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Kultur

»Für wen mache ich eigentlich Musik?«

Die Leipziger Sängerin Blush Always über ihre Entwicklung und das zweite Album

  »Für wen mache ich eigentlich Musik?« | Die Leipziger Sängerin Blush Always über ihre Entwicklung und das zweite Album  Foto: Katja Seifert besser bekannt als Blush Always/Marina Monaco

Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir die Leipziger Musikerin Katja Seiffert aka Blush Always zum Interview getroffen (siehe kreuzer 10/23) und sie zum, nicht immer ganz leichten Start ihrer Musik-Karriere befragt. Seitdem ist viel passiert: Das Debüt-Album »You deserve Romance« ist erschienen und sehr positiv besprochen worden, gefolgt von einer ersten eigenen Headliner-Tour und zahlreichen Festival-Auftritten. Nun erscheint am 6. September ihr zweites Album – Grund genug für ein erneutes Treffen.

Der Name Blush Always rührt daher, dass Sie anfangs auf der Bühne vor Aufregung rot wurden. Wie ist das mittlerweile?

Das ist auf jeden Fall routinierter geworden. Ich merke aber immer noch, dass es mir nicht so leicht fällt. Ich spiele zum Beispiel am liebsten immer dieselbe Setlist, weil mir das dann so ein Gefühl von Sicherheit gibt: Die Setlist haben wir schon zehnmal gespielt, da wird das jetzt auch irgendwie klappen. Und wenn wir am Wochenende auf Tour fahren, bin ich die Tage vorher schon angespannt, packe drei Tage vorher meine Sachen und sortiere meinen Merch. Aber ich bin nicht mehr kurz vorm Konzert so, dass ich denke, ich kann da nicht raufgehen.

 

Was ist seit Erscheinen des Debüt-Albums »You Deserve Romance« passiert?

Ich habe relativ lange darauf gewartet, dass das Album rauskommt. Es lag eine ganze Weile fertig rum, aber wir haben gewartet, dass man wieder auf Tour gehen kann. Das war dann im Januar und da war auch das erste Mal das Gefühl: Wir spielen jetzt eigene Konzerte. Bis zu dem Zeitpunkt wusste ich gar nicht so richtig, was für Leute Blush Always hören, ob überhaupt jemand zu den Konzerten kommt. Und dann waren alle sehr positiv überrascht: In allen Städten waren Leute da – das hat mir als Künstlerin Selbstvertrauen gegeben und gezeigt, dass das relevant ist, was ich mache und dass es auch seinen Platz in der deutschen Musikbranche hat. Da hab ich vorher immer so ein bisschen dran gezweifelt, weil wir nicht selten Festival-Shows gespielt haben, wo ich das Gefühl hatte: Okay, es interessiert einfach niemanden. Mittlerweile habe ich das Gefühl, Blush Always hat einen Wert und es gibt Leute, die das verstehen und annehmen. Ich weiß jetzt, dass die Leute, die Blush Always hören, halt eher so sind wie ich. Und wenn ich auf Festivals gehe, dann stehe ich auch eher rum und zeige nicht unbedingt, dass es mir gefällt.

 

Wenn es mich berührt oder mir was bedeutet, würde ich keinen Moshpit starten. Das ist, glaube ich, so ein bisschen der Trugschluss auf Festivals: dass das gut ist, wo die Leute abgehen und wo Leute ausrasten und feiern. Ich denke aber die Musik, die ich gut finde, die macht das nicht, die löst das nicht in mir aus und genauso löst meine Musik das vielleicht nicht in Leuten aus, die die gut finden. Mich verunsichert das jetzt nicht mehr so, wenn wir Festivals spielen und es passiert nichts (lacht).

 

Klingt nach einer ziemlich positiven Entwicklung. Was lief denn nicht so gut oder anders als gedacht?

Ich dachte erst zum Beispiel: Wenn ich jetzt mit Leoniden auf Tour gehe, dann sind ungefähr die Hälfte der Fans danach auch meine Fans. Das musste ich erst mal lernen, dass es nicht die eine Support-Tour oder die eine Festival-Show gibt, die einen irgendwohin katapultiert, sondern dass das eher ein schleichender Prozess ist. Und das ist etwas, was einem vorher niemand so richtig sagen kann. Weil mir schon das Gefühl gegeben wurde: Alles mitnehmen, alles machen, nichts verpassen, keine Chance entgehen lassen. Und dann habe ich aber auch gemerkt, dass das eigentlich nicht das ist, was ich will. Also ich wünsche mir jetzt nicht, dass irgendwas total Krasses passiert, ich auf einmal so einen Riesen Hype habe und dann meinen Job kündigen muss und alles stehen und liegen lasse und auf Welttournee gehe. Das ist nicht mein Lebenstraum, sondern mein Wunsch ist eigentlich, eher langfristig Songs schreiben zu können und die veröffentlichen zu können.

 

Jetzt erscheint das zweite Album »An Ode To?«. Wem gilt denn diese Ode?

Als ich entschieden habe, welche von den Songs aufs Album kommen, habe ich überlegt: Was haben die gemeinsam? Und am Ende war es nicht mehr so eindeutig wie beim letzten Album. Das war halt so ein Liebes-Romantik-Album. Diesmal hatte ich eigentlich das Gefühl: Na ja, okay, das, was die Songs gemeinsam haben, ist eigentlich die Zeit, in der sie entstanden sind, die letzten ein, zwei Jahre. Und das einzige, was sich in meinem Leben seitdem verändert hat, ist, dass ich Musik mache. Das war vorher nicht so, jedenfalls nicht in dem Ausmaß. Und dadurch haben sich ganz viele Sachen verändert: das live Spielen, dass man sich mit anderen vergleicht, dass man sich fragt, wie die Musik ankommt, was ich für einen Platz in dieser Industrie habe. Ich habe ganz viel über solche Sachen nachgedacht und darüber dann halt Songs geschrieben. Und eben auch mehr über andere Leute, habe mich gefragt: Wer inspiriert mich? Über wen schreibe ich gerne? Für wen mache ich eigentlich Musik? Muss ich überhaupt die Songs veröffentlichen? Könnte ich sie nicht auch einfach nur schreiben? Also deswegen wirklich die Frage: Wem widme ich dieses Album?

 

Auch der Sound hat sich verändert: Die lauten Stellen sind rougher und krachiger, die poppigen Parts eingängiger. Sollte es mehr in die Vollen gehen?

Ich glaube, das kommt auch daher, dass ich jetzt das Selbstvertrauen habe, dass die Leute, die Blush Always hören, auch rockige Musik oder Grunge gut finden. Vorher hab ich immer so ein bisschen das Gefühl gehabt, Kompromisse eingehen zu müssen, gerade auch im Sound. Mein Produzent kommt aus dem Hardcore, das heißt: Der mixt auch gerne sehr extrem. Und das war beim ersten Album eher so, dass ich gesagt hab: Oh ne, mach mal nicht so krass. Weil ich auch Sorge hatte, damit Leute zu verschrecken. Jetzt dachte ich aber: Wenn ich das gut finde, dann finden das bestimmt auch Leute gut, die meine Musik gut finden. Warum da Kompromisse eingehen? Ich würde sagen, die Songs sind jetzt einfach extremer. Es sind mehr grungige Parts drin. Ich habe aber jetzt auch keine Sorge mehr gehabt, Popmusik zu machen. Ist mir irgendwie egal. Wenn ich die Melodie cool finde, dann ist sie halt da, und wenn die poppig ist, dann ist die halt poppig.

> 7.9., 20 Uhr, Neues Schauspiel


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