Das Serienmöderkino der Siebziger ist unerschöpflich: Im November präsentiert das Luru ein mörderisches Analogdoppel, bei dem auch Leinwandlegende Jean-Paul Belmondo mal wieder auf der Leinwand zu bewundern ist. Er spielt den Pariser Polizeikommissar Letellier auf Mörderjagd in »Angst über der Stadt« von 1975. Im Anschluss geht »Der Rasiermesser-Killer« um im gleichnamigen US-Thriller von John Peyser.
17.11. 20 Uhr, Analogfilmdoppel (luru)
Film der Woche
Niina (Oona Airola) befindet sich nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens. Die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern ist meistens überfordert vom Leben. Ihr gewalttätiger Ex-Mann sitzt im Gefängnis. Das Verhältnis zu ihrer Familie steht nicht gerade zum Besten. Da rauscht auch noch ihr Anhänger in das Fenster der lokalen Tageszeitung. Fortan steht Niina in der Schuld von Esko (Hannu-Pekka Björkman) und beginnt für das Blatt zu schreiben, um den Schaden wieder gut zu machen. Viel los ist nicht, in dem kleinen finnischen Nest. Der meistgelesene Artikel im letzten Jahr war eine verlorene Socke beim Eisfischen. Bei der Hochzeit ihrer Schwester bemerkt Niina allerdings, dass plötzlich viele Männer vom Militär in dem örtlichen Hotel eintreffen. Sie hört sich um und entdeckt eine Sensation: Eine russische Rakete ist in den finnischen Luftraum eingedrungen und verschollen.
Im Jahr der Handlung, 1984, sorgt das für Aufsehen und Angst. Der Kalte Krieg ist auf dem Höhepunkt. Ein atomarer Sprengkopf hätte verheerende Folgen. Regisseurin und Drehbuchautorin Miia Tervo (»Aurora«) fängt die Zeit authentisch ein. Männer mit Vokuhilas, die sexistische Sprüche klopfen, Frauen mit Schulterpolster und Dauerwelle und die Musik von OMD, Bronski Beat und Alphaville vermitteln in der zeitgemäßen Ausstattung ein gutes Gefühl für die Achtziger und die Angst vor dem Untergang. Weniger gute Voraussetzungen für eine Komödie und so bleibt der Humor zumeist staubtrocken. Als Geschichte eines einsamen Kampfes um Wahrnehmung und Respekt in einer Männerwelt ist »Neuigkeiten aus Lappland« aber durchaus sehenswert.
»Neuigkeiten aus Lappland«: ab 14.11., Passage-Kinos, Kinobar Prager Frühling
Heraldo ist 21 und erledigt mit seinem Bruder Jorge in einem brasilianischen Küstenort für die Kartellchefin Bambina die Drecksarbeit. Ihr jüngster Auftrag: Sie sollen einen Franzosen töten, der seine Schulden nicht bezahlt. Am Abend vor dem Job lernt Heraldo in einer Bar eine Frau kennen, sie nehmen sich ein Zimmer und haben Sex. Beim verspäteten Aufwachen ist allerdings nicht nur Heraldos Eroberung, sondern auch sein Geld verschwunden und am verabredeten Tatort kann er nur noch feststellen, dass Jorges Leiche abtransportiert wird und die Zielperson den Anschlag überlebt hat. Auf der Flucht vor Bambinas Häschern fällt ihm als Versteck nur das Motel Destino ein, in dem er die Nacht verbracht hat. Dort hat der schmierige Elias das Sagen, dessen Frau Dayana dafür sorgt, dass Heraldo gegen Arbeit eine Unterkunft erhält – und sich ein fatales Beziehungsdreieck entspinnt. Karim Aïnouz’ Thrillerdrama besticht vor allem durch die flirrenden Bilder von Hélène Louvart, der Stammkamerafrau des »Futuro Beach«-Regisseurs: In jeder ihrer neonfarbenen Einstellungen spürt man förmlich die Schwüle des lasziven Settings sowie die Gewalt, die fast jeder Figur innewohnt. Leider kann der Plot da nicht mithalten, zu langsam kommt alles in Fahrt und zu wenig geschieht letzten Endes. Spannend wird es meist nur dann, wenn Fábio Assunção zu sehen ist, der als unberechenbarer Elias jede Szene an sich reißt. PETER HOCH
»Motel Destino«: ab 14.11., Passage-Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
Traumtaucher
D 2024, Dok, R: Christoph Fleischer, 92 min
Doku über einen Theateringenieur, der mit zwei Freunden ein Steampunk-U-Boot baut und sich dabei viele Gedanken über die Welt macht.
Cineding, 14.11. 19:00 (Werkstattgespräch)
Freeride Filmfestival
A/USA/CDN/I 2024, Dok, 92 min
Fünf spektakuläre und experimentelle Freeride-Filme, diesmal unter dem Motto »The Art of Re:Connection«.
Passage-Kinos, 14.11. 20:30
Die Einsamkeit der Großstädter*innen
D 2024, R: Sobo Swobodnik, D: Margarita Breitkreiz, Sarah Sandeh, Rebecca Rudolph,, 100 min
Eine lesbische Berlinerin driftet in diesem Dokudrama durch einen Dschungel aus Dating-Apps und unverbindlichen Bekanntschaften.
Luru-Kino in der Spinnereim 15.11. 19:00 (in Anwesenheit der Hauptdarstellerin und des Regisseurs), 19.11. 19:00, 20.11. 21:00
Der Herr der Ringe 1–3
USA/NZ 2001–2003, R: Peter Jackson, D: Elijah Wood, Sean Astin, Ian McKellen, 672 min
Die gesamte Saga des Rings auf der großen Leinwand im Extended Cut mit einer Gesamtlaufzeit von 672 Minuten.
Cineplex, 16.11. 13:00 (Extended Version, Mittelerde-Marathon)
Paterson
USA 2016, R: Jim Jarmusch, D: Adam Driver, Golshifteh Farahani, Kara Hayward, 115 min
Der Alltag eines dichtenden jungen Busfahrers, seiner quirligen Frau und ihres Hundes ist eigentlich völlig unspektakulär. Regisseur Jim Jarmusch gelingt es dennoch, das Besondere aus der gezeigten Banalität des Lebens herauszudestillieren.
Schaubühne Lindenfels, 17.11. 20:30 (OmU, The Independent Cinema of Jim Jarmusch)
Kreis der Wahrheit
A 2023, Dok, R: Robert Hofferer |, 80 min
In dieser Dokumentation kommen die beiden jüdischen Schwestern Helga Feldner-Busztin und Elisabeth Scheiderbauer zu Wort. Sie und ihre Eltern überlebten wie durch ein Wunder die Konzentrationslager der Nazis.
Passage-Kinos, 17.11. 13:30
A Bit of a Stranger
UKR 2024, Dok, R: Svitlana Lishchynska, 90 min
Die Filmemacherin untersucht die Erfahrungen mehrerer Generationen von Frauen und inwiefern die imperiale Politik Moskaus sie ihrer nationalen Identität beraubt hat.
Cinémathèque in der Nato, 21.11. 19:30 (mit Gespräch, OmeU)
Nordische Filmtage
Aktuelles Kino aus dem hohen Norden in der Kinobar. Diesmal mit einem Fokus auf den Regisseur und Drehbuchautor Thomas Vinterberg.
Kinobar Prager Frühling, 14.-20.11.
Angst über der Stadt
F 1975, R: Henri Veril, D: Jean-Paul Belmondo, Adalberto-Maria Merli, Giovanni Cianfriglia, 120 min
Bei einer Verfolgungsjagd entkommt Kommissar Letellier ein Bankräuber, der zuvor einen unbeteiligten Passanten erschossen hatte. Während er sich noch mit Rachegefühlen plagt, wird ihm der Fall eines Serienkillers zugespielt, der es auf Frauen abgesehen hat, die sich »unsittlich« benehmen.
Luru-Kino in der Spinnerei, 17.11. 20:00 (Analogfilmdoppel, DF)
Der Rasiermesser-Killer
USA 1974, R: John Peyser, D: Andrew Prine, Tiffany Bolling, Aldo Ray, 82 min
Ein Serienmörder hat es auf die Playmates eines Erotik-Magazins abgesehen. Eine von ihnen, eine Stewardess, tritt ihm mutig entgegen.
Luru-Kino in der Spinnerei, 17.11. 18:00 (Analogfilmdoppel)
Blade Runner – The Final Cut
USA 1982, R: Ridley Scott, D: Harrison Ford, Rutger Hauer, Sean Young, 117 min
Science-Fiction-Krimi um den Detektiv Deckard, der vier künstliche Menschen ausfindig und unschädlich machen soll. Perfekt die Kulisse eines fiktiven L.A. im Jahr 2019. Der bei der Premiere umstrittene Film nach einer Vorlage von Philip K. Dick wird heute oft als einer der wegweisenden Filme der Achtziger genannt.
Luru-Kino in der Spinnerei, 21.11. 19:00 (kreuzer-Klassiker, mit Einführung, OmU)
Caligula – The Ultimate Cut
I/USA 1979/2023, R: Tinto Brass, Bob Guccione, Thomas Negovan, D: Malcolm McDowell, Helen Mirren, Peter O'Toole, 178 min
1980 kam mit »Caligula« ein vom Sexmagazin »Penthouse« aufwendig produziertes Historienepos über den berüchtigten römischen Kaiser in die Kinos. Anstelle des Regisseurs übernahm am Ende »Penthouse«-Gründer Bob Guccione den Schnitt und ließ Pornoszenen einfügen, ohne Wissen seiner Stars. Das Ergebnis war ein skandalträchtiges Desaster. Nun gibt es eine komplette Fassung – ohne Porno und mit mehr Struktur, in denen Sets und Darstellerleistungen besser zur Geltung kommen.
Luru-Kino in der Spinnerei, 20.11. 11:00 (OmU)
Farah
D 2023, Dok, R: Ginan Seidl, Yalda Afsah, 75 min
Farahnaz, die in ihrer Heimat Afghanistan gemäß einer problematischen Tradition bis zur Pubertät als Junge leben sollte, wird in dieser Doku dabei begleitet, wie sie als junge Erwachsene in Deutschland zu einer eigenen Identität findet.
Cinémathèque, 19.11. 19:30 (mit Team und Gespräch, OmeU
Favoriten
AT 2024, Dok, R: Ruth Beckermann, 90 min
Langzeitbeobachtung einer Schulklasse in Wien.
Ost-Passage-Theater, 20.11. 20:00 (OmeU)
Geteilte Geschichte(n) zwischen Namibia und Deutschland
Die Dokumentarfilme »Shark Island« (2024, 36 min) und »Swakopmund« (2024, 29 min) machen deutlich, wie wichtig es ist, historische Stätten des Völkermords an den Nama und Ovaherero im heutigen Namibia zu erhalten und ein Gedenken zu ermöglichen. Anschl. Gespräche mit Vertretern und Vertreterinnen der Ovaherero und Nama.
Grassi-Museum für Völkerkunde, 20.11. 19:00
My Boy
USA 1921, R: Victor Heerman, Albert Austin, D: Jackie Coogan, Claude Gillingwater, Mathilde Brundage, 56 min
Der kleine Jackie kommt in New York als Waisenkind an – sein Vater starb in Frankreich, seine Mutter überlebte die Reise nicht. Er freundet sich mit dem alten Seemann Bill an, wird aber von der Einwanderungsbehörde gesucht.
Cinémathèque in der Nato, 20.11. 19:30 (Stummfilm-Livevertonung)
Tibet – China: Das stille Verschwinden
F 2023, Dok, R: François Reinhardt, Aurine Crémieu, 84 min
Die Dokumentation beleuchtet die zunehmende Dringlichkeit der Nachfolgefrage des 14. Dalai Lama, die nicht nur das Schicksal Tibets, sondern auch das geopolitische Gleichgewicht in der Region beeinflussen könnte.
Nato, 19.11. 19:30 (mit Diskussion)
Ukrainian Queer Shorts
UKR 2018-23, Dok, 80 min
Fünf dokumentarische, teils auch experimentelle Filme über queere Menschen in der Ukraine.
Cinémathèque in der Nato, 22.11. 19:30 (mit Gespräch, OmeU)