Seit einem Jahr verbindet die Reihe »Rausch und Stigma« der Leipziger Uniklinik Film und Diskussion erfolgreich im Luru. Klassiker des Drogenfilms flimmern über die Leinwand, dazu geht es im Gespräch um Konsum und die wissenschaftlichen Hintergründe. Für Juni steht »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« auf dem Plan, die Adaption des gleichnamigen autobiografischen Buchs über Drogensucht und Prostitution im Berliner Jugendmilieu der 1970er.
25.6., 19 Uhr, Luru Kino
Film der Woche: Ivo lebt für ihre Patienten. Die Palliativpflegerin fährt von einem Termin zum nächsten, wechselt Infusionen und gibt seelischen Beistand. Ihre Mahlzeiten nimmt sie meist am Steuer oder auf dem Parkplatz ein. Ihre Tochter sieht sie erst spät am Abend. Die Teenagerin hat sowieso nur Augen und Ohren für ihren amerikanischen Freund. Ivos Ruhepol sind die regelmäßigen Besuche bei ihrer Freundin Solveigh, die an der Muskelkrankheit ALS leidet und ans Bett gebunden ist. So ist Ivo auch hier Pflegerin und Seelsorgerin. Der Spagat zwischen dem privaten Gefühlsleben und ihrer Aufgabe wird zunehmend zur Belastung. Kann sie die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sie persönlich betroffen ist? Autorin und Regisseurin Eva Trobisch (»Alles ist gut«) erzählt das moralische Dilemma im Vorbeigehen. Emotionale Ausbrüche leistet sich das Drehbuch ebensowenig wie seine Protagonistin. Greifbar, fast beiläufig schildert »Ivo« ein Leben. Trotzdem trifft Eva Trobischs zweiter Spielfilm tief. Das ist vor allem Minna Wündrich zu verdanken, die hier ihre erste Hauptrolle spielt und in jeder Szene präsent ist. Ihr natürliches Spiel fügt sich nahtlos in den Cast aus Laien, die sich teilweise selbst spielen, so wie der Anästhesiearzt Dr. Johann Campean, Ivos Vorgesetzter. So entstand ein ehrlicher, wahrhaftiger Film, der sich mit großen, elementaren Themen auseinandersetzt: Ein würdevolles Leben und Sterben. Bei der Berlinale in diesem Jahr gab es dafür den Heiner Carow Prize der DEFA-Stiftung.
»Ivo«: ab 20.6., Passage-Kinos
Harte Typen, wenig Worte, dafür jede Menge Gewalt, Harleys und Suchtmittel – die gängigen Klischees über Motorradclubs finden sich auch hier. Doch der Film zeigt noch mehr: Kampf um Anerkennung und Macht, Licht und Schatten verschiedener Gemeinschaftsgefüge und den unaufhaltsamen Wandel des Zeitgeistes. Im Chicago der 60er Jahre treiben die “Vandals” unter dem skrupellosen Anführer Johnny ihr Unwesen. Dieser will, dass der stille, aber explosive Schönling Benny eine Tages sein Nachfolger wird. Doch Kathy, Bennys Ehefrau und Erzählerin des Films, fordert nach diversen Vorfällen dessen Abkehr von der immer mehr in eine Spirale aus Gewalt und Kriminalität treibenden Bande. Die Gegensätze treiben die Story: Die Regeln der Gruppe versus das Aufbegehren gegen Gesellschaft und Gesetze, die Verbundenheit zu Familie und Partner versus die Loyalität zur motorisierten Ersatzfamilie sowie der Respekt und gleichzeitige Abscheu gegenüber der Bikergang. So ist Benny hin- und hergerissen zwischen seinem Ersatzvater und seiner Gemahlin, die sich – im Gegensatz zu den Faust- und Messerkämpfen – geladene Dialogduelle liefern. Der Film von Regisseur Jeff Nichols (»Lving«) basiert auf dem Fotobuch von Danny Lyon, der selbst Mitglied der Motorrad-Gang »Outlaws Motorcycle Club« war. »The Bikeriders« überzeugt vor allem durch das atmosphärische Setting und die starken Charaktere, allen voran Tom Hardy als grimmig-manipulativer Bandenboss. MARKUS GÄRTNER
»The Bikeriders«: ab 20.6., Passage-Kinos, Regina-Palast, Cineplex, CineStar
Wenn im Vorspann ein tennisballgroßer Asteroid auf die Erde einschlägt, in einem Puppenhaus landet und eine winzige Spinne daraus entschlüpft, die daraufhin zum Rollen der Credits eben jenes Miniaturhaus unsicher macht – dann weiß man schon: Die nächsten 90 Minuten werden ein großer augenzwinkernder Spaß für Horrorfans. Dabei beginnt »Sting« eigentlich mit einem Prolog, der den Handlungsbogen spannt: Kammerjäger Frank (glänzend aufgelegt: Jermaine Fowler) wird in die Wohnung der senilen Helga (Noni Hazlehurst) gerufen, weil seltsame Geräusche aus den Wänden kommen. Frank vermutet ein Rattenproblem und ist umso überraschter als er einen Blick in den Schacht der Klimaanlage wirft. Bis es soweit kommt, findet aber erstmal die 12-jährige Charlotte (Alyla Browne) den achtbeinigen Alien, tauft ihn Sting und zieht ihn groß – sehr groß, wie sich bald herausstellt, denn der Arachnoid wächst überdurchschnittlich schnell und entwickelt großen Hunger auf immer größere Mahlzeiten. Das Monster ist von der neuseeländischen Effektschmiede WETA überzeugend ins Leben gebracht, auch wenn man Sting mit fortschreitender Größe immer weniger zu Gesicht bekommt. Das gehört eben auch zur Spannung, die Kameramann Brad Shield mit vielen schönen visuellen Ideen hoch hält. Der australische Regisseur Kiah Roache-Turner (»Wyrmwood: Road of the Dead«) zitiert sich mit sichtlich viel Spaß durch die Genreklassiker, zu dem »Sting« vielleicht die wirklich großen Ideen fehlen, aber das gleicht der Spinnenhorror durch seinen Charme locker aus.
»Sting«: ab 20.5., Regina-Palast, Cineplex, CineStar
Weitere Filmtermine der Woche
Following
GB 1998, R: Christopher Nolan, D: Jeremy Theobald, Alex Haw, Lucy Russell, 70 min
Ein Hobby-Stalker gerät in den Bann eines Gleichgesinnten. Christopher Nolans kaum bekanntes Debütwerk ist ein sehenswertes Thrillerdrama.
Schaubühne Lindenfels, 22.06. 22:00 (OmU), 23.06. 16:00 (OmU)
Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 26.06. 22:00 (OmU)
Shorts Attack: Cannes Competition Shorts
Die besten Kurzfilme aus dem Wettbewerb des letztjährigen Cannes-Filmfestivals.
Kinobar Prager Frühling, 21.06. 20:00 (OmU)
The Ballad of George Barrington
Der Dokumentarfilm erzählt die Lebensgeschichte des irischen Taschendiebs George Barrington, der sich im ausgehenden 18. Jahrhundert trickreich in der aristokratischen Gesellschaft Londons bewegte und schließlich nach Australien verbannt wurde.
Luru-Kino in der Spinnerei, 20.06. 19:00 (Premiere mit Film-Team)
A Touch Of Zen
CN 1971, R: King Hu, D: Feng Hsu, Chun Shih, Ying Bai, 179 min
Der junge Gu lernt die Kriegerin Yang Hui Ching kennen, die auf der Flucht vor der kaiserlichen Polizei ist, die ihren Vater umgebracht hat. Er beschließt, Yang im Kampf gegen die immer näher rückenden Truppen des Kaisers beizustehen. Martial-Arts-Action von King Hu.
Cineding, 22.06. 20:00 (12, Reihe Zeitlos)
Alaska
D 2023, R: Max Gleschinski, D: Christina Große, Pegah Ferydoni, Karsten Antonio Mielke, 124 min
Kerstin kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück. Was sie jetzt will, ist allein sein mit ihrem alten Kajak und dem Wasser. Als sie auf Alima trifft, muss sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen.
Zeitgeschichtliches Forum, 24.06. 19:00
Babylon
GB 1980, R: Franco Rosso, D: Franco Rosso, Martin Stellman, David N. Haynes, Trevor Laird, Victor Romero Evans, 95 min
Der Film fängt die Probleme der afrobritischen Jugend im London der frühen Achtziger ein.
Ost-Passage-Theater, 26.06. 20:00 (OmU)
Barash
ISR 2015, R: Michal Vinik, D: Sivan Noam Shimon, Hadas Jade Sakori, Reut Akkerman, 81 min
In Barash stellt die Liebe zu einer Mitschülerin das Leben eines 17-jährigen Mädchens vollkommen auf den Kopf.
Schaubühne Lindenfels, 26.06. 21:30 (Aktuelles Kino aus Israel)
Battles Without Honor and Humanity
J 1973, R: Kinji Fukasaku, D: Bunta Sugawara, Hiroki Matsukata, Kunie Tanaka, 100 min
Ein ehemaliger japanischer Soldat erschießt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg einen Gangster, der seinen Freund getötet hat. Als er aus der Haft entlassen wird, tritt er einem Yakuza-Syndikat bei.
Luru-Kino in der Spinnerei, 23.06. 19:00 (OmU), 26.06. 21:00 (OmU)
Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
D 1981, R: Uli Edel, D: Natja Brunckhorst, Thomas Haustein, Christiane Lechle, 138 min
Adaption des gleichnamigen autobiografischen Buchs: über Drogensucht und Prostitution im Berliner Jugendmilieu der 1970er.
Luru-Kino in der Spinnerei, 25.06. 19:00
Coffee and Cigarettes
USA/I/JP 2003, R: Jim Jarmusch, D: Cate Blanchett, Bill Murray, Steve Buscemi, 96 min
Elf kurze Begegnungen bei Kaffee und Zigaretten: Episoden aus den Jahren 1986 bis 2003, bei denen sich Freunde und Mitarbeiter des Regisseurs Jim Jarmusch meistens selbst spielen.
Schaubühne Lindenfels, 22.06. 18:00 (OmU)
Déserts – Für eine Handvoll Dirham NEU
F/D/B 2022, R: Faouzi Bensaïdi, D: Fehd Benchemsi, Abdelhadi Talbi, Rabii Benjhaile, 120 min
Mehdi und Hamid arbeiten für ein Inkassobüro. Mit ihrem alten Auto fahren sie kreuz und quer durch den Süden Marokkos. Absurde Road-Movie-Komödie.
Passage-Kinos, 24.06. 20:30 (OmU, Preview)
Final Girls Berlin
Das Final Girls Berlin Film Festival präsentiert Horror-Kurzfilmkino, in welchem Frauen Regie geführt haben, und Filme, die von Frauen geschrieben oder produziert wurden.
Cinémathèque in der Nato, 28.06. 20:00 (mit Einführung und Gespräch)
Fireworks
I 2023, R: Giuseppe Fiorello, D: Samuele Segreto, Gabriele Pizzurro, Simona Malato, 134 min
Im Sommer 1982 verändert sich das Leben des 17-jährigen Gianni, als er bei einem Mopedunfall den 16-jährigen Nino kennenlernt.
Passage-Kinos, 26.06. 20:30 (OmU, QueerBLICK)
Haikyu!! Das Play-off der Müllhalde
J 2024, R: Susumu Mitsunaka, 86 min
Anime-Film zur erfolgreichen Anime-Volleyballserie.
Cinestar, 25.06. 17:00 (OmU), 20:00
Regina-Palast, 25.06. 17:00 (OmU), 18:00 (OmeU), 19:45
Cineplex, 25.06. 18:00 (OmU), 20:00
Love, Spells And All That
TRK 2019, R: Ümit Ünal, D: Aysenil Samlioglu, Damla Ersan, 96 min
Inselromantik, Homophobie und magische Liebeszauber – ein glaubhaftes Porträt von zwei Frauen, die für ihr Lebensglück vieles aufgeben mussten, weil die Gesellschaft es ihnen nicht zugestehen will.
Pöge-Haus, 22.06. 19:00
Men & Chicken
DK 2015, R: Anders Thomas Jensen, D: David Dencik, Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, 104 min
Gabriel und Elias gehen auf die Suche nach ihrem Vater. Ihn finden sie nicht, dafür aber ihre drei derangierten Brüder. Es entspinnt sich ein Wahnsinn aus Sodomie und Genexperimenten.
Passage-Kinos, 28.06. 20:00 (mit Einführung, OmU, Retrospektive)
Wer wenn nicht wir? Der Kampf für Demokratie in Belarus
D 2023, Dok, R: Juliane Tutein, 77 min
2020 formierten sich in Belarus die bis dato größten Proteste gegen die Regierung. An der Spitze der mutigen Aufbegehrenden stehen vor allem Frauen. Dreien von ihnen widmet sich dieses Porträt.
Cinémathèque, 24.06. 19:30 (mit Filmgespräch, OmU)
This Is Our Everything
D 2023, Dok, R: Frederik Subei, 81 min
Die Guajajára im brasilianischen Regenwald leisten Widerstand gegen den illegalen Holzeinschlag: Sie wollen nicht tatenlos zusehen, wie ihre Heimat zerstört wird.
Cinémathèque in der Nato, 25.06. 19:30 (mit Regiegespräch, OmU)