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Kultur

Comics aus der Nische holen

Auf der Eisenbahnstraße hat die Comic-Bibliothek Jelly eröffnet. Hier kann man nicht nur Comics lesen, sondern sie auch selbst erstellen.

  Comics aus der Nische holen | Auf der Eisenbahnstraße hat die Comic-Bibliothek Jelly eröffnet. Hier kann man nicht nur Comics lesen, sondern sie auch selbst erstellen.  Foto: Maggi Geppert

In der Eisenbahnstraße 5, zwischen der Galerie Slug und dem Café Vary, hat Mitte März eine Zine- und Comic-Bibliothek eröffnet. Ein glitzernder Schriftzug auf dem Schaufenster verrät den Namen: Jelly, zu deutsch: Gelee. Dahinter steht der Verein Squash, der es sich zur Mission gemacht hat, Comics aus der Nische zu holen. »In Deutschland sind Comics kaum kapitalistisch verwertbar, weil sie immer noch als Kindermedium gelten«, erzählt Lina Ehrentraut, Comickünstler:in und Gründungsmitglied von Squash. Stipendien und Förderungen seien oft nur schwer zu bekommen, deshalb gebe es eine große DIY-Szene. Zines, also kleine selbstgemachte Heftchen zu oft ausgefallenen Themen, und Comics ließen sich einfach und billig zu Hause produzieren. Das bedeute allerdings auch, dass sie meist in kleiner Auflage erscheinen und es nur selten in den Bestand von Bibliotheken schaffen. Stattdessen werden sie auf szenigen Festivals verkauft oder landen bei Bekannten, meint Lina Ehrentraut. »So eine Bibliothek ist voll die schöne Möglichkeit für Leute, die sich nicht in der Comic-Szene bewegen, einfach mal zu schauen, was es so gibt.«


Auf eigene Faust

Auch Squash setzt auf Do-It-Yourself. Viele Gründungsmitglieder haben sich in der Illustrationsklasse an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig kennengelernt. Doch dort waren Comics kaum Bestandteil des Studiums. »Es gab nichts, was mit der Realität als Comiczeichner:in zu tun hat, aber wir wollen gesehen werden«, schmunzelt Lina Ehrentraut. Also beschloss die Gruppe, Comic-Kunst auf eigene Faust sichtbar zu machen und gründeten 2021 den Verein. Im selben Jahr rief Squash auch die Snail Eye Cosmic Comic Convention ins Leben, ein Comic-Festival, das dieses Jahr in die fünfte Runde geht. Mittlerweile organisiert der Verein Lesungen, gibt Comic-Workshops, veranstaltet Ausstellungen und hat nun mit der Comic-Bibliothek einen Präsenzort geschaffen.

»Leipzig ist jetzt schon eine Comicstadt, zumindest im Vergleich zu anderen deutschen Städten«, findet Toni Stakenkötter von Squash. Durch die Illustrationsstudiengänge in Leipzig und Halle habe sich hier eine lebendige Szene etabliert. Auch das Snail Eye Festival habe sich bereits über Leipzig hinaus einen Namen gemacht und locke viele Menschen aus anderen Städten oder dem Ausland hierher.


Die Mischung macht das Medium

»Literatur funktioniert ohne Bild, und Malerei ohne Text, aber beim Comic entsteht aus dem Zusammenspiel von Bild und Text nochmal was ganz eigenes«, sagt Eva Gräbeldinger, ebenfalls Squash-Gründungsmitglied. Durch die Mischung verschiedener Kunstformen ergäben sich neue Freiheiten des Geschichtenerzählens. »Meistens fallen mir im Alltag irgendwelche Sachen auf, die ich erzählen will«, sagt Marie Ehrentraut, Illustrationsstudent:in an der Burg Giebichenstein in Halle und Squash-Mitglied. Aus dem Herumalbern mit Freunden entstünden dann Szenen und Charaktere, die Marie Ehrentraut erst in wahllosen Notizen und später in einem ausgereiften Skript festhält. Zum Schluss kämen die Zeichnungen. Doch die künstlerischen Prozesse hinter einem Comic können sehr unterschiedlich aussehen, ergänzt Lina Ehrentraut. »Man merkt, dass manche Leute eher visuell denken und andere eher in Geschichten und Wörtern.« Jetzt, wo Lina Ehrentraut das Studium an der HGB beendet hat, werde der Austausch mit anderen Kunstschaffenden im Alltag immer wichtiger. »Manchmal fragen wir uns einfach wie die andere Person etwas machen würde oder wie viel Geld man für etwas nehmen soll. Oder was eigentlich Nutzungsrechte sind.« Mit dem Jelly soll nun ein weiterer Ort entstehen, an dem dieser Austausch stattfinden kann.

Stöbern und Lernen

Noch sind die Wände im Jelly weiß. Nur auf einem roten Wandregal sammeln sich bereits Comics neben futuristischen Tonfiguren. Doch der Raum soll sich füllen. Alle, die Comics machen oder noch alte Comics zu Hause liegen haben, seien eingeladen, sie hier vorbeizubringen. »Wir wollen die Bandbreite an Comics zeigen«, sagt Lina Ehrentraut. Eine Bibliothekskarte brauche man für das Jelly nicht – einfach vorbeikommen und stöbern. Außerdem sind bereits Comic-Workshops und – Lesungen in Planung. Das Jelly soll ein Raum für Austausch und Skillsharing werden, für Comicschaffende und die, die es werden wollen. 

 

> Öffnungszeiten ab dem 23. April: Mi., Do., So.14–18 Uhr, zusätzlich gibt es Veranstaltungen, Workshops & Lesungen

> Comic-Lesung 27.4. im Slug & Comic-Workshop am 17.5. im Jelly sowie weitere Veranstaltungen im Rahmen des Projekts Reshaping Panels

> weitere Infos auf www.squashcomics.de und auf Instagram: @squash_jelly

> Die Snail Eye Cosmic Comic Convention findet dieses Jahr vom 13.–15. Juni statt. Weitere Infos auf der Website: https://snaileye.de und Instagram: @snail.eye.leipzig

 


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