Eine Woche queere Filme, Männer, Frauen, queer, trans non-binary – Alle Farben der Liebe, Fragen der Geschlechter, Underground Klassiker und aktuelle Perlen: Die Kinobar Prager Frühling und das UT Connewitz stehen wieder ganz im Zeichen queerer Vielfalt mit Gästen und Gesprächen.
»Queere Filmwoche«: 9.–16.1. Kinobar Prager Frühling, UT Connewitz
Film der Woche: Bill Lee (fantastisch: Daniel Craig) ist ein in die Jahre gekommener US-amerikanischer Schriftsteller, den es nach Mexiko verschlagen hat, weil er dort seinen diversen Abhängigkeiten bedenkenlos frönen kann: Alkohol, Drogen und wechselnde Männerbekanntschaften. Als vor Ort der blendend aussehende Eugene auftaucht, ist Bills Ehrgeiz geweckt, den schönen Mann mit Haut und Haaren zu besitzen. Nachdem er ihn tatsächlich ins Bett bekommen hat, schlägt er Eugene vor, ihn auf eine Reise nach Südamerika zu begleiten, wo es eine Pflanze geben soll, die einem telepathische Kräfte verleiht. Die Werke des Beat-Schriftstellers William S. Burroughs gelten gemeinhin als schwer verfilmbar, weil sie eher assoziativ als narrativ aufgebaut sind. David Cronenberg ist es mit »Naked Lunch« 1990 dennoch ganz gut gelungen, nun reiht sich Luca Guadagnino (»Call Me By Your Name«) ein. »Queer«, das sicherlich homoerotischste und persönlichste Werk Burroughs‘, adaptiert Guadagnino auf kongeniale Weise. Mit wunderschönen, immer leicht unwirklichen Bildern, ähnlich denen von Yorgos Lanthimos‘ Look in »Poor Things«, mit Doppelbelichtungen und dem dezenten Einsatz von CGI gelingt es dem Filmemacher, Wunschträume und die Ekstase des Rausches angemessen zu bebildern. Daniel Craig schafft es auf schlichtweg grandiose Weise, sein kantiges James-Bond-Image hinter sich zu lassen und als leidenschaftlich Liebender zu überzeugen.
»Queer«: ab 2.1., Passage-Kinos, Schauburg
Man könnte sagen, Robert Eggers war besessen von einer Neuverfilmung von „Nosferatu“. Schon in seiner Highschool brachte er eine Aufführung des klassischen Stoffs auf die Bühne. Dennoch ließ er sich für seine Filmadaption viel Zeit, um dem Original auch wirklich gerecht zu werden. Nach seinem Wikinger-Epos „The Northman“ war die Zeit gekommen, Friedrich Wilhelm Murnaus Klassiker neues Blut einzuflößen.
Eggers bewegt sich dabei eng am Original, inszenierte seine Neuauflage aber nicht wie zuletzt „The Lighthouse“ im körnigen Schwarz-Weiß. Vielmehr entwarf er gemeinsam mit seinem Stamm-Kameramann Jarin Blaschke beeindruckende atmosphärische Bilderwelten, die dem deutschen expressionistischen Stummfilm Tribut zollen.
In unheilvollen, düsteren Bildern, erzählt er zunächst von der Reise des frisch vermählten Thomas Hutter (Nicholas Hoult). Der wird von seinem Chef (Simon McBurney) im Jahre 1838 nach Transsylvanien geschickt. Graf Orlok (Bill Skarsgård) hat ein Anwesen im Ort erworben und es bedarf noch seiner Unterschrift, um den Kauf perfekt zu machen. Thomas möchte seiner Angetrauten Ellen (Lily-Rose Depp) ein besseres Leben ermöglichen und nimmt die beschwerliche Reise auf sich, obwohl Ellen dunkle Vorahnungen den Schlaf rauben. Sie soll Recht behalten. Der finstere Graf bemächtigt sich Thomas’ Seele, denn er hat es auf Ellen abgesehen.
Die Angst vor der Pest und dem Unerklärlichen hält die Stadt im Würgegriff. Die Furcht verdichtet sich und erreicht nach rund zwei Stunden ihren Höhepunkt. Eggers „Nosferatu“ beginnt schleichend und steigert sich minutiös. Die Bilder fesseln von der ersten Einstellung an. Die zeitgemäße Ausstattung, ein dunkel dräuender Score von Robin Carolan und ein exzellentes Schauspielensemble sorgen dafür, dass sich erst beim Abspann die Anspannung löst, das Grauen aber noch lange nachhallt.
Seinen Sinn fürs Übersinnliche bewies Robert Eggers bereits mit seinem Regiedebüt »The Witch« (2015) und auch »The Northman« (2022) war vom Glauben an die Geister der Natur durchsetzt. Er inszenierte seinen »Nosferatu« in einer Zwischenwelt, mit den Füßen in der düsteren Realität des 19. Jahrhunderts und mit dem Kopf im Okkulten.
So gelang ihm ein eigener Ansatz, der sich von Werner Herzogs Version von 1979 mit Klaus Kinski als Graf Orlock abhebt zu einer ganz eigenen »Symphonie des Grauens«, die neben dem Original Bestand hat.
»Nosferatu – Der Untote«: ab 2.1., Passage-Kinos, CineStar, Cineplex, Regina-Palast
Gibt es sowas noch? Eine feste Gemeinschaft von Freunden, die sich regelmäßig zum Feiern trifft und das über Jahre hinweg? „Feste & Freunde“ nimmt diesen Freundeskreis aus bis zu zwölf Charakteren und erzählt von den Entwicklungen und Dynamiken innerhalb der Gruppe. An Feiertagen wie Geburtstagen und Sylvester kommen mehr oder weniger alle zusammen und tauschen sich aus, wie das Leben so läuft. Es werden Kinder geboren, aber auch Freunde verabschiedet. Aus dieser Dynamik heraus entwickelt David Dietl einen umarmenden Film, der die Kitschklippen meist geschickt umschifft, auch dank seines tollen Ensembles. In dessen Mittelpunkt steht Laura Tonke – oder eher daneben, denn ihre Ellen sieht zu, wie sich die anderen verlieben, verloben, vermehren, während sie sich einredet, in der Affäre mit Sebastian (Ronald Zehrfeld) glücklich zu sein, der seine Frau und die Kinder aber nie verlassen würde. An Sylvester läuft sie dem charmanten Max (Henning Flüsloh) über den Weg, ist aber zu blind, um zu erkennen, dass sich hier eine Chance für sie auftut, glücklich zu werden, auch wenn sie ihn danach immer wieder sieht. Es sind Zufälle wie dieser, die klare Zugeständnisse an den Feel-Good-Faktor dieser Erzählung sind. Autorin Elena Senft kommt vom Fernsehen und die Figurenkonstellation hat mitunter etwas Serientypisches. Senft und Dietl aktualisieren ihre Adaption des dänischen Films „Long Story Short“ aber durchaus schlüssig mit aktuellen Themen wie den Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs, so dass auch hierzulande ein breites Publikum Anschluss finden wird. Und es gibt durchaus schlechtere Dinge, die man mit seinem Abend anfangen kann, als mit den Freunden zu lieben, zu lachen, zu leiden und das Leben zu feiern.
»Feste & Freunde«: ab 2.1., Passage-Kinos, Cineplex, Regina-Palast
Weitere Filmtermine der Woche
A guardia di una fede
I 2023, Dok, R: Andrea Zambelli, 103 min
Die Geschichte der Nordkurve von Atalanta von 1993 bis heute, erzählt durch die Augen von Claudio »Bocia« Galimberti, einer der charismatischsten Figuren der Ultras von Bergamo.
Kinobar Prager Frühling, 06.01. 17:00, 07.01. 19:00, 08.01. 20:00)
Becoming Black
D 2020, Dok, R: Ines Johnson-Spain, 89 min
Dokumentarfilm über eine afrikanisch-stämmige Frau, die in der DDR aufwuchs; ihre Eltern behaupteten, dass ihre schwarze Hautfarbe auf Zufall beruhe. Erst später fand sie heraus, dass ihr leiblicher Vater ein Student aus Togo war.
Zeitgeschichtliches Forum, 06.01. 19:00 (In der Reihe Film des Monats »Ein anderes Leben – People of Color in der DDR«)
Echo
D 2022, R: Mareike Wegener, D: Valery Tscheplanowa, Ursula Werner, Andreas Döhler, 103 min
Eine im Afghanistaneinsatz traumatisierte Polizeiausbilderin wird zu einem Fall um eine Moorleiche in der Provinz gerufen. Im Verlauf der Ermittlungen kommen schlimme Erinnerungen wieder an die Oberfläche.
Cinémathèque, 05.01. 20:15 (OmeU, Tatorte)
Filmstunde 23
D 2023, Dok, R: Jörg Adolph, Edgar Reitz, 89 min
Als 1968 im Münchner Mädchen-Gymnasium Regisseur Edgar Reitz den ersten Versuch unternimmt, eine Klasse im Fach »Filmästhetik« zu unterrichten, ahnt er nicht, dass diese Filmstunde ziemlichen Eindruck auf seine Schülerinnen macht und sich der Blick auf Film für viele nachhaltig verändern wird.
Passage-Kinos, 05.01. 13:00 (EinBLICK)
Orlando
UK/F/I 1992, R: Sally Potter, D: Tilda Swinton, Billy Zane, Lothaire Bluteau, 90 min
Außergewöhnliche, 400-jährige Lebensgeschichte in wechselnden Geschlechtern; nach dem Roman von Virginia Woolf.
Passage-Kinos, 10.01. 20:15 (Passagen Werke mit Gespräch)
Return to Dust
CHN 2022, R: Li Ruijun, D: Renlin Wu, Hai-Qing, 131 min
Das entbehrungsreiche Leben eines Bauernehepaars im Nordwesten Chinas. Behutsam erzählt und in starke Bilder gefasst, zeigt der Film die mitreißende Geschichte einer schwindenden Welt.
Ost-Passage-Theater, 08.01. 20:00 (OmU)
Sieben
USA 1995, R: David Fincher, D: Morgan Freeman, Brad Pitt, Kevin Spacey, 127 min
Düster-hochspannender Serienkillerthriller von David Fincher.
Cinestar, 07.01. 19:30 (Best of Cinema)
Cineplex, 07.01. 20:00 (Best of Cinema)
Regina-Palast, 07.01. 20:00 (Best of Cinema)