»Wer hat den Scheiß-Antrag gestellt?« – Das habe sich Pia Heine (SPD) beim Lesen des CDU-Antrags gefragt, auf den sie nun antwortet. Die Konservativen fordern, zu den »Mindeststandards« in Geflüchtetenunterkünften zurückzukehren. Und meinen damit konkret: die Wohnfläche pro Person auf sechs Quadratmeter zu beschränken, wie es die sächsische Verwaltungsvorschrift als Mindestgröße vorsieht. Leipzig hatte 2012 die Größe von 7,5 Quadratmeter pro Person als Berechnungsgrundlage festgelegt.
Durch den CDU-Vorstoß sollen direkt mehr Unterbringungsplätze zur Verfügung stehen. »Halten Sie sechs Quadratmeter für einen Menschen zum Leben wirklich für angemessen?«, fragt Heine und zieht eine Verbindung zur Ratssitzung im Dezember. Dort hatte die CDU-Fraktion die Einrichtung von 60 kostenlosen Parkplätzen auf der Karl-Heine-Straße gefordert. Ein solcher Parkplatz sei standardmäßig 10 bis 13 Quadratmeter groß. »Sie gestehen einem parkenden Auto mehr Platz zum Rumstehen zu als einem Menschen in Not zum Leben. Wie das mit christlicher Nächstenliebe einher geht, das ist mir gelinde gesagt, schleierhaft.« Diesen Vorwurf müssen sich die Christdemokraten heute noch öfter anhören. Nicht nur Heine zitiert zu Beginn aus dem Alten Testament: »Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll als Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst«, auch Thomas Kumbernuß (Partei) schlägt »als Atheist« in dieselbe Kerbe, zitiert aus dem Neuen Testament und stellt fest: »Selbst das Mindestmaß an Menschlichkeit ist der CDU zu viel.« Katharina Krefft (Grüne), die mit ihrer Partei 2012 maßgeblich an den städtischen Standards mitgewirkt hatte, bezeichnet die Fraktion nur noch als »DU« und verweist darauf, dass selbst hauptamtliche Christen der Stadt der Partei ihr »Christlich-Sein« aberkannt hätten. »Da ist nur einer, der das einschätzen kann. Und der sitzt in Rom, Frau Krefft«, ruft Michael Weickert (CDU) von seinem Platz aus. OBM Burkhard Jung (SPD) läutet mit vorwurfsvollem Blick seine Glocke und bittet um Ruhe.
Karsten Albrecht (CDU) möchte die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und zitiert ad hoc Paulus mit den Worten: »Wenn ich irgendwo mehr als drei Tage untergebracht wurde, dann suche ich mir eine Arbeit, um für meinen Unterhalt sorgen zu können«. Auf den Umstand, dass Asylbewerbende frühestens nach sechs Monaten überhaupt arbeiten dürfen, wird der CDUler lautstark aus den anderen Fraktionen hingewiesen.
Sowohl Katharina Krefft als auch Juliane Nagel (Linke) weisen Albrecht darauf hin, dass die Geflüchteten eben nicht nur dankbar für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sind, sondern diese auch als extrem belastend ansehen. Auch weitere Forderung des CDU-Antrags werden von den Sprecherinnen abgelehnt. Die CDU wollte, dass Sitzungen der Stadtbezirks- und Ortsräte nicht mehr genutzt werden, um über geplante Unterbringungen für Asylbewerbende zu informieren. Stattdessen sollte die Stadt dafür andere Formate schaffen.
»Das Problem sind nicht geflüchtete Menschen, sondern Fluchtursachen. So lange es die gibt, werden Menschen auf der Flucht sein. Und so lange gebietet es uns das Grundgesetz und unser zwischenmenschlicher Anstand, diesen Menschen Schutz zu gewähren und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.« Dieser Wunsch von Pia Heine geht vorerst in Erfüllung: Alle Punkte des CDU-Antrags werden abgelehnt.