Mit der Familie hat man es nicht immer leicht. Das wissen auch die von Schattenbachs, die für den 75. Geburtstag ihres Onkel Hans-Heinrichs extra einen Shakespeare einstudiert haben, den sie nun vor der versammelten Festgemeinde zum Besten geben wollen. Eine Mauer, von welcher der Putz bröckelt und zwei rohe Holztüren mit Drehbühne – mehr brauchen die Fünf bestehend aus Mutter Rita und Tochter Marie Luise (Kristin Becker und Maroush Boleyn), dem Ehepaar Angela und Erwin Ludolf (Susanne Bolf und Stephan Fiedler) und dem Junggesellen und Hallodri Armin (Brian Völkner) nicht. In diesem Minimalsetting und in renaissancehaft angehauchten Kostümen (Bühne: Robert Schiller, Kostüme: Marlene Schröder) werfen sie Shakespeares »Komödie der Irrungen« auf die Bühne, modifiziert zu »Playing Shakespeare – We lost in confusion«. Und das sind sie und durchaus mit Verve. In Shakespeares Stück treffen zwei getrennte Zwillinge, ohne es zu wissen, aufeinander oder vielmehr zunächst auf ganz viele Zeitgenossen, die aber nicht wissen, dass es sich um zwei unterschiedliche Personen handelt, so dass eine ganze Reihe an Verwechslungen vorprogrammiert ist.
Doch Regisseur Volker Insel interessiert dieses klamaukhafte Feuerwerk des frühen Altmeisters nur vordergründig, viel mehr Spaß hat seine Crew dabei, die Familienidylle einmal so richtig durcheinanderzuwirbeln. Denn so richtig rund läuft hier nichts, alle haben ihre Ticks und Marotten und die können nun endlich einmal ausgelebt werden, so dass selbst Armin, der hier mit wachsender Regie- und Conferencierfaust den Laden zusammenzuhalten versucht, schließlich in die Kernschmelze abgleitet. Er hat aber auch einiges zu tun.
Rita braucht stets mehrere Einläufe, um sich zu entscheiden, wie sie ihre Sätze intonieren soll und landet auch schon mal bei einer Hitler Parodie, was Armin zu dem Ausruf »Nicht den Adolf« bringt. Noch dazu verwirbelt sie die Silben, was meist zu der größtmöglichsten Zote führt. Mutter Angela unterbricht gerne, um ihr eigenes Wissen oder Nicht-Wissen ganz unshakespearianisch beizusteuern und ist sich zusammen mit ihrer Nichte Marie Luise, die hier als verzogene desinteressierte Halbwüchsige etabliert wird, einig, jeden sich anbietenden feministischen Diskurs auch auszubreiten. Augenrollen der Herren inklusive.
Außerdem hat Angela ein Auge auf ihren Neffen Armin geworfen, denn ihr Mann ist lieber auf der Jagd denn bei ihr. In der Folge verlegen beide ihre Paartherapie gerne auf offene Bühne. Und zwischen diesem Familienchaos findet dann auch noch ein wenig Shakespeare statt. Höhepunkt ist die Burlesque-Nummmer von Maroush Boleyn, wenn sie in der Rolle der Puffmutter in grünen Dessous bis hin zum Nippel Pasty zu Santanas »Smooth«, die Männer um ihren Verstand und das Publikum zum Johlen bringt. Da kann auch Völkners nackter Arsch, mit dem er in einem Akt der Verzweiflung den Fokus auf sich ziehen, will nichts ändern.
So kombiniert der Abend die verschiedensten Sinn- und Bedeutungsebenen im herrlichen Klamauk und die Spielenden lassen kein Fettnäpfchen aus, um mit Anlauf und zur großen Freude des Publikums hinein zu springen. Dennoch wird es niemals platt, sondern durch die Vielzahl an Sprungmöglichkeiten wartet immer schon die Enthüllung an der nächsten Ecke, die aber mit der aktuellen Situation nichts zu tun haben muss. Irrungen, Wirrungen, Wandlungen und zum Finale – wie es sich für einen Shakespeare gehört – alle heiter und zufrieden, zu Akkordeonmusik aus dem Hause Völkner oder eben den von Schattenbachs und ihrer buckligen Verwandtschaft.
> Playing Shakespeare – We lost in confusion, bis 14. August, immer Di. bis Sa., 20 Uhr, Innenhof der Moritzbastei (Schlechtwettervariante drinnen)