»Aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung in Sachsen können wir zu Beginn des Jahres 2025 nicht wie gewohnt öffnen und Ihre Anfragen beantworten. Telefonisch sind wir nur begrenzt erreichbar, eingehende E-Mails können nur in Ausnahmen beziehungsweise mit zeitlicher Verzögerung beantwortet werden« – heißt es im Februar auf der Startseite vom Archiv Bürgerbewegung. Noch drastischer klingt die Antwort, die bekommt, wer Anfang des Jahres eine E-Mail ans Archiv schreibt: »Aufgrund der desolaten Haushaltslage und der vorläufigen Haushaltsführung in Sachsen sind wir zu Beginn des Jahres 2025 erst einmal von massiven finanziellen Kürzungen betroffen«, schreibt Archivleiterin Saskia Paul dort.
Das heißt konkret, dass Mitarbeitende nicht weiterbeschäftigt werden können und die Benutzung des Archivs und die Bildungsprojekte im Januar nicht möglich waren. Im Februar öffnete das Archiv an drei Tagen – im ganzen Monat wohlgemerkt, nicht pro Woche.
Die Sparte Stadtgeschichte erhält weniger als drei Prozent der institutionellen Förderung der Stadt Leipzig. Im Jahr 2025 sind das fürs Archiv Bürgerbewegung 65.000 Euro, für die Ephraim-Carlebach-Stiftung 78.000 Euro, die Gedenkstätte für Zwangsarbeit 110.000 Euro und den Verband Jahrfeier Völkerschlacht bei Leipzig 28.000 Euro.
Die Gedenkstätte für Zwangsarbeit veröffentlichte symbolträchtig am 27. Januar – dem Gedenktag an die Opfer des Holocaust – eine Pressemitteilung zur aktuellen Situation. Auch wenn die städtischen Fördermittel nicht gekürzt wurden: Aufgrund der nicht beendeten Haushaltsverhandlungen im Land und in der Stadt sowie der daraus resultierenden vorläufigen, geringeren Zahlungen könne die Gedenkstätte freitags und samstags nicht mehr öffnen. »Wir können, so die Aussage bisher, im ersten und zweiten Quartal nur 40 Prozent unserer Fördermittel abrufen. Das Problem liegt derzeit vor allem in der vorläufigen Haushaltsführung des Freistaates Sachsen«, sagt Josephine Ulbricht von der Gedenkstätte, die wie das Archiv Bürgerbewegung außer von der Stadt auch von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten institutionell gefördert wird.
Ebendiese Stiftung konnte bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht sagen, wie hoch die Fördermittel 2025 ausfallen werden: In Aussicht werden der Gedenkstätte für Zwangsarbeit 150.000 Euro für das Jahr gestellt, aber: »Fürs erste Quartal haben wir einen Abschlag von 15 Prozent dieser Summe erhalten.«
Ulbricht erklärt weiter, die Einschränkung führt dazu, dass die Gedenkstätte keine Kündigungen aussprechen musste, die Angestellten aber verkürzt arbeiten. Das heißt auch hier längere Bearbeitungszeiten und Einschränkung oder Aussetzung von Kooperationsprojekten: »Besonders schwierig ist für uns auch, dass wir unsere Aushilfen und Guides derzeit nicht beschäftigen können« – was zur Folge hat, dass die Rundgänge in den Stadtteilen nicht stattfinden.
Am 12. Februar eröffnete die Werkstattausstellung Riebeckstraße 63. Auch hier wirkt sich die Haushaltslage um die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus: Bewilligt wurde nur ein Drittel des beantragten Geldes für pädagogische Maßnahmen. »Das macht die geplante, professionelle Umsetzung unmöglich. Wir müssen also den Umfang der geplanten Stellen reduzieren und Honorarkosten streichen«, erklärt Projektmitarbeiter Markus Streb. »Das Belastendste ist, dass wir aktuell nicht wissen, wann das beantragte Projekt mit den beiden halben Stellen losgehen kann. Im Januar und Februar hat der Verein meine Kollegin Annkathrin Richter und mich über Spenden und Vereinsmittel weiterbeschäftigt, um überhaupt einen professionellen Ablauf der Ausstellungseröffnung gewährleisten zu können. Nach aktuellem Stand sind wir ab März arbeitslos, da wir noch nicht wissen, wann genau das Projekt starten kann. Vielleicht erst im Sommer, wenn die Stiftung Sächsische Gedenkstätten Geld vom Ministerium bekommen hat und es an uns weitergeben kann.« Bezogen auf städtische Projektgelder wurde der Antrag auf eine Ausstellung im Außengelände und eine englischsprachige Broschüre bewilligt, aber mit weniger Geld, so dass weitere Mittel eingeworben werden müssen, was zusätzlich Arbeitskraft bindet.
Die Sächsische Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus initiierte die Kampagne »Erinnerungskultur ist #demokratierelevant«. Sprecherin Anna Schüller erklärt dazu: »Wir erleben gerade, dass Bildungsangebote und Öffnungszeiten von Gedenkstätten zurückgefahren werden, Projekte stehen vor dem Aus und gut ausgebildete Fachkräfte verlieren ihre Arbeit. Das sind die schon jetzt spürbaren Auswirkungen in der sächsischen Erinnerungsarbeit. Mit der Kampagne #demokratierelevant machen wir auf die prekäre Situation aufmerksam und möchten die Öffentlichkeit und die Politik dafür sensibilisieren, dass es ohne eine ausreichende Finanzierung nicht geht.«