Der Januar ist traditionell der Höhepunkt der Kinosaison. Wir freuen uns auf neue Filme von Luca Guadagnino (»Queer«), Robert Eggers (»Nosferatu«) und Clint Eastwood (»Juror #2«), sowie vielfach Gefeiertes wie die irische Musikbio mit Kultpotential, »Kneecap«, und den monumentalen »Der Brutalist« von Brady Corbet. Einen der aussichtsreichsten Oscarkandidaten könnt Ihr schon in dieser Woche auf der Leinwand erleben: »Die Saat des heiligen Feigenbaums« stammt aus dem Iran und geht für Deutschland ins Rennen. Alles was lohnt steht ab sofort im Januarkreuzer.
Film der Woche: Viele Filmemacher aus dem Iran versuchen die politische und gesellschaftliche Situation in der islamischen Republik zu beschreiben. Wie aber kann man den Glauben und das Vertrauen in den Staat mit einer kritischen Haltung transportieren, dem Westen die Augen öffnen für die wirkliche Realität der Menschen im Iran? Dem Autor und Regisseur Mohammad Rasoulof (»Doch das Böse gibt es nicht«, Goldener Bär 2020) gelingt es über eine unmittelbare, subjektive Perspektive. Dafür wird er auf Festivals weltweit gefeiert. In seinem neuen Film beschreibt er die Auswirkungen der entflammenden Studentenproteste nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini aus dem Blickwinkel einer Familie in Teheran. Vater Iman ist gerade befördert worden zum staatlichen Ermittler. Seine Unterschrift entscheidet, wer zum Tode verurteilt wird, doch eine Wahl hat er nicht. Sein neuer Posten hat direkten Einfluss auf seine Frau und die beiden Töchter, die von nun an in ständiger Angst leben müssen. Und all das für eine Vierzimmerwohnung? Seine Frau Najmeh nimmt es hin und will den Glauben an den Staat nicht verlieren. Die 21-jährige Rezvan und ihre jüngere Schwester erleben hingegen unmittelbar die gewaltvolle Repression auf der Straße. In starken Bildern und einer beklemmenden Atmosphäre schildert Rasoulof nachvollziehbar und ungefiltert den Alltag der Familie. Für sein kraftvolles Plädoyer gegen die Todesstrafe wurde der Filmemacher selbst zum Tode verurteilt, konnte aber rechtzeitig nach Deutschland fliehen. Seine mutigen Darstellerinnen leben weiterhin im Iran.
»Die Saat des heiligen Feigenbaums«: ab 26.12., Passage-Kinos
Hugh Grant kann man wirklich nur beglückwünschen zu seinem Casting-Agenten – und dass er so weise war, ihm zu vertrauen. Für den Premium-Indie A24 und das Regie-, Autoren- und Produzentenduo Scott Beck und Bryan Woods, Schöpfer der „A Quiet Place“-Reihe, ließ er sich zum ersten Mal darauf ein, den Bösewicht zu mimen – und es ist fast schon eine Schande, dass der Verleih so offensiv damit wirbt. Denn Grant gelingt es mit seinem Leinwand-Charisma und dem Millionen-Dollar-Lächeln zunächst blendend den Zuschauer für sich einzunehmen. Als die beiden Schwestern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an Mr. Reeds (Grant) Tür klingeln, um ihm etwas über die Bibel zu erzählen, ist er mehr als gewappnet. Er involviert die beiden in einen Glaubensdiskurs und die jungen Frauen wollen irgendwann nur noch das Haus verlassen. Doch da ist der Weg schon versperrt und führt für Schwester Paxton (Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher) nur noch tiefer hinein in den Bau des Einsiedlers.
»Heretic« – auf Deutsch: Ketzer – beginnt mit langen Dialogen, die das gesamte Konzept Religion genüsslich auseinandernehmen, was in den christlich geprägten USA sicherlich nochmal eine andere Sprengkraft besitzt. Das ändert aber wenig daran, dass die Zeilen mitunter etwas zu clever geraten sind und einige Allgemeinplätze bedienen, wie etwa die weithin bekannte Analogie vom »Monopoly«-Spiel, das eigentlich mal »The Landlord’s Game« hieß. Aber Beck und Woods inszenieren die Szenen stilsicher und es ist einfach ein Genuss, dem freundlichen Mr. Reed bzw. Grant zuzuhören. Man merkt dem Briten die Freude am Spiel mit dem eigenen Image an, so wie er zuletzt Guy Ritchies »The Gentlemen« durch alle Klischees manövrierte. Im Gegensatz zu den ausschweifenden Dialogen, ist der Plot auf das Wesentliche reduziert und fügt dem Genre in letzter Instanz wenig Neues hinzu. Für einen wohlig gruselnden, mit rund zwei Stunden vielleicht etwas zu lang geratenen Thrill-Ride reicht es aber allemal.
»Heretic«: ab 26.12., Passage-Kinos, Cineplex, Regina-Palast
Weitere Filmtermine der Woche
Elementarteilchen
D 2006, R: Oskar Roehler, D: Moritz Bleibtreu, Christian Ulmen, Nina Hoss, 113 min
In der Romanverfilmung Elementarteilchen müssen Michael und Bruno sich für oder gegen die Liebe entscheiden.
Passage-Kinos, 29.12. 11:30 (Literatur trifft Film)
Die Feuerzangenbowle
D 1944, R: Helmut Weiss, D: Heinz Rühmann, Erich Ponto, Hans Richter, 97 min
Pünktlich zum Jahreswechsel zeigt die Passage einmal mehr den Klassiker, in dem sich Heinz Rühmann als Gymnasiast tarnt, um nie gemachte Pennälerstreiche nachzuholen.
Passage-Kinos, 31.12. 15:00 (Special am Silvesterabend), 17:30 (Special am Silvesterabend)
Sherlock, jr.
USA 1928, R: Buster Keaton, D: Kathryn McGuire, Joe Keaton, Ward Crane, 45 min
Ein Filmvorführer träumt sich in eine Detektivgeschichte.
Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig, 30.12. 16:00 (Stummfilm mit Kinoorgelbegleitung)
Preview: Hundreds of Beavers
Mike Chesliks schwarz-weißer Stummfilm ist ein herrlich alberner Slapstick-Spaß im Stil der Looney Tunes um einen Schnapsbrenner auf Biberjagd. Eine absolut irre Kinoerfahrung zur Neujahrspreview – Das Jahr geht gut los!
Passage Kinos, 01.01., 20:30 Uhr