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Kultur

Aus der Vergangenheit lernen

Die Kinostarts der Woche

  Aus der Vergangenheit lernen | Die Kinostarts der Woche  Foto: Filmstill »Die Rückkehr des Filmvorführers«/Déjà-vu-Film

Die Kinobar Prager Frühling hat sich die Erinnerungskultur auf die Fahnen geschrieben. Alljährlich im November gibt es deshalb die »Filme gegen das Vergessen«, zehn Spiel- und Dokumentarfilme, die sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Die Aufarbeitung des Holocaust steht dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Erinnerung an die DDR. Die Vergegenwärtigung der Vergangenheit, um für die Gegenwart und Zukunft zu lernen, war vielleicht nie so wertvoll wie heute.


»Filme gegen das Vergessen«: bis 13.11., Kinobar Prager Frühling

 

Film der Woche: Im Jahr 1988 schuf Giuseppe Tornatore mit »Cinema Paradiso« seinen ganz persönlichen Liebesbrief an das Kino. Die Freundschaft eines alten Filmvorführers mit einem kleinen Jungen, unterlegt vom Soundtrack Ennio Morricones, wurde zum rührseligen Fest über die Magie der großen Leinwand. »Die Rückkehr des Filmvorführers« wirkt über weite Strecken, als hätte jemand Tornatores Geschichte in die reale Welt übertragen.
Schauplatz ist ein kleines aserbaidschanisches Dorf, Protagonist der Filmvorführer Sami, der nach einem schweren Schicksalsschlag beschließt, wieder Kinofilme zu zeigen. Allerdings muss er dafür erstmal seinen alten Projektor in Gang bringen. Eine Herausforderung an einem Ort, wo allein die Beschaffung einer Glühbirne Monate dauern kann. Doch Sami bleibt beharrlich. In eindrucksvollen Bildern begleitet die Kamera ihn auf seinem Weg. Nebenbei ergeben sich wunderbar eingefangene Szenen. Drei alte Kinovorführer, die Filme nacherzählen. Sami und sein Enkel, die auf der Suche nach Empfang durch den Schnee irren. Eine Gruppe Frauen, die aus alten Fetzen eine Leinwand zusammennähen. »Die Rückkehr des Filmvorführers« schillert zwischen Dokumentation, Erzählkino, Trauerverarbeitung und märchenhaften Elementen. Er zeigt traumhafte Landschaften. Doch am Ende bleibt die Botschaft dieselbe, wie einst bei Tornatore. Auch nach über hundert Jahren strahlt das Kino weiter. Und manchmal, so wie hier, ganz besonders hell. JOSEF BRAUN



»Die Rückkehr des Filmvorführers«: ab 7.11., Cinémathèque in der Nato

 

Die ersten Jahre im Leben des Polen Andrzej verlaufen, wie sie von der Mehrheitsgesellschaft als normal angesehen werden. Erste Liebe, Hochzeit, Geburt des ersten Kindes, biederer Bürojob. Doch auch in diesen frühen Jahren gibt es erste Dissonanzen. Andrzej wird vom Militärdienst ausgeschlossen, weil seine Fußnägel lackiert sind. Er ist depressiv und hat Suizid-Gedanken. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, trägt er Frauenkleider. Michal Englert und Malgorzata Szumowska (»Im Namen des…«) beleuchten diese frühen Jahre im Leben ihres Protagonisten nur schlaglichtartig, quasi im Schnelldurchlauf. Denn hier handelt es sich noch nicht um Anielas normales Leben, hier verstellte sich die Transfrau noch, um im post-kommunistischen Polen nicht unter die Räder zu kommen. Die Handlung von »Frau aus Freiheit« wird ruhiger und intensiver, wenn Protagonistin Aniela zu ihrem wahren Selbst findet – und wenn die Umwelt beginnt, ihr Verstellung und plumpes Spiel vorzuwerfen. Transsexualität wird auch heute noch selbst in Deutschland kontrovers diskutiert, zu wenige Menschen dürften persönliche Kontakte haben, um mit ihren engstirnigen Ansichten zu brechen. In Polen ist die Lage noch viel dramatischer, hier müssen Betroffene vor Gericht sogar ihre eigenen Eltern verklagen, um eine Geschlechtsanpassung vornehmen zu dürfen. Mit großer emotionaler Wucht hat das Regie-Duo hier einen mutigen Film zum Thema realisiert. FRANK BRENNER

»Frau aus Freiheit«: ab 7.11., Passage-Kinos

 

Unendliche Wälder im Sommer, eine Gruppe Jugendlicher, ein Todesfall und eine sehr gläubige und eingeschworene Gemeinde – so durchaus bekannt startet »Spirit in the Blood«. Es handelt sich hierbei um ein Regiedebüt der Kanadierin Carly May Borgstrom, die ihre ganz eigene Version von »Stand by me« gemacht hat, die deutlich mysteriöser ist. Vor allem spürt man, dass die weibliche Perspektive in den Vordergrund gerückt wird. Die 15-jährige Emmerson zieht zu Beginn mit ihrer schwangeren Mutter und ihrem Vater zurück in dessen Heimatstädtchen, irgendwo in den kanadischen Wäldern. Dort findet sie zunächst keine Freundinnen, trifft aber recht bald auf eine andere Aussenseiterin, Delilah. Nachdem die beiden vom Tod eines Mädchens erfahren und sich Emmerson im Wald ebenfalls verfolgt fühlt, nehmen die Ereignisse ihren Lauf. So gut die Grundidee auch klingt, genauso alt ist sie auch. Zudem folgen noch weitere Ideen und Handlungen, viele davon unfokussiert oder nicht konsequent zu Ende erzählt. Die Atmosphäre auf sich warten. Die Inszenierung bringt dann doch eine Szene hervor, die es mit Rob Reiners Klassiker aufnehmen kann und das eigentliche Finale trifft dann wieder einen sehr guten Punkt. So bleibt ein solides, aber auch nicht gänzlich überzeugendes Debüt, das vor allem an der Drehbuch-Front noch Luft nach oben hätte, gleichzeitig aber Lust auf mehr macht. FLORIAN THIMM

»Spirit in the Blood«: ab 7.11., Cineplex, Regina-Palast

 

Tag für Tag erwacht Kelly-Anne (Juliette Gariépy) in einer Nische vor dem Gerichtsgebäude. Im Morgengrauen rafft sie sich auf und stellt sich in die Schlange vor dem Saal, in dem Ludovic Chevalier (Maxwell McCabe-Lokos) der Prozess gemacht wird. Die Verhandlung gegen den Serienmörder zieht viele Schaulustige an. Doch Kelly-Anne ist anders. Die geheimnisvolle Frau hat ihr gesamtes Leben auf Chevalier fixiert. Ihre Obsession bleibt für den Zuschauer lange ein faszinierendes Rätsel. Der kanadische Regisseur Pascal Plante spielt mit den Erwartungen des Betrachters, zieht die Spannungsschraube sorgfältig an. Der intelligente Thriller schockiert ohne drastische Gewalt, fesselt ohne Blutvergießen. Juliette Gariépy in der Hauptrolle ist absolut überzeugend und spiegelt die krankhafte Schaulust der gegenwärtigen Gesellschaft. 

»Red Rooms«: ab 7.11., Regina-Palast

 

Weitere Filmtipps der Woche


Joseph Wulf – Leben und Werk eines jüdischen Historikers im Nachkriegsdeutschland 

D 1977, Dok, R: Henryk M. Broder, Frans van der Meulen, 93 min

Doku über Joseph Wulf, der in den 1950ern als erster Historiker Bücher über den Nationalsozialismus und die Shoah in Deutschland veröffentlichte. Weil er selbst Jude und Widerstandskämpfer war, wurde er von seinen Kollegen missachtet, geschmäht und als voreingenommener Dillettant betrachtet. 1974 nahm er sich das Leben.

Cineding, 07.11. 19:00 (mit Gespräch)


Shorts Attack: Helden des Alltags

9 Filme in 90 Minuten.

UT Connewitz, 08.11. 20:00 (OmU)
 

Ein schöner Ort
D 2023, R: Katharina Huber, D: Clara Schwinning, Céline de Gennaro, Jannik Mioducki, 108 min

Zwei junge Frauen, Margerita und Güte, leben in einer nahen Zukunft in einem Dorf, das sie eigentlich verlassen wollen. Vor allem, als immer wieder Menschen spurlos verschwinden. Oder ist Bleiben doch die bessere Option, weil andernorts ebenfalls unbestimmte Gefahren drohen?

Cinémathèque, 07.11. 19:30 (mit Diskussion, OmU, Trendresistent)


Philipp Mickenbecker: Real Life
CH 2023, R: Lukas Augustin, Alexander Zehrer, 125 min

Dokumentarfilm über den 2021 verstorbenen Youtuber Philipp Mickenbecker (»The Real Life Guys«).

Passage-Kinos, 07.11. 18:00 (Filme vom Abschied, mit Gespräch)


Paterson 
USA 2016, R: Jim Jarmusch, D: Adam Driver, Golshifteh Farahani, Kara Hayward, 115 min

Der Alltag eines dichtenden jungen Busfahrers, seiner quirligen Frau und ihres Hundes ist eigentlich völlig unspektakulär. Regisseur Jim Jarmusch gelingt es dennoch, das Besondere aus der gezeigten Banalität des Lebens herauszudestillieren.

Schaubühne Lindenfels, 08.11. 18:00 (OmU, The Independent Cinema of Jim Jarmusch)
 

Only Lovers Left Alive 
GB/D/GR/F 2013, R: Jim Jarmusch, D: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, 118 min

Jim Jarmuschs traumhaft-düstere Reflexion über die Unsterblichkeit. Exquisit besetzt und wunderbar moody.

Passage-Kinos, 08.11. 20:30 (mit psychoanalytischer Betrachtung, Psychoanalyse trifft Film)
 

Anhell69
KOL/RUM/FRA 2022, Dok, R: Theo Montoya, 72 min

Junge queere Menschen aus Medellín kämpfen gegen ein repressives Umfeld. Ein Film über eine Welt ohne Zukunft, die Kraft der Gemeinschaft und die schmale Grenze zwischen Leben und Tod. Gewinnerfilm der Goldenen Taube im Internationalen Wettbewerb des Dok Leipzig.

Neue Welle, 07.11. 19:00


1001 Nights Apart
IRN 2022, Dok, R: Sarvnaz Alambeigi, 80 min

Im Iran ist das Tanzen verboten. Und doch leben viele Menschen hinter verschlossenen Türen ihre Leidenschaft aus.

Passage-Kinos, 08.11. 16:00 (in Anwesenheit eines Protagonisten)


Feinkošt – Tschechisch-deutsches Kurzfilmprogramm

Sechs deutsche und tschechische Kurzfilme in 83 Minuten.

UT Connewitz, 09.11. 20:00 (OmU)
 

Die Feuerprobe – Novemberpogrom 1938
CH/D 1988, Dok, R: Erwin Leiser, Vera Leiser, 82 min

Der Dokumentarfilm verbindet seltene historische Aufnahmen des Pogroms mit Schilderungen von Zeitzeugen und -zeuginnen und beschreibt diese frühe Eskalation der antisemitischen Gewalt nicht nur, sondern stellt auch die Bedeutung der Pogromnacht als Wendepunkt der Judenverfolgung heraus.

Schaubühne Lindenfels 08.11. 22:30, 09.11. 16:15, 10.11. 18:30
 

Der Hobbit 1–3 
USA/NZ 2012-14, R: Peter Jackson, D: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, 532 min

Alle drei Teile der Vorgeschichte zu »Der Herr der Ringe« am Stück und in den verlängerten Fassungen.

Cineplex, 09.11. 13:00 (Extended Version, Mittelerde-Marathon)
 

Traumtaucher
D 2024, Dok, R: Christoph Fleischer, 92 min

Doku über einen Theateringenieur, der mit zwei Freunden ein Steampunk-U-Boot baut und sich dabei viele Gedanken über die Welt macht.

Luru-Kino in der Spinnerei, 08.11. 19:00, 10.11. 19:00
Cineding, 14.11. 19:00 (Werkstattgespräch)

 

A Human Ride
Dok, R: Kristian Gründling, 64 min

Dokumentarfilm über die Bedeutung von Mobilität.

Kinobar Prager Frühling, 13.11. 18:00 (mit Gästen)
 

Barfly
USA 1987, R: Barbet Schroeder, D: Mickey Rourke, Faye Dunaway, Alice Krige, 97 min

Kultfilm über Charles Bukowski: Sein alkoholsüchtiges Alter Ego Henry Chinaski lässt sich durch das Nachtleben in Los Angeles treiben.

Passage-Kinos, 10.11. 20:00 (Literatur trifft Film, OmU)


Best of Kurzsuechtig: Mitteldeutsche Kurzfilmnacht

Ein Best-of des diesjährigen Kurzsuechtig-Kurzfilmwettbewerbs.

Ost-Passage-Theater, 13.11. 20:00
 

Der Grinch
USA 2018, R: Scott Mosier, Yarrow Cheney, 89 min

Über dem Städtchen Whoville lebt der grün behaarte und stets übel gelaunte Grinch auf einem Berg. Weil er Weihnachten hasst, plant er, das Fest der Liebe für immer verschwinden zu lassen. Animationsfilm-Version der Geschichte nach Dr. Seuss.

UT Connewitz, 10.11. 14:00
 

Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution
D 2021, R: Andy Fetscher, D: Janina Fautz, Ferdinand Lehmann, Inka Friedrich, 89 min

Die 19-jährige Franka lernt in Leipzig den Altenpfleger Stefan kennen. Zusammen engagieren sie sich in einer Umweltgruppe, die Aktionen plant und diskutiert, aber auch lebt, liebt und feiert – unter ständiger Beobachtung der Stasi. Als ihre Proteste öffentlicher werden, wird es gefährlich für die jungen Frauen und Männer.

Zeitgeschichtliches Forum, 11.11. 19:00 (In der Reihe »Vor 35 Jahren … Filme zur Friedlichen Revolution«, Eintritt frei)


Echoes from Borderland
D 2023, Dok, R: Lara Milena Brose, 70 min

Die 15-jährige Nahid ist 2021 vor der neuerlichen Machtergreifung der Taliban nach Bosnien geflüchtet. Dort sitzt sie seitdem fest und wird täglich vor neue Probleme gestellt. Die Doku zeigt, wie Ferida, eine Einheimische mit tragischer Vergangenheit, und andere Menschen sich ihrer annehmen.

Cinémathèque in der Nato, 12.11. 19:30 (mit Einführung, Neiße-Filmfestival Nachspiel, OmU)


Freeride Filmfestival
A/USA/CDN/I 2024, Dok, 92 min

Fünf spektakuläre und experimentelle Freeride-Filme, diesmal unter dem Motto »The Art of Re:Connection«.

Passage-Kinos, 14.11. 20:30
 

Gundi – Legend of Love
BG 2024, R: Dimitar Dimitrov, D: Pavel Ivanov, Alexandra Svilenova, Dimiter D. Marinov

Drama über das Leben des bulgarischen Fußballprofis Georgi Asparuhov, der 1972 bei einem Verkehrsunfall starb.

Kinobar Prager Frühling, 10.11. 17:00 (OmeU)


(K)Einheit. Wie die GenZ über den Osten denkt

In der Dokumentation kommen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren vorwiegend aus Chemnitz zu Wort, inhaltlich geht es um ostdeutsche Identitäten und die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Nachwirkungen des Systemwandels.

Zeitgeschichtliches Forum, 12.11. 19:00 (mit Filmgespräch, Eintritt frei)
 

Kreis der Wahrheit
A 2023, Dok, R: Robert Hofferer |, 80 min

In dieser Dokumentation kommen die beiden jüdischen Schwestern Helga Feldner-Busztin und Elisabeth Scheiderbauer zu Wort. Sie und ihre Eltern überlebten wie durch ein Wunder die Konzentrationslager der Nazis.

Passage-Kinos, 09.11. 18:00 (mit Gast)
 

Night On Earth 
USA 1991, R: Jim Jarmusch, D: Armin Mueller-Stahl, Winona Ryder, Roberto Benigni, 128 min

In fünf Episoden, die sich in einer einzigen Nacht in L.A., New York, Paris, Rom und Helsinki ereignen, zeigt Jim Jarmusch, wie aufregend der Beruf des Taxifahrers sein kann.

Cinémathèque in der Nato, 11.11. 19:00 (OmU, Pyjamakino)
 

Nous, étudiants!
F/COG 2022, Dok, R: Rafiki Fariala, 82 min

Die Freunde Nestor, Aaron, Benjamin und Rafiki studieren Wirtschaft an der Universität von Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Ihr Alltag entrollt sich in überfüllten Klassenzimmern und kleinen Jobs zum Überleben, inmitten allgegenwärtiger Korruption. Doku über das Leben in einer zerrütteten Gesellschaft, in der junge Menschen von einer besseren Zukunft in ihrem Land träumen.

Schaubühne Lindenfels, 11.11. 19:00 (OmeU, Soirée cinéma)
 

Vena 
D 2024, R: Chiara Fleischhacker, D: Emma Nova, Paul Wollin, Friederike Becht, 115 min

Jenny ist drogenabhängig, ebenso wie ihr Freund Bolle. Vom dem erwartet sie ein Kind, ein weiteres hat sie bereits, das allerdings bei Jennys barscher Mutter aufwächst. Beim Jugendamt hat sie schlechte Karten, was auch ihre Chancen schmälert, das neue Baby selbst aufzuziehen.

Passage-Kinos, 13.11. 19:00 (Premiere mit der Regisseurin)
 

Filmriss Filmquiz 

Wie alt war Christian Bale, als er vor der Kamera von Steven Spielberg stand? Welche Farbe hat Freddy Kruegers Pulli? In wie vielen Marvel-Filmen stand Robert Downey Jr. als Tony Stark vor der Kamera? Egal ob Popcorn oder Arthouse – André Thätz und kreuzer-Redakteur Lars Tunçay quizzen sich mit euch durch die Filmgeschichte. Als Lohn gibt’s feine Preise.

Moritzbastei, 12.11. 20:00


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