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Kultur

Meistererzählungen

Eine Kabinettausstellung und ein Buch widmen sich dem 100. Geburtstag von Bernhard Heisig

  Meistererzählungen | Eine Kabinettausstellung und ein Buch widmen sich dem 100. Geburtstag von Bernhard Heisig  Foto: Bernhard Heisig


Drei Räume hat das Museum der bildenden Künste zum 100. Geburtstag von Bernhard Heisig eingerichtet, der Maler, langjähriger Professor und bis 1987 auch Rektor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) war und 2011 gestorben ist. (Über die HGB sagte Heisig 1980 in der Zeitschrift Bildende Kunst übrigens: »Eine Hochschule als ästhetische Schwatzbude braucht niemand.«)

Um ein Vielfaches größer war die Ausstellung »Die Wut der Bilder« zu Heisigs 80. Geburtstag. Diese war im gesamten Untergeschoss zu sehen und wurde staatstragend eröffnet von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Gefördert damals von der Bundeskulturstiftung, wurde sie später in der Düsseldorfer Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, der Berliner Nationalgalerie und dem Nationalmuseum in Heisigs Geburtsort Wrocław gezeigt. Fast wie eine Entschuldigung klang damals das Vorwort zum voluminösen Katalog von Hortensia Völckers, 2002–22 künstlerische Direktorin der Bundeskulturstiftung: »Es ist Heisig nicht persönlich anzulasten, dass er seine eigenen Normen quasi zur staatsoffiziellen Richtschnur gemacht und andere Kunstrichtungen (minimalistische, abstrakte, prozessuale, performative) weitgehend ausgegrenzt hat. Die Pluralität von künstlerischen Haltungen oder Kritikfähigkeit am Programm des sozialistischen Realismus waren Heisigs Sache nicht. Dass diese sich bei seinen Schülern in Auseinandersetzung mit ihm, dem Meister, der Charisma hatte und zu einer starken Vaterfigur für junge Künstler wurde, dennoch durchsetzte, gehörte zu den Glücksfällen der deutschen Geschichte.«

Der seit 2013 pensionierte langjährige Museumsmitarbeiter und Heisig-Kenner Dietulf Sander wählte nun für die Kabinettausstellung im dritten Geschoss prägnante Arbeiten aus dem Museumsbestand aus. Denn wer einige Meter weiter in der Sammlungspräsentation »Bilderkosmos #2« nach Heisig-Werken Ausschau hält, sieht ein sehr frühes Werk »Lernende Jugend (Zirkel junger Naturforscher)« aus dem Jahr 1952, das 2010 in den Museumsbestand gelangte, und das in der DDR sehr bekannte Motiv des Arbeiters mit erhobenem Daumen unter dem Titel »Brigadier II« (1968/70, 1970 vom Rat des Bezirkes Leipzig übereignet, 1979 überarbeitet). Heisigs wichtige Arbeiten, die sich mit Krieg, deutscher Geschichte, gesellschaftlichen Themen und dem Einfluss von Massenmedien beschäftigen – etwa das Gemälde »Schwierigkeiten beim Suchen nach der Wahrheit (1973) –, sind im Bilderkosmos nicht zu finden.

Die Sonderausstellung soll laut ausgelegtem Faltblatt »Heisigs Bildwelt vom Frühwerk bis in die späte Schaffensphase« vorstellen. Auf eine eigene Publikation verzichtete das Haus laut Selbstaussage, da der Sammler Heiner Köster gerade den Gedenkband »Erinnern und verantworten. Bernhard Heisig zum 100. Geburtstag« bei E. A. Seemann herausgegeben hat. Der Rechtsanwalt Köster und seine Frau Marianne sahen Heisig zum ersten Mal in den ZDF-Nachrichten 1986, als sein Kanzlerporträt von Helmut Schmidt vorgestellt wurde. Im Buch erinnert Köster nun nicht nur daran, sondern lässt viele Männer unterschiedlicher Generationen – sowie die Künstlerin und Witwe Heisigs Gudrun Brüne (1941–2025) und die Journalistin Luc Jochimsen (*1936) – zu Wort kommen, die teilweise auch schon 2005 im Katalog zu lesen waren. Eine kritisch-komplexe Einordnung des Werks im Zusammenhang mit den Kunstentwicklungen in der DDR und BRD in der Zeit sowie deren Auswirkungen bis in die Gegenwart sind im Buch nicht zu finden.

Die Ausstellung beginnt mit dem Porträt eines Sammlers: »Bildnis Peter Ludwig« von 1984, eine Dauerleihgabe der Sammlung Ludwig ans MdbK. Gemeinsam mit seiner Frau Irene kaufte der Aachener Schokoladenfabrikant vor 1989 im großen Maße sowohl in der DDR als auch in anderen osteuropäischen Ländern Kunst. Im Jahr 2009 gab die Peter-und-Irene-Ludwig-Stiftung einen beachtlichen Teil der aus Leipzig stammenden Werke als Dauerleihgabe an das Museum. So empfangen nun Ludwig und Altkanzler Helmut Schmidt (»Atelierbesuch«, 1986, ebenfalls aus dem Ludwig-Bestand) die Besucherinnen und Besucher. Fotografien in Vitrinen zeigen Heisig etwa im Gespräch mit dem Leipziger Kunstwissenschaftler Karl Max Kober, der 1981 im VEB Verlag der Kunst Dresden einen Text-Bild-Band zu Bernhard Heisig herausgab. Darüber ist per Beschriftung nichts zu erfahren – wie auch nicht über Auszeichnungen der ausgestellten Bücher. So erhielt Heisig etwa für die Illustration zu Bertolt Brechts »Mutter Courage« den Preis des Illustratoren-Wettbewerbs der Internationalen Buchausstellung 1965 in Leipzig und im selben Jahr auch die Goldmedaille für die Lithografie-Folge »Der faschistische Alptraum«.

Um die Entwicklung an der HGB nach 1945 und somit auch einen Eindruck der Situation von Heisig neben den anderen Malerinnen und Malern dort zu gewinnen, sei die Ausstellung »1933–1945 HGB« an der Kunsthochschule empfohlen. Dort läuft der Film »Dürers Erben« von Lutz Dammbeck aus dem Jahr 1996, der sich sowohl mit Heisig als auch mit Werner Tübke (1929–2004) auseinandersetzt. Weshalb der nicht schon seit Jahrzehnten in Endlosschleife im Bildermuseum zu sehen ist, bleibt wie so vieles in dem Haus bezogen auf die lokal-globale Kunstentwicklung ein Rätsel. 


> »Bernhard Heisig – Geburtstagsstilleben mit Ikarus«: bis 9.6., Museum der bildenden Künste – Führung mit dem Kurator Dietulf Sander: 25.5., 11 Uhr

> Heiner Köster (Hrsg.): Erinnern und verantworten. Bernhard Heisig zum 100. Geburtstag. Leipzig: E. A. Seemann 2025, 328 S., 42 €

> »1933-1945 HGB«: 3.–26.6., Hochschule für Grafik und Buchkunst


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