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Stadtleben

»Es wird nichts daran ändern, dass wir demonstrieren werden«

CSD-Pressesprecherin Jasmin Gräwel über die Vorkehrungen zur diesjährigen Demonstration

  »Es wird nichts daran ändern, dass wir demonstrieren werden« | CSD-Pressesprecherin Jasmin Gräwel über die Vorkehrungen zur diesjährigen Demonstration  Foto: Mim Schneider

Am Samstag wird am Christopher Street Day (CSD) in Leipzig zum 32. Mal für die Rechte queerer Personen demonstriert und Vielfältigkeit gefeiert. Nach den rechtsextremen Ausschreitungen am vergangenen Wochenende auf dem CSD in Bautzen wird auch für den Leipziger CSD rechter Gegenprotest angekündigt. CSD-Pressesprecherin Jasmin Gräwel erzählt im Interview, welche Vorkehrungen getroffen werden, aber auch, was der CSD in Leipzig schon erreicht hat und noch erreichen möchte.

 

Wie verlief die Planung für den diesjährigen CSD?

Die verlief und verläuft sehr gut. Wir sagen immer: nach dem CSD ist vor dem CSD. Das heißt, wir treffen uns das ganze Jahr über regelmäßig im Plenum, wo jeder und jede kommen kann, um mitzuhelfen und mitzumachen. Das ist ja alles von engagierten Ehrenamtlichen organisiert. Wir überlegen uns, welche Themen wichtig für den kommenden CSD sein könnten. Wir wissen, es ist Landtagswahl in Sachsen. Das hat natürlich eine Rolle gespielt, als es um die Frage ging: Welchen Schwerpunkt geben wir uns? Die Community ist immer miteinbezogen. Die Leute, die Ideen haben, können jederzeit zu uns kommen. Sie werden dann entsprechend im Plenum präsentiert und wir stimmen darüber ab.

Ihr diesjähriges Motto »Wir wählen Vielfalt« positioniert sich klar zur kommenden Landtagswahl. Sie haben auch eine Gesprächsrunde mit Politikerinnen und Politikern geplant. Welche Bedeutung haben die politischen Parteien auf dem CSD?

Wir stehen dafür, dass die Gesellschaft bunt und vielfältig ist. Das wollen wir mit unseren 29 Forderungen zeigen. Wir können nur das Sprachrohr gegenüber der Gesellschaft und Politiker:innen sein, um ihnen zu sagen: Hey, das ist das, was wir fordern. Es ist auch an euch, dafür zu sorgen, dass das umgesetzt wird. Dass im Grundgesetz Artikel 3 Absatz 3 erweitert wird und die geschlechtliche Identität und Orientierung mitgeschützt werden, ist beispielsweise eine Forderung, die wir an die Politik richten. Wir fühlen den Parteien gerade in solchen Gesprächsrunden auch auf den Zahn. Wir wollen von allen demokratischen Parteien wissen: Wie steht ihr zur Community und zu dem, was wir fordern?

Wie steht es um diese 29 Forderungen – konnten schon welche gestrichen werden?

Es ist eher so, dass es Forderungen gibt, die geupdatet werden konnten, die aber immer noch da sind. Eine Forderung, die gestrichen worden ist, ist, dass das Transsexuellengesetz weg ist. Wir haben jetzt das Selbstbestimmungsgesetz, aber auch da fordern wir eine Anpassung. Bei Menschen, die eine Namensänderung beantragen wollen, fragen wir uns, wozu es eine Wartezeit braucht. Die, die das betrifft, haben schon so lange darauf gewartet und sind sich ihrer Sache sicher. Ansonsten wissen wir, dass unsere Forderungen nicht von heute auf morgen umgesetzt werden können, dass das immer ein dynamischer Prozess ist. Es ist eben wichtig, dass wir immer wieder den Finger in die Wunde legen, um den Druck für die, die etwas ändern können, zu erhöhen.

Wie blicken Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf die angekündigte rechte Gegendemo am Samstag?

Es wird auf jeden Fall nichts daran ändern, dass wir demonstrieren werden. Wir gehen auf die Straße, demonstrieren für Vielfalt, für Gleichberechtigung, für queere Rechte, für die Forderungen, die wir haben. Davon lassen wir uns nicht abhalten. Stand jetzt wird auch unsere Route ohne Änderungen umgesetzt. Natürlich haben wir die Bilder aus Bautzen gesehen. Natürlich ist das schockierend, wenn ich dort in hasserfüllte Gesichter blicke, die auch zu Gewalt bereit sind. Die dann unter Jubel anfangen, Regenbogenflaggen zu verbrennen. Das sind krasse Bilder. Klar brennt sich das auch bei uns in die Köpfe ein. Niemand, absolut niemand hat Bock, dass hier in Leipzig solche Bilder entstehen. Das drückt für uns alle die Stimmung. Aber es zeigt auch die politische Veränderung hier in Sachsen.

Haben Sie schon vor der Ankündigung mit rechten Störungen gerechnet?

Gerechnet haben wir damit nicht. In der Vergangenheit gab es mal die eine oder andere kleine Störaktion, wenn Gruppierungen aus dem rechten Spektrum versucht haben, Flyer während der Demo in die Luft zu werfen oder Sticker zu verteilen. Aber eine Störaktion dieser Art, dass im Vorfeld bundesweit in Chats dazu aufgerufen wird, CSDs massiv zu stören, das ist für uns neu. Das nehmen wir sehr ernst.

Die Polizei bereitet einen Großeinsatz vor, um die Demonstration zu schützen. Wie stehen Sie dazu?

Normalerweise hält sie sich eher im Hintergrund auf, weil das natürlich eine berechtigte Frage ist, was eine Polizei auf einem CSD verloren hat. Ich habe volles Verständnis dafür, dass das vielleicht Leute davon abhält, zu kommen. Aber das erfordert nun mal die Lage, dass die Polizei sichtbarer sein wird.

Werden andere zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen?

Es ist immer so, dass wir ein Awareness-Team haben. Das sind ehrenamtliche Menschen, die in einem ruhigeren Bereich ansprechbar sind. Es gibt auch Sicherheitspersonal. Was wir immer sagen, auch in diesem Jahr, ist, dass die Menschen, die von außerhalb zu uns kommen, in Gruppen anreisen sollen und nicht allein. Da ist super, dass in den sozialen Medien auch gesagt wird: »Hey, ich komme von da und da, wenn ihr wollt, fahren wir zusammen.«

Hat sich die Situation für queere Menschen in Deutschland verändert?

Das lässt sich nicht so leicht beantworten, weil jeder ein persönliches Empfinden hat. Es macht auch einen Unterschied, ob ich mich jetzt in einer Großstadt wie Leipzig bewege oder in einer kleineren Ortschaft wie Bautzen, Döbeln, Wurzen. Wir merken aber, und dass sichern auch Studien, dass Hass gegenüber queeren Menschen ansteigt. Das wünscht sich niemand. Wir möchten eigentlich auch, dass wir in Ruhe unsere Demo machen können und dass wir Bilder von Menschen, die fröhlich sind, in die Welt tragen. Dass die Lage für queere Menschen schlechter geworden ist, nicht nur bei uns in Deutschland, auch weltweit, das ist besorgniserregend.

Ich kann mir die Frage nicht beantworten, wo das Problem ist, dass jeder und jede so sein kann, wie er oder sie das möchte oder den Menschen lieben kann, die die Person möchte. Wo ist da die Gefahr? Wir sind nicht die Gefahr. Wir wollen einfach auch nur unser Leben leben. Unsere sexuelle Identität oder Orientierung ist ein Faktor, der uns als Mensch ausmacht, aber auch nicht alles. Die Leute müssen das nicht gut finden, was wir machen. Wenn es aber um Angriffe geht, wenn Menschen zu Schaden kommen, da hört es auf.

 

> Warm-up mit politischem Talk und Musik: Freitag, 16. August, 19 Uhr, Augustusplatz

> Kundgebung: Samstag, 17. August, 11:30 Uhr, Augustusplatz, Demonstration ab 13 Uhr, Straßenfest mit Bühnenprogramm: gegen 15:30 Uhr, Augustusplatz


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