Es war eine Nachricht, die das Blut in den Kommentarspalten zum Kochen brachte: »Freiwild-Sänger Philipp Burger bei Buchmesse ausgeladen« titelte ein Leipziger Boulevard-Medium Ende Januar dieses Jahres. Es ging um die Absage einer Lesung bei der Litpop, dem Literaturfest im Rahmen der Leipziger Buchmesse. Dort wollte Burger sein im letzten Herbst erschienenes Buch über seinen mutmaßlichen Ausstieg aus der rechten Szene vorstellen. Ein Musikact habe mit Absage gedroht, sollte er auftreten. Grundlage für die Nachricht bildete ein Facebook-Post der Band des Sängers vom 30. Januar dieses Jahres. In dem hatte Burgers Band persönliche E-Mails zwischen Burgers Verlag und dem Veranstalter der Litpop veröffentlicht.
Öffentlichkeitswirksam wird Burger in dem veröffentlichten Post als Opfer einer Cancel Culture inszeniert. Denn Burger und seine Band Freiwild sind umstritten. Einige ihrer Lieder sind von nationalistischem und völkischem Denken geprägt, zudem bediente die Band in der Vergangenheit mit Textpassagen und Anspielungen antisemitische und geschichtsrevisionistische Erzählungen. All das findet in der rechten Szene Anklang. Im vergangenen Jahr veröffentlichten Frewild das Lied »Nie wieder«, in dem sie sich gegen Antisemitismus aussprechen.
Im Statement vom 30. Januar schreibt die Band, die Absage erinnere »sehr an etwas, das wir sicher nie wieder erleben wollen.« Außerdem wird ein Song von Burger zitiert, in dem er die Meinungsfreiheit infrage stellt. Die Leipziger Boulevardzeitung stellte im Zusammenhang mit der Absage die Frage: »Weil er ein Nazi war?« Nur einen Tag nach dem Post, dann die Nachricht der Band am 31. Januar: Burger darf nun doch an einem Stand auf der Buchmesse lesen.
»Wir hatten großes Interesse, ihm die Plattform zu geben«
Burger ein unbescholtener Sänger und Autor, der nicht seine Meinung sagen darf? Der von einer Veranstaltung ausgeladen wird? Und dann doch wieder eingeladen? Die Aussagen, die der kreuzer von den Verantwortlichen erhalten hat, zeichnen ein differenzierteres Bild.
»Das Programm stand zum Zeitpunkt der Absage noch gar nicht fest«, sagt Mirko Stock von Emotion Works. In Zusammenarbeit mit MDR Sputnik konzipiert und veranstaltet die Firma das Event, das zwar im Rahmen der Buchmesse stattfindet, aber eine eigenständige Veranstaltung ist. »Wir hatten großes Interesse, ihm die Plattform zu geben, um auch Menschen, die sich geändert haben, die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern.«
Aus den E-Mails, die von der Band veröffentlicht wurden, ging hervor, ein Musikact soll mit der Absage gedroht haben, wenn Burger auftritt. Man sei von den Veranstaltern darüber informiert worden, »dass einer der Musikacts sich quer stellt und nicht auftreten möchte, wenn Philipp auch dabei ist«, heißt es darin von einer Verlags-Mitarbeiterin an Burger. Um welchen Musikact es sich gehandelt haben soll, ist nicht bekannt. Auf Nachfrage bei Stock von Emotion Works heißt es dazu, es gab »Befindlichkeiten«, mit einer Absage habe niemand gedroht. Auch wenn Stock den Frust von Burger verstehen kann: »Wenn sich herauskristallisiert, dass irgendwas im Ablauf gestört ist, was die komplette Veranstaltung gefährden kann, muss ich hier eine Entscheidung im Wohle und im Sinne aller Beteiligten ist.«
Schon im November meldete Burgers Verlag eine Lesung bei der Buchmesse an
Nur einen Tag nach der Nachricht über die Absage postet Burger am 31. Januar auf Facebook ein weiteres Update, das er auch auf Instagram teilt. Es heißt, jemand von der Litpop habe das Gespräch mit Burger gesucht: »Und dann erhielt ich eine neue Einladung – direkt zur Buchmesse! In Leipzig. Cool, sagte ich mir, dann sagte ich spontan zu, und das mit Freude.«
Doch von einer Einladung auf der Buchmesse kann keine Rede sein. Denn die Veranstalter der Buchmesse laden niemanden ein, sie nehmen Anmeldungen entgegen. Der Verlag von Burger, der einen Stand auf der Buchmesse hat, tat das laut Buchmesse bereits im November 2023: Er meldete an, dass Burger lesen soll. Grundsätzlich habe ein Verlag, der eine Veranstaltung anmeldet, das Recht, »dass wir diese Veranstaltung auch auf der Buchmesse stattfinden lassen, sei es auf der Messe oder in einem der Veranstaltungsorte der Stadt Leipzig«, heißt es von einem Sprecher der Buchmesse. »Dazu sind wir auch vertraglich verpflichtet.« Diese Verpflichtung sollte mit dem Auftritt auf der Litpop erfüllt werden. Als die Absage klar wurde, musste deshalb ein neuer Veranstaltungsort gefunden werden, heißt es seitens der Buchmesse. Der Verlag äußerte sich auf Anfrage des kreuzer nicht.
Laut Emotion Works hätte Burger auf der Litpop maximal eine halbe Stunde gehabt, um sein Buch vorzustellen. Nun kann er sein Werk über eine ganze Stunde im Forum Sachbuch auf der Buchmesse vorstellen. Wer den Ort für die Lesung ausgesucht hat, bleibt unklar. Seitens der Buchmesse heißt es zur Wahl des Ortes: »Da spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle bei den Überlegungen, wo eine Veranstaltung stattfinden kann.«
MDR lässt Fragen unbeantwortet
Ebenfalls unklar bleibt der Inhalt des Gesprächs nach der Absage der Litpop und die Rolle der Person, mit der Burger gesprochen haben soll und bei der es sich mutmaßlich um einen Mitarbeiter des MDR handelt. Burger schreibt in seinem Facebook-Beitrag vom 31. Januar, man habe ihm in diesem Gespräch erklärt, dass die Diskussion um seine Mitwirkung nicht die ganze Veranstaltung überschatten sollte. Von einer Entschuldigung ist die Rede: »Wir hätten vorher miteinander sprechen können, stimmt auch, versteh ich auch. Entschuldigung angenommen.« Insgesamt habe man sich »mega offen unterhalten.«
Die Fragen des kreuzer zum Sachverhalt lässt die Pressestelle des MDR unbeantwortet. Stattdessen heißt es bloß: »Philipp Burger wird nicht auf der LitPop auftreten. Aber er wird auf der Leipziger Buchmesse präsent sein. Zudem wird er sein Buch ›Freiheit mit Narben‹ bei MDR SPUTNIK in einem Gespräch vorstellen.« Auf Nachfrage unter der persönlichen Adresse des mutmaßlichen Mitarbeiters des MDR meldet sich überraschend die Pressestelle zurück. Man bitte darum »auf weitere Anfragen an einzelne MDR-Mitarbeiterinnen und MDR-Mitarbeiter zu verzichten.«
Burger hatte durch den Vorfall eine breite Öffentlichkeit. Zahlreiche Online-Medien nahmen die Nachricht als Skandal auf. Die Buchmesse habe Burger ausgeladen. Doch von der Buchmesse konnte und sollte Burger gar nicht ausgeladen werden. Der Verlag hatte bereits eine Lesung mit Burger angemeldet. Es musste also nur ein neuer Ort gefunden werden. Fakt ist, Burger darf zwar nicht auf der Litpop lesen, doch Burger darf lesen.
Und was denkt Mirko Stock von Emotion Works über die ganze Sache? Er würde die Entscheidung, Burger einzuladen, immer wieder treffen. »Wir haben Themen, die gefallen nicht allen Menschen. Mir ist wichtig, dass wir mit unserer Plattform einen Diskurs bieten.« Außerdem seien vor Ort auch sehr gute Moderatoren, die die richtigen Fragen stellen können, um einer Person gegebenenfalls auch auf den Zahn zu fühlen.