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Kultur

Zugemauerte DDR

Fotograf Harald Kirschner zeigt zum Lichtfest die Partnerstadt Krakau

  Zugemauerte DDR | Fotograf Harald Kirschner zeigt zum Lichtfest die Partnerstadt Krakau  Foto: Das DDR-Kulturinstitut in Krakau am 5. Oktober 1989/Harald Kirschner

Wenn am Abend des 9. Oktober entlang des Rings wieder mit Licht der Erleuchtung der sogenannten Friedlichen Revolution gedacht wird, werden an der Fassade des Intercity-Hotels am Tröndlinring Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu sehen sein, auf ihnen Banner mit Sprüchen –

»NRD, nie, dziękuję« (DDR, nein danke), »Stasi raus« oder »Wir grüßen Neues Forum« –, die Fenster verhängen. Eine Eingangstür ist zur Hälfte zugemauert – nicht irgendeine, sondern die des DDR-Kultur- und Informationszentrums in Krakau. Die polnische Stadt ist seit 1973 eine von Leipzigs Partnerstädten; im Oktober 1989 fanden dort die Leipziger Kulturtage statt.

Die Aufnahmen zum diesjährigen Lichtfest stammen von Harald Kirschner, der sie am 5. Oktober 1989 vor Ort aufnahm. Gemeinsam mit dem Fotografenkollegen Michael Scheffer war er zum Aufbau der vom Verband bildender Künstler der DDR organisierten Fotoausstellung delegiert worden. Die Schau von über 20 Positionen – von Kirschner über Scheffer, Evelyn Richter und Christiane Eisler – zeigte Aufnahmen von Leipzig, »keinesfalls Wunschbilder, die Probleme waren zu sehen«, so Kirschner im Gespräch mit dem kreuzer. Der Aufbau in der Partnerstadt habe ihn keinesfalls erfreut – viel interessanter und zumal für einen Fotografen spannender waren die damaligen Montagsdemonstrationen in Leipzig.

Als Kirschner und Scheffer damals in Krakau waren, erhielten sie – am 5. Oktober 1989 – einen Anruf, dass eine Demonstration mit 300 bis 500 Jugendlichen vor dem Kultur- und Informationszentrum stattgefunden habe. Die Polizei und die Staatssicherheit seien nicht eingeschritten. Kirschner sah von der Demo nichts, bis auf die Überreste des Protests gegen die DDR – die oben beschriebenen Spruchbanner mit dem Willkommensgruß ans Neue Forum. Die Demo an sich, der zugemauerte Eingang, die Banner und die Schriftzüge an der Fassade zeugten von einer Offenheit in Polen, die es in der DDR nicht gab. So wurde Kirschner trotz seiner Abwesenheit in Leipzig doch zum DDR-kritischen Fotografien.

Die Aufnahmen sind nun am 9. Oktober von 19 bis 24 Uhr zu sehen. Weil Harald Kirschner Ende des Monats seinen 80. Geburtstag begeht, sei hier noch auf eine Ausstellung in Berlin verwiesen: »An den Rändern taumelt das Glück. Die späte DDR in der Fotografie« ist mit Werken von Harald Kirschner, Christiane Eisler, Gerhard Gäbler und anderen noch bis 25. Januar in der Station urbaner Kulturen der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst in Berlin-Hellersdorf zu sehen. 

> »Kraków grüßt Leipzig«: 9.10., 19–24 Uhr, Intercity-Hotel, Tröndlinring 2


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