Beim Anblick dieser Müllmengen werde einem »Himmel, Angst und Bange«, sagt Jürgen Kasek (Grüne). Seine Fraktion unterstützt eine Petition des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die fordert, eine Steuer auf Einwegverpackungen zu erheben. Verpackungen machen laut der Stadtverwaltung ungefähr 43 Prozent des Abfalls in Leipzigs öffentlichen Mülleimern aus.
Ob eine kommunale Verpackungssteuer rechtlich möglich ist, darüber wird das Bundesverfassungsgericht erst noch entscheiden. In Tübingen hatte ein McDonalds-Franchisenehmer gegen die Einführung einer solchen Steuer geklagt. Die Grünen wollen so lange aber nicht warten: Die Stadt Leipzig solle eine Vorreiterrolle einnehmen, indem sie eine Steuer und ein einheitliches Mehrwegsystem einführt.
SPD und Linke bremsen. Erst solle die Stadtverwaltung das Urteil abwarten und dann verschiedene Modelle für eine Verpackungssteuer prüfen. Damit sind sie weit entfernt davon, tatsächlich eine Steuer einführen zu wollen. Seine Fraktion könne diesen Vorschlag leben, sagt Kasek dennoch. Um eine Mehrheit zu finden, müssen die Grünen sich also von Leipzigs Rolle als Mehrweg-Avantgarde verabschieden.
Die Harmonie des rot-grün-roten Lagers stört Sven Morlock (Freibeuter), der weniger Verpackungsmüll gut, die Anträge aber unausgereift findet. Anhand eines hypothetischen Besuchs bei McDonalds will er der Ratsversammlung seinen Standpunkt schmackhaft machen. Bestelle man zum Essen vor Ort, dann müsse man keine Verpackungssteuer zahlen. Die Verpackung falle aber trotzdem an, wie beim Mitnehmen. Beim Döner und seiner Verpackung aus Alufolie verhalte es sich es sich ähnlich. Sein Fazit: »Wie viel Verpackung wird vermieden, wenn der Kunde die Verpackung im Geschäft wegwirft und nicht zuhause? Null.« In seiner Analyse scheint Morlock jedoch zu vergessen, dass ein wichtiger Teil der Petition auch das Einführen von Mehrwegverpackungen ist.
Für einen Nachschlag sorgt Andreas Schultz (CDU). Auch der selbstständige Bäckermeister will weniger Verpackungsmüll und würde sich darüber freuen, wenn seine Kunden öfter die eigene Tupperdose mitbringen würden. Er zweifelt aber an der Umsetzbarkeit der Steuer und fürchtet einen Flickenteppich unterschiedlicher Pfandsysteme. Richten sollen es die Verbraucherinnen und Verbraucher: Die möchte er dazu bewegen, von sich aus öfter Mehrwegverpackungen zu nutzen. Einen konkreten Vorschlag bleibt Schultz aber schuldig. Andreas Geisler (SPD), ebenfalls Bäcker, schaltet sich ein und erklärt seinem Berufskollegen nochmal das vorgeschlagene Mehrwegsystems: »Wir möchten eine Mehrweg-Möglichkeit, die in ganz Leipzig gilt, wir möchten keine Insellösung für Leipzig, die kann gerne bundesweit gelten, aber sie soll in der ganzen Stadt gelten.« Aktuell gebe die Stadt bis zu einer Million Euro aus, um den Müll aus den Parks zu holen, das müsse angegangen werden. »Wo willstn‘ dann deinen Kuchen einpacken?«, fragt Schultz von seinem Platz aus. »Der Kuchen ist nicht Teil der Take-Away-Steuer. Das weißt du genau!«, antwortet Geisler.
»Ich begrüße Sie zum Fachseminar Bäckerverpackungen«, sagt Torsten Bonew (CDU). Der Finanzbürgermeister, der in Abwesenheit von OBM Burkhard Jung (SPD) die Sitzung leitet, hat noch einen Vorschlag: »Mir persönlich würde es jetzt helfen, wenn die Bäcker was austeilen, ganz ohne Verpackung.« Applaus im Saal, die Bockwurst aus der Sitzungspause ist schon längst verdaut. »Ich sehe keine Wortmeldungen und keinen Kuchen«, stellt Bonew korrekt fest und bittet zur Abstimmung. Der von SPD und Linken vorgeschlagene Kompromiss wird mit den Stimmen von Rot-Grün-Rot angenommen.