Die Aussicht, für etwas Höheres bestimmt zu sein, führt John Jahr um Jahr in einen namenlosen Nachtclub. Nicht um zu tanzen, nicht um zu trinken, er wartet auf ein geheimnisvolles Ereignis, das seiner Existenz endlich einen Sinn verleiht. Nur der lebenslustigen May kann er sich anvertrauen, die sich dem introvertierten John seit ihrer Kindheit seltsam verbunden fühlt. Zeiten, Mode- und Musikgeschmack ändern sich stetig, doch May und John harren weiter der Dinge, die da kommen mögen. »La Bête dans la jungle« ist ein eigenartig bezauberndes modernes Märchen, das von der Faszination für das Ungewisse erzählt.
Der Film von Patric Chiha ist nur eine von vielen Leipzig-Premieren, die bei den diesjährigen Französischen Filmtagen gezeigt werden. Spielorte sind wieder die Passage-Kinos und die Schaubühne Lindenfels, ein besonderes Augenmerk wird in diesem Jahr auf die deutsch-französische Freundschaft gelegt, anlässlich der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags vor 60 Jahren. So entdeckt man auch den ein oder anderen deutschen Schauspieler in den Filmen wieder, etwa Franz Rogowski, der sich in »Disco Boy« der französischen Fremdenlegion anschließt. Eine Retrospektive widmet sich Agnès Varda. Die 2019 verstorbene Regisseurin galt als »grand-mère« der Nouvelle Vague und hätte in diesem Jahr ihren 95. Geburtstag gefeiert.
Eine weitere Werkschau widmet sich dem Filmemacher, Musiker und Weirdo Quentin Dupieux, der Ende der neunziger Jahre unter dem Künstlernamen Mr. Oizo und mithilfe seiner berühmten gelben Puppe im Musikvideo zu »Flat Beat« seinen Durchbruch feierte und seitdem zwei- bis dreimal im Jahr irre Filme über Killerreifen (»Rubber«) und rauchende Superhelden (»Smoking Causes Caughing«) dreht. Unter anderem wird Dupieux’ Film »Yannick« zu sehen sein, der seine Premiere beim Filmfestival in Locarno feierte und von einem frustrierten Theater-Zuschauer handelt, der die Schauspieler bedroht und sich kurzerhand selbst zum Regisseur des Stückes macht.
Klassischer und vor allem kulinarischer geht es hingegen in der französischen Oscar-Einreichung »La Passion de Dodin Bouffant« von Trần Anh Hùng zu: Im späten 19. Jahrhundert verbindet die Köchin Eugénie (Juliette Binoche) und den Gastronom Dodin (Benoît Magimel) ein inniges Verhältnis, das sich auch auf ihre Kulinarik auswirkt. Meisterhaft eingefangen sind vor allem die Kochszenen, in denen es zischt und brutzelt und man nur noch darauf wartet, die Köstlichkeiten serviert zu bekommen. Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde Trần Anh Hùng als bester Regisseur ausgezeichnet.
> »28. Französische Filmtage«: 22.–29.11., Passage-Kinos, Schaubühne Lindenfels.
Sieben Filme, die bleiben … von Agnès Varda
La Pointe Courte (F 1955) – Das Beziehungsdrama markiert den Beginn der Nouvelle Vague und einer außergewöhnlichen Filmografie.
Cléo – Mittwoch zwischen 5 und 7 (IT 1962) – Eineinhalb Stunden aus dem Leben der Sängerin Cléo – stilprägendes Zentralwerk der Nouvelle Vague.
Glück aus dem Blickwinkel des Mannes (F 1965) – In sanften Pastelltönen entlarvt Varda das bürgerliche Idyll in einer egozentrischen Welt.
Vogelfrei (F 1985) – Sandrine Bonnaire besticht als Vagabundin Mona in der preisgekrönten Geschichte einer Außenseiterin.
Die Sammler und die Sammlerin (F 2000) – Offen, einfühlsam und selbstreflexiv widmet sich Varda den sozial Schwachen.
Die Strände von Agnès (F 2008) – Im Alter von 80 Jahren verfilmte Varda ihre eigene Biografie, gewohnt träumerisch und verspielt.
Augenblicke: Gesichter einer Reise (F 2017) – Bis zu ihrem Tod blieb sie neugierig und widmete sich den einfachen Land(s)leuten.