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Essen & Trinken

Magische Musik

Das »Dinner plus« im Gohliser Schlösschen verbindet ein Drei-Gänge-Menü, stimmige Livemusik und allerbeste Alliterationen

  Magische Musik | Das »Dinner plus« im Gohliser Schlösschen verbindet ein Drei-Gänge-Menü, stimmige Livemusik und allerbeste Alliterationen  Foto: Marcus Korzer

Prunkvoll erleuchtete Fenster: Das Gohliser Schlössen bietet von der Gartenseite aus bei anbrechender Dunkelheit einen wunderschönen und etwas Ehrfurcht gebietenden Anblick. Das kleine Café im östlichen Anbau hat Platz für zwanzig Gäste, ist ebenfalls schön und zum Glück nicht ganz so prunkvoll, denn das wäre der falsche Rahmen für das hiesige »Dinner plus«. Man muss dabei keine Angst haben, irgendwelche steifen Regeln der Haute Cuisine zu brechen – freundlich wird man an der Theke begrüßt und geduzt. Dass meine Begleitung und ich geduzt werden, könnte daran liegen, dass wir im gleichen Alter wie die Bedienungen sind und damit deutlich jünger als der Rest der Gäste. So hält uns bei unserer Ankunft eine Besucherin für die angekündigte Band. Die Frau wird enttäuscht: Wir nehmen kein Akkordeon in die Hand, sondern den Aperitif aus hausgemachter Zitronen-Ingwer-Limo mit (oder ohne) Prosecco. Das dürfte die einzige Enttäuschung des Abends gewesen sein. Angekündigt waren »Tango und Tomatentatar« und das wurde geliefert wie bestellt.  

Den Abend eröffnet Christian Dräger, der Koch der Veranstaltungsreihe, der einen kurzen Überblick über das Drei-Gänge-Menü gibt: Tomatentatar mit frittierten Kapern, Kabeljau mit Risotto und Spinat oder gefüllter Kohlrabi als vegetarische Alternative und ein »dekonstruierter« Carrot-Cake als Dessert. Das wäre für sich genommen schon nicht verkehrt, aber es gibt im »Dinner plus« ja obendrauf noch etwas: an diesem Abend Marius Staible und Daniel Roth, also das Akkordeon-Duo Contrust. Die beiden aus Weimar sind sehr sympathisch und haben vor der Vorspeise ihren ersten Auftritt, während die Gäste mit ihren Begrüßungsdrinks und einem Schüsselchen Oliven beschäftigt sind: eine kurze Vorstellung ihres Repertoires. Und los geht der Tango. Vier Sets gibt es an dem Abend, jeweils 15 bis 20 Minuten lang im Wechsel mit dem Essen. Andächtig lauscht das Publikum, wie gequetscht und gedrückt wird: Angefangen beim sogenannten Tango Nuevo von Astor Piazzolla bis zu einem zeitgenössischen Stück von Euna Joh – extra für das Duo komponiert – werden alle Register gezogen. Auch Menschen ohne Bezug zu Akkordeon oder Tango kommen da auf ihre Kosten. Die Erklärungen des Duos geben den Stücken Kontext, die, in diesem kleinen Rahmen gespielt, den beiden offensichtlich enormen Spaß machen. 

Genug vom Plus, zurück zum Dinner. Nach dem säuerlichen Aperitif wird ein säuerlicher Rotling zum Tomatentatar serviert – eine Mischung aus Grau- und Spätburgunder, die wie alle anderen Weine des Abends vom Weingut Bettina Schumann in Baden-Württemberg stammt. Das Tomatentatar kommt einem Rindertatar in Geschmack und Präsentation sehr nahe und wird von den frittierten Kapern gut ergänzt. Den versammelten sauren Noten des Getränks und der getrockneten Tomaten im Tatar hat die Garnitur aus süßlichem Zwiebelchutney und einem leicht fahlen Brotchip nicht genug entgegenzusetzen. Nicht schlimm, aber ein kleiner Abzug in Sachen Harmonie. Apropos Harmonie. Daran mangelt es dem Akkordeon-Duo nie. Besonders beeindruckend ist der Teil eines Stücks, in dem beide spielen, ohne die Tasten zu bedienen, also ihre Instrumente »atmen« lassen. 

Nach der Musik geht es weiter mit Kabeljau und Risotto. Hier zeigt sich, wie schnell eine einzelne Person in der Küche bei zwanzig Gästen an ihre logistischen Grenzen stoßen kann. Risotto und Fisch werden gerade noch rechtzeitig serviert, um nicht zu kalt zu sein; der dazu servierte Weißweinschaum ist nicht mehr schaumig, sondern saucig. Kleine Abzüge beim Timing also, geschmacklich ist dagegen alles vollkommen in Ordnung. Fisch, Spinat und Risotto sind gut aufeinander abgestimmt und frisch, ein wenig rosa Pfeffer gibt dem Gericht die nötige Würze. Der Kohlrabi ist optisch sehr nah dran am Kabeljau, wenn auch nicht so reich im Geschmack. Der trockene Grauburgunder »Famose Schose« passt mit seiner Säure bestens zum Fisch, so dass der Hauptgang eine runde Sache ist. 

Nach dem musikalischen Zwischenset wird das Dessert serviert, das durch die »Dekonstruktion« des Carrot-Cakes sehr hübsch anzusehen, aber auch etwas umständlich ist. Eine Kugel Karottensorbet ruht auf ein paar Streuseln und Walnüssen, umgeben von Frischkäsecremetürmchen, marinierten Karottenröllchen und Zitrusfilets. Alles zusammen ergibt eine gut ausbalancierte Kombination aus Süße und Säure. Es ist nur schwierig, alles zusammen auf eine Dessertgabel zu bekommen. Dafür ist die Abstimmung zwischen Dessert und dem Rosé »Pet Nat« zum Abschluss ausgezeichnet. Satt und zufrieden widmen wir uns dem letzten Tangoset, bei dem nicht nur intensiv auf die Instrumente gedrückt wird, sondern scheinbar auch ein bisschen auf die Tube: Punkt 22 Uhr wird die Veranstaltung beendet. 

Das »Dinner plus« ist als Gesamterlebnis zu sehen: Das Essen ist gut, der Service ist sehr freundlich und aufmerksam und das Ambiente eignet sich bestens für ein kleines Konzert. Im November – nach Redaktionsschluss dieses kreuzer – haben der Liedermacher M. J. Otto und Elektrik Gisela das Menü umspielt, dessen Motto die Beinahe-Alliteration »Malfatti und Lieder-Macher« war. Nach einer Pause im Dezember gibt es im neuen Jahr weitere Ausgaben. Sehr zu empfehlen für einen schönen Abend, der im besten Fall den musikalischen Horizont erweitert.  

 

Anmerkung: Dieser Artikel ist zuerst im kreuzer 12/24 erschienen. Dort leider mit einem falschen Autorennamen. Wir bitten das zu entschuldigen. 

> Gohliser Schlösschen, Menckestr. 23, 04155 (Gohlis-Süd), www.gohliserschloesschen.de 
> Dinner plus im Café des Gohliser Schlösschens: nächster Termin 31.1.25, drei Gänge 64 € p. P. zzgl. Getränke, 7 € pro Wein, Karten online, per Tel. 0341/58 61 58 46 und E-Mail event@gohliserschloesschen.de 


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