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Kultur

Mit dem Projektor gegen die Perfektion

Seit einem Vierteljahrhundert ist das Wanderkino unterwegs

  Mit dem Projektor gegen die Perfektion | Seit einem Vierteljahrhundert ist das Wanderkino unterwegs  Foto: Tobias Rank

Der 16-Millimeter-Projektor surrt unter freiem Himmel, ein schwarzweißes Titelbild erscheint und Tobias Rank eilt zu seinem mobilen Piano. Dann spielt er, blickt dabei immer wieder zur Leinwand am Wagen, um jeweils den passenden Einsatz zu treffen. Und das schon seit 25 Jahren, von Ahrenshoop bis Zwenkau, aber auch schon im Senegal und in Myanmar. Vom 6. bis 13. Juni gastiert er nun wieder zu den Stummfilmtagen auf der Warze im Clara-Zetkin-Park.

Seit 1999 fährt der studierte Musiker und Dozent etwa von Mai bis September mit dem ausrangierten Feuerwehr-Oldtimer über die Lande, zeigt Schwarz-Weiß-Stummfilme mit teils illustren Titeln wie »Flitterwochen im Fertighaus« oder »Die lustigen Mikroben« und untermalt diese auf seinem Klavier.

Wie kann ein Retro-Event mit überholter Technik und heute skurril anmutendem Overacting so lange Publikum locken – in Zeiten von Streaming-Wettrüsten, 4-D-Kino und allgemeiner Freizeit-Reizüberflutung? »Je digitaler es wird, so perfekt und professionell, umso mehr suchen die Leute dieses Erlebnis, das eben nicht professionell ist, das Bild ein bisschen unscharf, der Projektor rattert«, erklärt der Macher. »Es geht gar nicht darum, besonders zu lachen, sondern sich dieser Welt hinzugeben und darin auch Entspannung zu finden.«

Sich selbst erholen ist für den Leipziger bei rund 80 bis 90 Aufführungen pro Jahr nicht so einfach: Lange Fahrten, Auf- und Abbau, Schlafen im Auto. »Ich bin ja mehr Lkw-Fahrer als Musiker, rein zeitlich, das muss man schon wollen«, offenbart Rank. Doch rein finanziell fährt das Projekt gut: Zum Start mit dem sogenannten »Laster der Nacht« noch »völlig unwirtschaftlich«, verdient der Pianist längst seinen Lebensunterhalt damit – ganz ohne Spenden oder Fördermittel. Und er sieht auch optimistisch in die nahe Zukunft: Auf diese Art und Weise sei sein Wanderkino in Deutschland einzigartig und werde eher noch besonderer mit den Jahren. Doch er merkt an: »Ich bin jetzt 56, und natürlich überlegt man jedes Jahr, will ich das noch machen? Wenn ich nicht mehr selbstständig in das Fahrzeug steigen kann, ist der Zeitpunkt gekommen, dass es nicht mehr geht.« Insgesamt habe ihn die Tätigkeit jedoch jung gehalten, meint er.

Ob einer seiner vier Söhne sein Lebenswerk übernimmt, ist unklar. Die Kinder hätten es, als sie klein waren, alle mal gedacht, aber würden auch die Nachteile kennen. Vielleicht braucht es jemanden wie Charlie Chaplin aus dem Wanderkino-Programm 18: »Der Abenteurer« von 1927.


> Stummfilmtage auf der Warze: 6.–13.6., 21.30 Uhr, Clara-Zetkin-Park


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