Jahrgang 2003 und schon die Möglichkeit, bei Olympia zu schwimmen. Das ist Timo Sorgius. Der Schwimmer von der SSG Leipzig erzählt im kreuzer-Interview, warum sein Vater seine Rückenschwimm-Ambitionen zunächst abgelehnt hat und wie er es schaffen will, in die olympische Schwimm-Staffel zu kommen.
War Schwimmen schon immer ein Thema in Ihrer Familie?
Wie ich zum Schwimmen gekommen bin, ist ziemlich lustig: Mein Bruder hat einen Schwimmkurs gemacht, hatte dann keine Lust mehr. Weil der Schwimmkurs aber schon bezahlt war, musste ich einspringen – viele jüngere Geschwister werden es kennen. Ich habe den Kurs zu Ende gemacht und bin dann immer weitergeschwommen. Meine Eltern waren beide sportlich aktiv – mein Papa Leistungsruderer, meine Mutter ist auch gerudert. Aber ich bin beim Schwimmen hängen geblieben. Meine Ausrede war damals, dass ich nicht rückwärtsfahren wollte. Dass ich dann erst mal Rückenschwimmer geworden bin, fand mein Vater nicht so lustig (lacht).
Und wie wurden Sie Leistungsschwimmer?
Nachdem bei uns zu Hause am Bodensee eine Schwimmhalle abgebrannt ist, bin ich 2016 nach Halle ins Sportinternat gezogen. Nach knapp zwei Jahren bin ich dann gewechselt, weil es in Halle nicht mehr so gepasst hat, war dann wieder ein halbes Jahr in Konstanz. Dann habe ich ganz viele Probewochen in ganz Deutschland gemacht, bis ich zwei Jahre in Saarbrücken hängen geblieben bin und dort meine Schule beendet habe. Im Juni 2020 bin ich dann nach Leipzig gewechselt und sofort zu Herrn Embacher in die erste Mannschaft gekommen. 2021 bin ich Vierter im Einzel und Dritter in der Staffel bei der Junioren-WM geworden. 2022 war ich bei der EM, 2023 bei der WM – seit ich in Leipzig bin, geht es also bergauf. Druck von zu Hause gab es bei mir nie, es hieß immer nur: »Mach das, was dir Spaß macht.« Und das ist bis heute so. Ich mach’s, weil’s mir Spaß macht.
Wie war das, so früh von zu Hause wegzugehen?
Man wird schnell erwachsen. Mit 13 auszuziehen, war wirklich hart, insbesondere die ersten Wochen. Am Anfang war ich jeden Monat für ein Wochenende bei meinen Eltern – inzwischen bin ich es nur noch ein-, zweimal im Jahr.
Sie haben jetzt die Möglichkeit, sich für Olympia zu qualifizieren. Haben Sie Angst, danach in ein Loch zu fallen, wenn Sie so früh in Ihrer Karriere schon so ein Highlight erleben?
Gute Frage. Ich war 2020 bei der Olympia-Quali und hab sie ganz knapp verpasst. Da habe ich aber auch gar nicht damit gerechnet, es zu schaffen. Nun könnte es dieses Jahr passieren, dass ich mit 21 schon bei einer EM, WM und Olympia gewesen bin … Aber damit ist ja noch nicht alles erreicht. Wenn ich es zu Olympia schaffe, will ich nicht nur in der Staffel, sondern auch im Einzel antreten – und das wird 2024 voraussichtlich noch nicht klappen. Das ist dann zum Beispiel ein Ziel für 2028. Ich mache es so lange, wie es mir Spaß macht, und nehme mit, was ich mitnehmen kann.
Wann und wie entscheidet sich, ob Sie mit nach Paris fahren?
Wir haben im April die Quali-Wettkämpfe für die Staffel. Die vier dort Schnellsten werden zu Olympia mitgenommen. Die Quali-Zeit schaffen wir wahrscheinlich locker, es geht eigentlich nur darum, wer mitfahren darf. Im Moment bin ich Viertschnellster, aber es gibt fast jedes Jahr einen Überraschungsgast, den keiner auf dem Schirm hat. Und wenn der dann einer der vier Schnellsten ist, darf er mit. Das ist sehr fair im Schwimmsport geregelt. Ein Einzelstart ist für mich unrealistisch: Wir haben über 200-Meter-Kraul – meiner Paradedisziplin – Lukas Märtens, der vier Sekunden schneller ist als ich.
Vor ein paar Jahren haben Sie in einem Interview mal zum Thema Olympia-Teilnahme gesagt: »Wenn’s kommt, dann kommt’s. Wenn nicht, dann nicht.« – Sehen Sie das immer noch so entspannt?
Das würde ich heute wieder so unterschreiben. Ich will mir keinen Druck machen. Bei mir ist es immer so, dass, wenn ich vor dem Start sage: »Ich bin der Beste, ich schaffe das easy«, dann schaffe ich es eben nicht. Ich muss entspannt an einen Start herangehen. Ich nehme mir auch keine Zeiten vor, sondern schwimme einfach so gut, wie ich kann. Wenn ich mir zu viel Druck mache, dann läuft’s nicht oder ich verletze mich und dann ist die Arbeit der ganzen letzten Jahre hin.
Sie haben schon bei Paul Biedermann trainiert und sind in der Staffel mit Lukas Märtens geschwommen. Wer hat Sie am meisten inspiriert?
Ich vergleiche mich ungern mit anderen, weil wir alle einen anderen Weg gegangen sind. David Popovici, der bis vor Kurzem noch Weltrekordhalter über die 100 Meter Freistil war, ist erst Jahrgang 2004 und den kenne ich schon seit einigen Jahren. Zu ihm gucke ich definitiv ein bisschen auf. Die Leute, die ich in der Weltspitze kenne, sind immer noch menschlich und deshalb sind sie nicht wirklich Vorbilder für mich. Als ich Florian Wellbrock bei der Grundausbildung getroffen habe, haben wir uns super verstanden. Es war ganz egal, dass er Weltmeister ist und ich »nur« Deutscher Meister.
Viele Schwimmer kommen mit Kopfhörern in die Halle. Welche Rolle spielen Musik oder spezielle Songs für Sie vor einem wichtigen Wettkampf?
Ich höre sehr gemischte Musik. Da ist wirklich alles dabei. Ich mag den Lärm in der Halle nicht, wenn ich mich konzentrieren muss. Das ist mit Kopfhörern einfacher als ohne.