglück kommt und der Mann nach einem Fenstersturz blutüberströmt am Boden gefunden wird. Aber war es überhaupt ein Unglück und ein Sturz? Das ist die zentrale Frage, die das bereits in Cannes preisgekrönte Drama in rund zweieinhalb Stunden im wahrsten Sinne verhandelt, denn ein Großteil setzt sich aus Angriffen und Verteidigung im Gericht zusammen. Dabei wird nicht nur ein möglicher Mord, sondern die gesamte höchstkomplexe Beziehung des ungleichen Paares haarklein seziert, bei der vor allem Sandra in allen menschlichen Schattierungen gezeichnet wird. Das ist dann auch das Herausragende: Was Schauspielerin Sandra Hüller – teils dreisprachig – an nuancierter Mimik und punktgenauer Tonalität abliefert, wäre zumindest oscarnominierungsreif. Auch der Rest des Ensembles inklusive des herrlich selbstverliebten Staatsanwaltes weiß zu gefallen. Justine Triets Werk veranschaulicht aber nicht nur die Suche nach der Wahrheit, sondern gibt vor allem Einblick in den emotionalen Mikrokosmos eines Paares, das sich einzeln und vor allem als Gemeinschaft aus den Augen verloren hat, wie vor allem die in mehrfachem Sinne gewaltigen Dialoge zwischen den einst Liebenden verdeutlichen. MARKUS GÄRTNER

»Anatomie eines Falls«: ab 2.11., Passage-Kinos, Kinobar Prager Frühling, Schauburg, Regina Palast

 

1917 treibt der junge Thierno gemeinsam mit seinem Vater Bakary eine Herde Kühe durch die trockene senegalesische Landschaft, bis in sein kleines Dorf, wo die Mutter und die Geschwister warten. Es ist Thiernos letzter Tag in Freiheit. Kurz darauf wird er von französischen Militärs in ein Camp gebracht und erhält eine Ausbildung zum Soldaten. Der kolonialisierte Mann soll für seine Kolonie in den ersten Weltkrieg ziehen. In der Hoffnung seinen Sohn beschützen zu können, tritt Bakary als Freiwilliger dessen Regiment bei. Gemeinsam landen sie schließlich in der Nähe von Verdun, im Herzen des Krieges.

Gekonnt zeigt Regisseur Mathieu Vadiepied wie sich Vater und Sohn in der französischen Armee voneinander entfremden. Wie der Kolonialismus (eine neue Sprache, ein anderes Land) die alten Strukturen (die Familie, der muslimische Glaube) zersetzt. Machtlos muss Bakary zusehen, wie sich sein Kind von ihm entfernt, während er selber verzweifelt nach einem Weg zurück nach Hause sucht. Als Kameramann hat Mathieu Vadiepied bereits für »Ziemlich beste Freunde« mit Omar Sy zusammengearbeitet. Ziemlich mühelos trägt der Hauptdarsteller »Mein Sohn, der Soldat« auf seinen Schultern. Doch auch wenn dessen Geschichte unbedingt erzählenswert ist, fehlen dem Film die Mittel um die Grauen des Krieges überzeugend darzustellen. Diese bleiben im Vergleich mit anderen Werken wie »Im Westen nichts Neues« oder »1917« in »Mein Sohn, der Soldat« eher blass. JOSEF BRAUN

»Mein Sohn, der Soldat«: ab 2.11., Passage-Kinos, Regina Palast

 

Dies ist die Geschichte einer einzigartigen Flamencotänzerin, einer gehörlosen Roma, geboren 1948 in den Slums von Barcelona, wie sie zu Weltruhm aufstieg – und plötzlich vom Erdboden verschwand. Dies ist die Geschichte von Antoñita Singla, genannt »La Singla«. Erzählt wird sie von der spanischen Regisseurin Paloma Zapata als Essay. Sie erzählt wie sie das erste Mal von »La Singla« hörte, gebannt war von der außergewöhnlichen Tänzerin mit den großen Augen, die wirkt, als würde sie jedes Mal um ihr Leben tanzen. Wie sie von ihrem mysteriösen Verschwinden erfährt und sich auf die Spurensuche macht. Bei ihrer Recherche trifft sie auf immer mehr Menschen, die Antoñita gekannt und von ihrer Präsenz nachhaltig beeindruckt wurden. Sie findet heraus, dass QLa Singla« in Deutschland zum Star wurde und international hohes Ansehen genoss und sie ergründet ihr Schicksal. Zapata bringt uns damit eine außergewöhnliche Tänzerin und ihr tragisches Schicksal näher und rettet so eine einmalige Geschichte vor der Vergessenheit. Ein Verdienst, auch wenn die Form, die sie dazu wählt oft zu inszeniert wirkt. Sie lässt sich selbst von einer Schauspielerin (Helena Kaittani) darstellen, stellt ihre Recherche nach, die Gespräche mit ihrer Mutter, die Begegnung mit Antoñitas Geschwistern der Großfamilie. Der Blick ist subjektiv, die Autorin rückt oftmals bemüht in den Mittelpunkt, die Erzählung neigt zur Wiederholung. Zudem ist »La Singla« keineswegs verschollen, sondern lebt laut einer Quelle der Wikipedia seit 2017 in Santa Coloma de Gramenet, wo Zapata sie schließlich findet. So bleiben am Ende vor allem die raren Archivaufnahmen einer Ausnahmekünstlerin in Erinnerung, ihr wilder Tanz, die Musik, die Schreie – und ihre Augen.

»La Singla«: ab 2.11., Luru Kino in der Spinnerei

 

 

Weitere Filmtermine der Woche

Mehr denn je 
F/D/LUX/N 2022, R: Emily Atef, D: Vicky Krieps, Gaspard Ulliel, Björn Floberg, 122 min

Die sterbenskranke Hélène reist nach Norwegen, um zu sich selbst zu finden. Berührendes Schauspielerinnenkino von Emily Atef (»3 Tage in Quiberon«).

Passage-Kinos, 02.11. 18:00 (anschl. Gespräch, Filme vom Abschied)

 

Das schwarze Quadrat
D 2020, R: Peter Meister, D: Bernhard Schütz, Sandra Hüller, Jacob Matschenz, 105 min

Schwarze Krimikomödie um zwei Kunstdiebe, die auf einem Kreuzfahrtschiff ein geraubtes Bild ihrem Auftraggeber aushändigen wollen und getarnt als David-Bowie und Elvis-Imitatoren in haarsträubende Situationen geraten.

Bibliothek Schönefeld, 09.11. 18:30

 

Die wilde Meute
MEX/E 1981, R: Ramón Fernández, D: Jorge Rivero, Andrés Garcia, 98 min

Protestantische Familie erbt in Arizona ein Haus, das einst ein Bordell war. Westernkomödie mit deftigen Sexeinlagen. In den Hauptrollen die beiden Latino-Sex-Idole der 70er: Jorge Rivero und Andrés Garcia.

Luru-Kino in der Spinnerei, 10.11. 20:00 (DF, Luru-Archive 35 mm)



Faust: Eine deutsche Volkssage
D 1926 R: Friedrich Wilhelm Murnau

Stummfilm mit Kinoorgelbegleitung

Grassi-Museum Leipzig, 04.11. 19:00

 

Für immer 
D 2023, Dok, R: Pia Lenz, 87 min

Eva und Dieter Simon sind seit mehr als 60 Jahren ein Paar. Filmemacherin Pia Lenz ergründet das Geheimnis ihrer Partnerschaft in einem einfühlsamen Dokumentarfilm.

Passage-Kinos, 10.11. 18:30 (Premiere mit Regisseurin)

 

Futur Drei 
D 2020, R: Faraz Shariat, D: Benny Radjaipour, Eidin Jalali, Banafshe Hourmazdi, 92 min

Parvis fehlt es an nichts. Der Sohn iranischer Einwanderer lebt ein sicheres Leben in Deutschland, wo der junge Mann auch seine Homosexualität offen ausleben kann. Doch er hat Mist gebaut und muss nun Sozialstunden in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ableisten. Dort trifft er auf die iranischen Geschwister Banafshe und Amon und verbringt mit ihnen einen unbeschwerten Sommer in Berlin.

Hochschule für Grafik und Buchkunst, 05.11. 17:00 (Gefahrenzone – Rassismus ver(un)sichert, mit Faraz Shariat)

 

Ich bin dein Mensch 
D 2021, R: Maria Schrader, D: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, 108 min

Basierend auf der Erzählung von Emma Braslavsky inszenierte Maria Schrader die Annäherung einer Frau zu einem Partnerschafts-Roboter.

Zeitgeschichtliches Forum, 09.11. 19:00 (Wissenschaftskino)

 

Istina & Neues vom Ballaballa-Balkan 
SRB/D 2023, R: Tamara Denić, D: Nika Rozman, Milica Vuksanovic, Elizabeta Djorevska, 30 min

Als Fotojournalistin eines investigativen Redaktionsteams in Belgrad wird Jelena zum Ziel rechtsextremer Gruppierungen. Gewinnerfilm des diesjährigen Student*innen-Oscars. Präsentiert wird er von den Machern des Podcasts für Polemik und Palaver mit dem Schwerpunkt Südosteuropa.

Cinémathèque in der Nato, 10.11. 19:30 (Film und Podcast, OmU)

 

It Lives Inside
USA 2023, R: Bishal Dutta, D: Megan Suri, Neeru Bajwa, Mohana Krishnan, 99 min

Ein Dämon sucht die indisch-amerikanische Sam und ihr Umfeld heim.

Cineplex. 04.11. 22:30; Cinestar, 04.11. 22:45

 

Kommt ein Vogel geflogen 
D 2023, R: Christian Werner, D: Ulrike Krumbiegel, Hans Löw, Britta Hammelstein, 109 min

Ein frecher Vogel sorgt für Chaos in einer Kleinstadt. Hintersinnige Komödie über politische Korrektheit.

Passage-Kinos, 03.11. 18:30 (Neues Deutsches Kino, Premiere mit Gästen)

 

Legenden – Ein Abend für Tamara Danz
D 2022, Dok, 89 min

Der Film ist nicht nur ein Porträt der Sängerin oder der Band, er liefert auch eine deutsch-deutsche Musikgeschichte und einen Blick auf die einzigartige ostdeutsche Rockmusik; und er erzählt fast schon privat und intim von einer bedeutenden Sängerin und der Lücke, die sie durch ihren frühen Tod hinterlassen hat.

Zeitgeschichtliches Forum, 06.11. 19:00 (Liedermacherinnen in der DDR)

 

Man-Eater – Der Menschenfresser ist zurück NEU
I 2022, R: Dario Germani, D: Jessica Pizzi, Monica Carpanese, Giuditta Niccoli, 87 min

In einem alten Bunker lauert ein Menschenfresser auf studentische Beute.

Luru-Kino in der Spinnerei, 03.11. 21:00 (OmU)

 

Plan 75 
J/F/PHI 2022, R: Chie Hayakawa, D: Chieko Baishô, Hayato Isomura, Stefanie Arianne, 113 min

Japanische Dystopie: Aufgrund der Überalterung der Gesellschaft wird Menschen über 75 nahegelegt, ihr Leben freiwillig zu beenden.

Cineding, 10.11. 19:00 (OmU)

 

Queerfilmfestival Weimar und Leipzig 2023
Cineding, 09.11. 19:00

 

Short Films from Kino Datsche

Nachwuchsfilmer unterwegs: Die Kurzfilme des Leipziger Kinokabaretts.

Westbahnhof, 03.11. 20:00

 

Synonymes
F/ISR/D 2019, R: Nadav Lapid, D: Tom Mercier, Louise Chevillotte, Quentin Dolmaire, 124 min

Der sperrige Berlinale-Gewinner von 2019 handelt von einem entwurzelten Israeli in Paris.

Schaubühne Lindenfels, 02.11. 18:00 08.11. 21:45 (Aktuelles Kino aus Israel: Volume 1 – Nadav Lapid, OmU)

 

The Handmaiden 
KOR 2015, R: Park Chan-wook, D: Kim Min-hee, Ha Jung-woo, Cho Jin-woong, 145 min

Eine Taschendiebin wird in eine reiche Familie eingeschleust und soll die Hausherrin verführen. Park Chan-wooks etwas langatmig geratene, aber gewohnt stark bebilderte Neuinterpretation des Romans »Fingersmith« von Sarah Waters.

Ost-Passage-Theater, 08.11. 20:00 (OmU)

 

Vermeer − Reise ins Licht 
NL 2023, Dok, R: Suzanne Raes, 79 min

Dokumentarfilm über die größte Vermeer-Ausstellung aller Zeiten.

Passage-Kinos, 05.11. 17:00 (Kunst trifft FIlm, Preview)


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