Ab Januar zeigt die Schaubühne Lindenfels die Werke des US-Independentregisseurs Jim Jarmusch im Originalton. Bis zum Jahresende sind alle sechzehn Langfilme geplant. Los geht es mit seinem Langfilmdebüt »Permanent Vacation«, einem schrägen, lyrischen Porträt New Yorks zu Beginn der Achtziger.
»The Independent Cinema of Jim Jarmusch«: ab 4.1., Schaubühne Lindenfels
Film der Woche: Es fühlte sich schon wie ein Abschied an, als Hayao Miyazaki 2013 »Wie der Wind sich hebt« präsentierte. Aber irgendwie wollte niemand an ein Versiegen der unbändigen Kreativität des damals 72-Jährigen glauben. Nun, zehn Jahre später, entführt uns Miyazaki-San erneut in seine Phantasie. »Der Junge und der Reiher« ist gleichermaßen vertraut und faszinierend. Wieder ist es ein junger Protagonist, der ähnlich wie etwa in »Chihiros Reise« aus der Realität mitten hinein in eine magische Welt fällt, die von irrwitzigen Kreaturen bewohnt wird. Doch die Motive in Miyazakis zwölftem Langfilm sind deutlich düsterer. Der 12-jährige Mahito muss zu Beginn hilflos mit ansehen, wie seine Mutter Hisako bei einem Luftangriff auf Tokio ums Leben kommt. Als der Krieg vorbei ist, zieht der Junge mit seinem Vater Shoichi aufs Land. Hier muss er sich an ein neues Umfeld und seine Stiefmutter Natsuko gewöhnen, die die Erinnerung an seine verstorbene Mutter hervorruft – ist sie doch Hisakos Schwester. Als ein mysteriöser Reiher auftaucht und Mahito angreift und schließlich Natsuko spurlos verschwindet, macht sich der Junge auf in ein Abenteuer, bei dem er sich der eigenen Trauer stellen und über sich hinaus wachsen muss. Mahitos Reise entwickelt sich zu einer Reflexion Miyazakis über die Vergänglichkeit und das, was uns Menschen ausmacht. Für uns ist es ein Geschenk, vielleicht des Abschieds. Meister Miyazaki zeichnet derweil einfach weiter.
»Der Junge und der Reiher«: ab 14.12., Passage-Kinos, Kinobar Prager Frühling, CineStar, Regina Palast, Cineplex
Augusto Góngora (1952-2023) war einer der populärsten chilenischen »Underground«-Journalisten, der in den 1980er Jahren seinem Land in einer populären Fernsehsendung und in einigen Büchern auf den Zahn fühlte. Dabei war es ihm stets sehr wichtig, die Erinnerungen an die Vergangenheit Chiles wach zu halten, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. Welch Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Góngora am Ende seines Lebens an Alzheimer erkrankte und mehr und mehr den Bezug zur Realität und seinem bisherigen Leben verlor. An seiner Seite muss seine Lebensgefährtin von mehr als zwanzig Jahren, die Schauspielerin und ehemalige chilenische Kulturministerin Paulina Urrutia, täglich aufs Neue damit klarkommen, nicht erkannt zu werden – oder in den wenigen klaren Momenten Góngoras dessen grenzenlose Liebe zu erfahren. Hierzulande sind die beiden Protagonisten in Maite Alberdis Dokumentarfilm natürlich längst nicht so bekannt wie in ihrem Heimatland. Aber die Demenz-Geschichte, die hier erzählt wird, ist so allgemeingültig und von großer Liebe durchströmt, dass das Publikum weltweit etliche Anknüpfungspunkte für sich finden dürfte, zumal der geistige Verfall im Alter längst zu einer Volkskrankheit geworden ist. Am beeindruckendsten an »Die unendliche Erinnerung« ist, dass uns der Film vermittelt, dass man selbst in einer ausweglos erscheinenden Situation die Hoffnung niemals aufgeben sollte. Gleichwohl wird man hier emotional stark mitgenommen, da der degenerative Verlauf der Krankheit unumgänglich ist. FRANK BRENNER
»Die unendliche Erinnerung«: ab 4.1., Passage-Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
Buena Vista Social Club
F/D/GB/CUB/USA 1999, Dok, R: Wim Wenders, 97 min
Die Begegnung des Gitarristen Ry Cooder mit berühmten Musikern Kubas. Hinreißende, sinnliche und oscarnominierte Dokumentation auch über das Land selbst.
Passage-Kinos, 04.01. 19:00 (Wim-Wenders-Retrospektive)
Mittagsstunde
D 2022, R: Lars Jessen, D: Charly Hübner, Lennard Conrad, Peter Franke, 93 min
Norddeutsches Familien-Drama von Lars Jessen (»Dorfpunks«) nach dem Roman von Dörte Hansen.
Passage-Kinos, 05.01. 20:00 (Psychoanalyse trifft Film)
Dessau Dancers
D 2014, R: Jan Martin Scharf, D: Wolfgang Stumph, Sonja Gerhardt, Hilmar Eichhorn, 87 min
Der Sommer 1985: »Beat Street« erreicht die Straßen von Dessau und tritt eine Jugendbewegung los. Trotz Klischees gelingt es dem Film, die Unvereinbarkeit von kreativer Freiheit und Gleichschaltung zu verdeutlichen.
Zeitgeschichtliches Forum, 08.01. 19:00 (Film des Monats)
Im Namen des Herrn. Kirche, Pop und Sozialismus TIPP
D 2014, Dok, R: Michael Rauhut, Tom Franke, 45 min
Dokumentation über die kirchlichen Freiräume für Jugend- und Popkultur in der DDR.
Denkmalwerkstatt, 09.01. 16:00 (Eintritt frei, Nachmittagsfilmreihe)
Life is not a Competition but I am winning
D 2023, Dok, R: Julia Fuhr Mann, 79 min
In ihrem Manifest-artigen Essayfilm zeichnet Julia Fuhr Mann die Geschichte der Diskriminierung im Leistungssport nach.
Cineding, 11.01. 19:00 (mit Gespräch, OmU)
Passagiere der Nacht
F 2022, R: Mikhaël Hers, D: Charlotte Gainsbourg, Quito Rayon Richter, Noée Abita, 111 min
Eine nostalgische Selbstfindungssaga, in der Regisseur Mikhaël Hers seinen sensiblen Blick auf die 1980er Jahre und auf die scheinbar alltäglichen Momente des Familienlebens richtet, die einem jedoch für immer in Erinnerung bleiben.
Cinémathèque, 08.01. 19:30 (OmU, Pyjamakino)
Permanent Vacation
USA 1980, R: Jim Jarmusch, D: John Lurie, Richard Boes, Frankie Faison, 77 min
Jim Jarmuschs Langfilmdebüt ist ein schräges, lyrisches Porträt New Yorks zu Beginn der Achtziger.
Schaubühne Lindenfels, 07.01. 18:30 (OmU, The Independent Cinema of Jim Jarmusch)
Schleimkeim − Otze und die DDR von unten
D 2023, Dok, R: Jan Hecok, 96 min
Eine Zeitreise durch den Untergrund der DDR bis hin zu ihrem Untergang: Punk-Dokumentaton über das Leben und Sterben des DDR-Punkers Dieter »Otze« Ehrlich und seiner Band »Schleimkeim«.
UT Connewitz, 10.01. 20:00 (mit Filmgespräch mit dem Regisseur)
The Holdovers
USA 2023, R: Alexander Payne, D: Paul Giamatti, Da’Vine Joy Randolph, Dominic Sessa, 133 min
Der zynische Professor Paul und sein Schüler Angus verbringen notgedrungen die Weihnachtstage in einem Eliteinternat. Einfühlsames Charakterdrama, wundervoll erzählt von Alexander Payne (»Sideways«).
Passage-Kinos, 07.01. 16:00 (Preview)08.01. 20:30 (OmU, Preview)
Zuflucht nehmen
D 2023, Dok, R: Selina Höfner
Der Dokumentarfilm verfolgt das Ziel, auf die Situation von gewaltbetroffenen Frauen aufmerksam zu machen und auf strukturelle Probleme hinzuweisen, die es erschweren, Gewaltsituationen überhaupt verlassen zu können.
Kinobar Prager Frühling, 10.01. 18:00 (OmeU), 11.01. 17:00 (mit der Regisseurin und Gespräch, OmeU)
Ost-Passage-Theater, 11.01. 20:00
Rem Koolhaas – A Kind of Architect
von Markus Heidingsfelder & Min Tesch, D 2005
Kaum ein Architekt hat in den letzten Jahren außerhalb der Architekturszene für so viel Aufsehen gesorgt wie Rem Koolhaas. Dem Holländer ging es nie um das einzelne 'Masterpiece', sondern stets darum, zu provozieren und Spannung zu erzeugen.
Stadtbüro, 09.01. 17:00 (Architektur im Film)