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Tot wie ein Baum

Für ein Parkhaus muss ein 150 Jahre alter Baum weichen

  Tot wie ein Baum | Für ein Parkhaus muss ein 150 Jahre alter Baum weichen  Foto: Stefan Ibrahim

»Es geht um einen Baum«, bringt Jürgen Kasek (Grüne) eine Petition des BUND Leipzig auf den Punkt. »Dieser Baum steht in Lindenau, hat einen Stammumfang von 270 Zentimetern und ist geschätzt 150 Jahre alt. Er ist ortbildprägend.« Soweit die beindruckende Biografie. Das Problem: Da wo der Baum jetzt steht, soll ein Mehrfamilienhaus inklusive Kita gebaut werden. »Der Baum würde dieses Bauvorhaben gar nicht stören, weil er steht am äußersten Rand des Baufeldes«, sagt Kasek. »Allerdings hat der Baum – und einige Bäume haben dieses Problem –«, gibt Kasek zu, »dieser schöne Baum hat Wurzeln. Und es soll eine Tiefgarage gebaut werden und die Wurzeln des Baumes und die Tiefgarage vertragen sich nicht.« An der Rechtsmäßigkeit der bereits erteilten Baugenehmigung hat Kasek keine Zweifel. Allerdings drängen die Grünen in einem Änderungsantrag darauf, mit dem Bauherren nachzuverhandeln, damit der die Tiefgarage kleiner baut und der Baum stehen bleiben kann.

»Wenn da wirklich eine Kita reinkommt, auf einer Freifläche, dann ist es doch Gott nochmal sinnvoll zu prüfen, dass der Baum da stehen bleiben kann«, sagt Kasek. Insbesondere in Hitzesommern sei es von Vorteil, einen Schattenspender zu haben. »Der ökosystemische Verlust, der durch diesen Baum einhergeht, den können wir nicht mit Ausgleichmaßnahmen in den nächsten Jahrzehnten auffangen.«

Er habe kein Problem damit, seitens der Bauaufsicht nochmal auf den Bauherren zuzugehen«, sagt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne). »Das tue ich aber unter der Voraussetzung der Freiwilligkeit des Bauherren. Es gibt eine rechtkräftige Baugenehmigung.«

Von seinem Platz aus will sich auch Sven Morlok (Freibeuter) an der Debatte beteiligen. »Herr Morlok, ich würde Sie drannehmen, wenn Sie sich melden«, sagt Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU), der in Abwesenheit von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) die Sitzung leitet. Mit dem Arm in der Luft ist Morlok schon auf dem Weg zum Rednerpult, da nimmt Bonew Frank Dosin (CDU) dran. Dosin bittet den Rat innezuhalten. »Wir haben eine rechtkräftige Baugenehmigung«, wiederholt Dosin und jetzt wolle man nochmal in Nachverhandlungen treten. »Wollen wir das denn ständig tun? Irgendwie muss der Bauherr sich doch auf unsere Genehmigung verlassen können.«

Jetzt darf Morlok. Und bringt wie Dosin sein Unverständnis über den Grünen-Antrag zum Ausdruck. »Das ist, was sie gerade beantragen: Einen Telefonanruf. ›Könnteste‘ nicht kleiner bauen?‹ Wenn der sagt ›ne‹, dann ist auch okay. Machen wir uns nicht lächerlich, wenn wir hier im Stadtrat beschließen, dass ein Dezernent jemanden anrufen soll?«

»Der Punkt ist doch dieser«, sagt Ute Elisabeth Gabelmann (Freibeuter). »Dass jetzt rechtlich alles klar ist, ist ja genau das Problem. Dass wir immer wieder Genehmigungen erteilen, solche Bäume runterzumetern.« Ein anderes Problem hat Gabelmann aber auch noch, mit den Grünen: »Die Fraktion ist für jeden Schulbau bereit, alle Bäume runterzumetern und bei anderen Sachen wiederum nicht.«

Grünen-Fraktionschefin Katharina Krefft protestiert von ihrem Platz. »Frau Krefft, es reicht!«, herrscht Gabelmann sie über die Reihen hinweg an, um direkt wieder milde zu werden. »Oh danke, das wollte ich schon fünf Jahre machen. Hach!«

Ohne Geschrei, aber mit toten Bäumen, geht die Abstimmung zu Ende, weil nur Teile von Linken und SPD für den Antrag der Grünen stimmen.


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