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Kultur

Ein Leben mit der Kamera

Das Museum der bildenden Künste zeigt Fotografien von Evelyn Richter und ihren Freundinnen

  Ein Leben mit der Kamera | Das Museum der bildenden Künste zeigt Fotografien von Evelyn Richter und ihren Freundinnen  Foto: Nachlass Wagner Zimmermann

Sie sitzen auf dem Bürgersteig und bearbeiten einzelne Steine mit dem Hammer. Das Foto, aufgenommen von Eva Wagner (1928–2015), zeigt Evelyn Richter (1930–2021) und Ursula Arnold (1929–2012) beim Arbeitseinsatz in Leipzig 1953/54. Damals studierten die drei Frauen Fotografie bei Johannes Widmann an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB). Zeitgleich zum Arbeitseinsatz in der Trümmerlandschaft fotografieren sie die Errichtung der Ringbebauung als Semesterarbeit. Welche Motive sich Richter und Arnold dabei auswählten, zeigt jetzt die Ausstellung »Evelyn Richter – Ein Fotografinnenleben« – genau wie die lebenslangen Freundschaften der Frauen.

Wagner geht 1954 gemeinsam mit ihren Eltern in die BRD und studiert bei Otto Steinert an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken. Ein Jahr später wird Richter an der HGB exmatrikuliert, wegen zu defätistischer Porträts von Mitstudierenden, Arnold arbeitet seit 1957 als Kamerafrau beim Deutschen Fernsehfunk in Berlin, dem staatlichen Fernsehen der DDR. Alle drei fotografieren weiter.

Zu ihnen gesellt sich bald die Bildhauerin Christa Sammler (*1932), die Richter 1957 bei den VI. Weltfestspielen der Jugend in Berlin kennenlernt. Um diese vier Frauen kreist nun die Ausstellung, die auch die bekannten Werkgruppen von Richter zeigt – beispielsweise die von Besucherinnen und Besuchern in Kunstausstellungen –, genau wie die seit 1955 entstandenen Auftragsarbeiten für die Magazine Für Dich und Sibylle von Richter oder Fotobücher – unter anderem »Entwicklungswunder Mensch« von 1980. Zu sehen ist hier der Weg vom Rollfilm bis zur Buchseite. Aber auch das unrealisierte Buchprojekt »Die Frau in der DDR«, zu dem Richter im  Herbst 1961 einen Vertrag mit dem Verlag VEB Edition Leipzig abschloss, ist hier zu sehen. Das Buch erschien nicht – einzelne Aufnahmen wie etwa die Frau an der Linotype in der Druckerei des Neuen Deutschland gingen so als Solitär ins ostdeutsche Bildgedächtnis ein.

Um Richter, die 2020 kurz vor ihrem Tod den erstmals vergebenen Bernd-und-Hilla-Becher-Preis in Düsseldorf erhielt, auch in Westdeutschland bekannter zu machen, wurde die Ausstellung, die sich aus dem 2009 gegründeten Evelyn-Richter-Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im MdbK ebenso speist wie aus dem dort seit 2016 um Ursula Arnold erweiterten Sammlungsbestand, letztes Jahr bereits in Düsseldorf gezeigt.

So wichtig diese Präsentation ist, ein Blick über dieses Archiv hinaus auf die Fotografinnen und Fotografen, die Richter als Lehrerin an der HGB prägte, wäre lohnend gewesen. Und er hätte Vergleiche über die Generationen hinweg ermöglicht.

> »Evelyn Richter. Ein Fotografinnenleben«: bis 17.3., MdbK
> Kuratierendenführung mit Jeannette Stoschek, Philipp Freytag und Aurelia Rager: 3.12., 11 Uhr
> Katalog: Evelyn Richter. Leipzig: Spector Books 2022. 212 S., 42 €


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