Es ist mit das Schlimmste, was Eltern passieren kann: Das Kind wurde entführt. Hier zum Glück nur im Film – und der Einsatz von Filmemacher David Brückner und seinem einjährigen Sohn im Kurzfilm »Silent Monitor« wurde beim Leipziger Kurzsuechtig-Festival sogar mit dem zweiten Platz geehrt. Das war der Impuls für Brückners aktuelles Projekt: eine Sammlung von zehn deutschen Kurzfilmen, eingebettet in eine Rahmenhandlung – die »German Horror Stories«, angelehnt an die Reihe »American Horror Stories«.
»Man könnte da eigentlich jedes Jahr eine Staffel rausbringen, um den deutschen Genre-Film damit groß zu machen – so, dass man international sieht: Aus Deutschland kommen nicht nur Kriegsfilme oder Dramen«, erklärt Brückner sein Ziel. Die Szenen werden deshalb teils auf Deutsch und Englisch gedreht. In der Rahmenhandlung liest eine Art Goblin das Buch mit den einzelnen Geschichten. Comedian Simon Gosejohann soll in einer Nebenrolle zu sehen sein.
Der gebürtige Meeraner Brückner hat schon mit 15 seine Produktionsfirma Ghost Pictures gegründet und seitdem jede Menge blutwallende Kurz- und sechs Langfilme mit so illustren Namen wie »Iron Werewolf« oder »Glauchau sehen und sterben« gemacht – und das alles nebenbei und oft mit wenig oder keinem Budget. Brückner arbeitet abseits seines Filmschaffens, ganz normal, in einem 40-Stunden-Job im Social-Media-Bereich.
Ein großer Erfolg war sein erster Langfilm »Dead Survivors« von 2009, der sogar in Japan erschien: »In dem Zombiefilm haben wir über hundert Tote innerhalb von 80 Minuten, das ist Wahnsinn. Es ist komplett Kraut und Rüben, aber der hat eine richtige Fanbase bekommen«, blickt der heute 36-Jährige zurück. Allerdings lernte er damals auch schon die Schattenseiten der Branche kennen, denn trotz des Erfolgs und der Arbeit hat er für »Iron Werewolf« kein Geld gesehen. »Da hing dann ein Produzent dazwischen, der das eingesackt hat oder zumindest war es nicht transparent, wo denn nun das Geld hingeflossen ist«, erzählt er.
Nun ist er selbst Produzent und hat bei den Filmfestspielen in Cannes und Berlin schon Kontakte geknüpft, im Februar soll der 90-minütige aktuelle Film fertig sein. Der Anspruch ist international, die zuliefernden Produzenten hingegen sind teils aus Brückners persönlichen Netzwerken. Neben seinem »Silent Monitor« steuert etwa auch sein Kameramann einen eigenen Grusel-Clip bei. »Man hätte es auch ›Ostdeutsche Horrorstories‹ nennen können, weil über die Hälfte eigentlich Ossis sind, die ich über die Szene kennengelernt habe«, sagt Brückner lachend. Aber auch Teams aus Bremen, München und Prag machen mit. Alle arbeiten zunächst low-budget. Daher war auch das Finden der kostenlos nutzbaren Leipziger Location, des Gundorfer Schlosses, ein Glücksgriff: »Ich war hier bei mir ums Eck spazieren, bin einfach reingegangen und hab gesagt: ›Ich mach euch hier einen Horrorfilm‹«, erzählt Brückner. Normalerweise ist in dem Schloss eine Tagespflegeeinrichtung.
Der Filmemacher ist mit seiner Freundin im vergangenen Sommer von Berlin in den Leipziger Stadtteil Böhlitz-Ehrenberg gezogen, damit sein Kind etwas mehr Ruhe hat – und er auch. »Man hat in Berlin tausende Möglichkeiten, aber es ist halt saustressig, weil man nie zur Ruhe kommt. Nie zu Hause, irgendwelche Events, Red Carpet, Filmpremieren, wo ich immer rumgesprungen bin und so«, so der Selfmade-Filmer. Dabei habe Leipzig als Filmstadt aus seiner Sicht viele Vorteile. Er habe sich bereits in der Szene vernetzt und für verschiedene Projekte Filmförderung beantragt. »Ich hab hier auf jeden Fall das Gefühl, dass man sehr gewertgeschätzt wird. In Berlin bist du einer von vielen – und in Leipzig bin ich gefühlt der Einzige, der diesen Horrorkram macht. Man kann sich super connecten, alle sind supercool drauf«, lobt Brückner.
Die nächsten Projekte sind schon in Planung – natürlich Horror, aber etwas langsamer und tiefgründiger, so genannter »Eelevated«- oder »Arthouse«-Horror. Brückner will auch wieder in Leipzig drehen. Ob sein Sohn wieder dabei ist? Zumindest hat er trotz der Leidenschaft seines Vaters wohl noch keinen Schaden genommen bei den Dreharbeiten zu »Silent Monitor«. Für die paranormale Entführung seines Sohnes musste Brückner einen grünen Anzug anziehen und ihn schweben lassen. »Der Kleine hatte großen Spaß und hat sich kaputtgelacht«, berichtet der stolze Vater.