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Kultur

Planetarische Zusammenhänge

Das Werkleitz Festival und eine Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg laden ein, über Landwirtschaft, Kunst und Revolution nachzudenken

  Planetarische Zusammenhänge | Das Werkleitz Festival und eine Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg laden ein, über Landwirtschaft, Kunst und Revolution nachzudenken  Foto: Michel Klehm


Wer den Hof des Kunstmuseums Moritzburg in Halle betritt, der schaut auf Maschinengewehre. Die Kunststoffkopien lehnen in einem, mit metallic glänzender Rettungsfolie ausgelegten, umgefallen Sockel. Die Arbeit von Andreas Siekmann »Nach Dürer« (2019/25) referiert auf Dürers Entwurf »Denkmal für die besiegten Bauern«. Dürer entwarf es, um ideale Proportionen zu finden und sie im Lehrbuch der praktischen Geometrie aufzuzeigen. Das Blatt aus dem Jahr 1525 zeigt eine wagemutige, die Erdanziehungskraft herausfordernde Stapelung von Objekten, die von einem in sich versunkenen Bauern gekrönt wird, aus dessen Rücken ein Schwert ragt. Siekmann übersetzt die vor 500 Jahren von Dürer verwendeten Symbole in die Gegenwart und lässt das ganze schallend auf dem Boden zerspringen. Die Arbeit gehört zu den 30 künstlerischen Positionen der Ausstellung »Planetarische Bauern«, die seit Freitag auf 2.500 Quadratmetern im Kunstmuseum Moritzburg in Halle zu sehen ist. Den Ausgangspunkt der Schau, die in Kooperation mit der Werkleitz Gesellschaft entstand und einen Teil der Landesausstellung Sachsen-Anhalts zum 500. Jahrestag des Bauerkrieges darstellt, bildet die Frage: Was hat der Bauernkrieg mit unserer Gegenwart zu tun?

Die internationalen, künstlerischen Produktionen beantworten die Frage sehr deutlich: nämlich sehr viel. Es geht heute ebenfalls um Verteilung von Ressourcen, Besitzständen und Teilhabe. Die Arbeiten interessieren sich aber auch dafür, wie das Ereignis Bauernkrieg musealisiert wurde und welche Leerstellen dabei entstanden.

Dieses gewaltige Ausstellungsprojekt wird vom Museumsleiter Thomas Bauer-Friedrich und Werkleitz Direktor Daniel Herrmann geleitet und entstand mit dem kuratorischen Team aus Övül Ö. Durmusoglu, Joanna Warsza, Alexander Klose, Edit Molnár und Marcel Schwierín. Dafür wurde das Kunstmuseum in den ersten beiden Etagen leergeräumt. »So viel zeitgenössische Kunst hat es noch nicht in Halle gegeben«, erklärte Bauer-Friedrich zur Pressekonferenz am Mittwoch und brachte sogar den Vergleich als »kleine Documenta«. Wichtiger als diese Verschlagwortung bilden allerdings die Zusammenhänge, die die künstlerischen Arbeiten zur aktuellen Zeit und der sie umgebenden Raum zur Stadt und dem Bundesland schaffen. Dabei bedeutet der Begriff Planetarisch für das Ausstellungsteam: »der Tatsache bewusst, dass die Erde nicht von uns Menschen allein bewohnt oder gar gemacht wird. Planetarisch heißt auch: Handeln hier kann katastrophale Folgen am anderen Ende des Globus haben.«

Über ausgewählte Positionen findet sich mehr in den nächsten kreuzer-Heften.


Rahmenprogramm

Ein umfangreiches Programm begleitet die Ausstellung bis Mitte September. Am Eröffnungswochenende lädt die Moritzburg zu »Kurator:innenführungen« am Samstag um 11 Uhr auf Deutsch sowie um 14 und 16 Uhr und am Sonntag um 14 Uhr auf Englisch sowie Artist Talks & Lecture-Performances ein. Auf der Homepage findet sich das detaillierte Programm.


Werkleitz Festival

Bis zum 3. Juni läuft parallel das gleichnamige Werkleitz Festival. Daniel Herrmann hat dafür künstlerische Positionen ausgewählt, die wenige Meter weiter in den Zoologischen Sammlungen des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gezeigt werden. Begleitend gibt es ebenfalls ein umfangreiches Programm.

Die Schrankvitrinen der Sammlung – darunter landwirtschaftliche Modelle und Präparate von Nutztieren der Haustierkundlichen Sammlungen – bilden die Basis der künstlerischen Interventionen – unter anderem zwei filmische Installationen von Niana Fischer & Maroan el Sani. Über die Zukunft der Welternährung dreht sich die Arbeit von Clemens Stachel und Wolfgang Konrad. Zwei Filme von Siegfried Bergmann zeigen den Interessenskonflikt zwischen Umweltschutz, Agrarwirtschaft und Bergbau in der späten DDR und nach der Wiedervereinigung.

Das von Florian Wüst kuratierte Filmprogramm zeigt am Samstag um 20 Uhr in den Sammlungen »Three (or more) Ecologies: A Feminist articulation of eco-intersectionality – Part I: for the world to live patriarchy must die« von Angela Andersons aus dem Jahr 2019 mit anschließendem Publikumsgespräch.

Im Zazie Kino (Kleine Ulrichstraße 22) sind am 27. Mai um 20 Uhr zwei Dokumentarfilme zu sehen. Aus der DDR stammt »Haus und Hof« von Volker Koepp aus dem Jahr 1980, der das Porträt einer jungen Agrarwissenschaftlerin und LPG-Leiterin im Kreis Luckenwalde zeigt. Wie sich die zunehmende Industrialisierung auf die westdeutsche Agrarwirtschaft auswirkte, wird im Film »Die Enteignung« von 1975 deutlich.

Das Symposium »Wasser, Boden, Klima – Reserven für die Zukunft« am nächsten Dienstag im Vortragssaal der Nationalen Akademie der Wissenschaften, widmet sich der Biodiversität und wie die Vorbereitungen für die Klimaveränderungen laufen. Am Nachmittag findet dort eine offene Zukunftswerkstatt vom Kollektiv Landwende zur Frage »Wie wollen wir 2068 leben?« statt.


> Werkleitz Festival, bis 3.6., Zoologische Sammlung des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Domplatz 4, 06108 Halle/ Saale, Mo-Di und Do-Sa 14-18, So 11-18 Uhr, Mi geschlossen, Eintritt frei

> »Planetarische Bauern. Landwirtschaft, Kunst, Revolution«: Bis 14.9. Kunstmuseum Moritzburg, Friedemann-Bach-Platz 5, 06108 Halle/ Saale, Mo-Di, Do-So und Feiertage 10-18 Uhr, Mi geschlossen, www.planetarische-bauern.werkleitz.de



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