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Wann ist ein Mann ein Mann?

Die Grünen wollen über die Gefahren toxischer Männlichkeit reden, Teile des Stadtrats grölen zurück

  Wann ist ein Mann ein Mann? | Die Grünen wollen über die Gefahren toxischer Männlichkeit reden, Teile des Stadtrats grölen zurück  Foto: Stefan Ibrahim

Katharina Krefft (Grüne) eröffnet mit einer Frage: »Wie können wir Gewalt überwinden, wie können wir problematische Rollenvorstellungen, Einstellungen und Verhaltensmuster – vor allem von Männern – vorbeugen?« Die Antwort der Grünen: Die Rubrik »Männer« auf der Internetseite der Stadt Leipzig überarbeiten, damit sich auch Männer angesprochen fühlen, die nicht dem stereotypen Männlichkeitsbild entsprechen. Außerdem solle die Stadt dem Bündnis »Gemeinsam gegen Sexismus« beitreten.

In ihrem ursprünglichen Antrag aus dem vergangenen September hatte die Grünen-Fraktion umfangreichere Maßnahmen gefordert: etwa eine Kampagne zu vielfältigen Männerbildern oder ein Konzept zur Gewaltprävention. Beides wurde nach Gesprächen mit der Verwaltung bereits in den neuen Gleichstellungsaktionplan aufgenommen.

Krefft moniert, dass Jungs »auf Tiktok von Rechtspopulisten zugerufen [werde]: ›Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts, echte Männer haben Ideale, echte Männer sind Patrioten.‹« Gemeint ist der Tiktok-Kanal von Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl. Krah verbreitet als Teil seiner Wahlkampfstrategie seit Monaten diese kruden Kurzvideos. AfD-Stadtrat Marius Beyer, mit 24 eigentlich schon außerhalb Krahs Zielgruppe, klopft bei dem Zitat so laut auf seinen Tisch, dass sein AfD-blauer Becher fast umkippt: eine fragile Männlichkeit, die durch Gegröle und Getose wieder gestärkt werden muss, wird sie in Frage gestellt.

CDU-Fraktionschef Michael Weickert tritt ans Mikrofon. Zwar sagt er, »es ist in der Tat ein sehr wichtiges Thema«, nutzt seine fünfminütige Redezeit anschließend jedoch lieber, um sich über seine Kollegen aus dem Stadtrat lustig zu machen. Laut Weickert sehe man toxische Männlichkeit immer dann, »wenn Herr Kasek (Grünen-Stadtrat, Anm d. Red.) und Frau Gabelmann (Freibeuter-Stadträtin, Anm d. Red.) sich auf Twitter streiten.« Außerdem vermisse er die Vielfältigkeit in der Grünen-Fraktion: »Sie sind alle weiß, privilegiert und zwischen Ende 30 und Anfang 60. Das finde ich nicht sonderlich vielfältig.« Weickert schlägt den Bogen zum Phänomen der Midlife-Crisis und lacht über ein Bild der Stadträte Jürgen Kasek, Andreas Geisler (SPD) und Michael Neuhaus (Linke) vor einer entblößten Adonis-Statue im Rathaus. Was dies mit toxischer Männlichkeit und Gewalt, die von Männern ausgeht, zu tun hat, lässt Weickert offen. Er schließt seinen Redebeitrag mit dem leicht abgewandelten Zitat von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), hier gerichtet an die Fraktionen links der Mitte: »Solve your fucking problems.«

Ute Gabelmann (Freibeuter) sieht den Stadtrat nicht in der Position, »Männerbilder zu definieren oder in gesund und ungesund einzuteilen.« Außerdem findet sie es schwierig, »Männlichkeit mit Gewalt zu verknüpfen. Auch Frauen neigen durchaus zu Gewaltausbrüchen, sind dabei nur etwas subtiler.« Whataboutism? Verharmlosung?

Schnellen Schrittes und mit Puls 180 tritt Beate Ehms (Linke) ans Rednerpult. Sie wollte sich eigentlich nicht melden, sagt Ehms, findet manche Redebeiträge jedoch »dermaßen unter der Gürtellinie.« Sie mahnt energisch an, dass dieses »sehr wichtige Thema« ins Lächerliche gezogen und nicht ernst genommen würde. Die AfD-Fraktion quittiert ihren Redebeitrag mit Margot-Honecker-Rufen. Ein weiteres Level an Absurdität, das bei diesem Antrag erreicht wird.

Am Ende wird einer Überarbeitung der Website zugestimmt, einen Beitritt zum Bündnis »Gemeinsam gegen Sexismus« lehnt der Stadtrat jedoch mit einer knappen Mehrheit ab.


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