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Stadtleben

Sport frei für sächsische Frauen

Ausstellung in der Innenstadt macht Kämpfe und Erfolge sächsischer Sportlerinnen sichtbar

  Sport frei für sächsische Frauen | Ausstellung in der Innenstadt macht Kämpfe und Erfolge sächsischer Sportlerinnen sichtbar  Foto: Blick in die Ausstellung im Stadtbüro/Maika Schmitt


»Wir haben so viele Leipziger Sportlerinnen, die bahnbrechendes erreicht haben«, so beginnt Franziska Deutschmann von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft das Gespräch über die Wanderausstellung »Über jede Hürde – Frauen im Sport in Sachsen«, die gerade im Stadtbüro in der Leipziger Innenstadt zu sehen ist. Sie besteht aus sechs großen Stellwänden und dreht sich – wie der Name schon sagt – um Frauen im Sport in Sachsen. Sie geben einen historischen Einblick in das Thema und informieren zum Beispiel zu Sportbekleidung, zu Frauensport in der DDR und zum Turnfest.

Passend zu letzterem stand die Ausstellung bis zum Sonntag in der Sportwissenschaftlichen Fakultät. »Das war perfekt: Das Turnfestpublikum, das zu anderen Veranstaltungen wollte, ist oft stehen geblieben, um die Tafeln zu betrachten«, erzählt Petra Tzschoppe. Sie forscht seit Jahren in Leipzig zu verschiedenen sozialen Aspekten im Bereich Sport, zum Beispiel im Kontext Geschlecht. »Das bekundete Interesse der Studierenden am Thema Frauen im Sport war in diesem Jahr auffallend hoch«, berichtet Tzschoppe. »Da kam die Ausstellung gerade richtig«.

Zwei Jahren konzeptionelle Arbeit, Recherche und Gestaltung stecken in der Ausstellung, die über eine Projektförderung des sächsischen Justizministeriums finanziert wurde. Entstanden ist sie in Kooperation mit dem Projekt »Sport verein(t)« vom Landessportbund Sachsen und der Sportwissenschaftlichen Fakultät. Ziel der Ausstellung ist es, die emanzipatorischen Kämpfe der Frauen sichtbar zu machen, die nötig waren, damit sie heute Sport ausüben dürfen. Dass ihre Erfolge noch gar nicht so alt sind, zeigt auch ein Bild zum Turnfest 1913 in Leipzig. Der Text daneben informiert darüber, dass Frauen dort das erste Mal überhaupt bei einer sogenannten Festfreiübung öffentlich turnen durften. Und es blieb auch ein Kampf, bis Frauen dieselben Sportarten ausüben konnten wie Männer. Skispringen ist für Frauen beispielsweise erst seit 2014 olympisch, eine Vierschanzentournee – das sportliche Highlight bei den Skispringern – gibt es für Frauen noch nicht.

Wie sieht es also heute aus mit der Gleichberechtigung im Sport? Tzschoppe lacht. »Manche ›Argumente‹ von vor 150 Jahren über Frauen im Sport hört man heute noch. Männer haben immer wieder zu bestimmen versucht, was Frauen dürfen und was nicht.« Zu den letzten olympischen Sommerspielen in Paris 2024 waren erstmals gleich viele Athletinnen wie Athleten an den Start gegangen, aber medial wird diese Gleichberechtigung noch nicht transportiert, wie Tzschoppe erzählt. »Die Sportberichterstattung ist geprägt von den Vorstellungen und Vorlieben derer, die Medien machen und das sind im Sport eben immer noch größtenteils Männer.«

Die Ausstellung soll dafür sensibilisieren und einen niederschwelligen und unterhaltsamen Zugang zum Thema bieten. Neben den Bildern und Texten gibt es QR-Codes, die zu mehr Informationen führen. Wer möchte, kann nach der Ausstellung sein erworbenes Wissen in einem Quiz testen. Nach Leipzig soll die Ausstellung zwar auch in die großen Städte weiterziehen, aber vor allem in die Vereine ins sächsische Umland.

»Ich nutze die Ausstellung, um ins Gespräch zu kommen«, erklärt Robert Großpietsch vom Landessportbund Sachsen. Er leitet das Projekt »Im Sport verein(t)«. »Es kann ein guter Einstieg sein, um die gängige Kultur zu hinterfragen und Strukturen neu zu denken«. Dass das nötig ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Etwa 40 Prozent der rund 700.000 Sportvereinsmitglieder in Sachsen sind Frauen, allerdings wird diese Zahle kleiner, je höher man in der Funktionärsebene steigt. In den Präsidialämtern sitzen derzeit etwa 88 Prozent Männer. Daran zeige sich, dass der Sport eben nicht frei von Diskriminierung sei, bekräftigt Großpietsch. »Es gibt strukturelle Probleme, die für Frauen Barrieren schaffen«.

Es ist auch nicht so, dass Frauen weniger Sport machen wollen. Oft sei das Angebot nur nicht für sie gedacht. Auf dem Dorf gibt es oft nur einen Fußballverein und selbst in der Stadt sind viele Sportangebote auf Wettbewerbe ausgerichtet. »Selbstverständlich gibt es Frauen, die gerne und auf hohem Niveau an Sportwettbewerben teilnehmen wollen. Aber viele legen auch Wert auf den gesundheitlichen Aspekt«, erklärt Tzschoppe. Tatsächlich brechen die Mitgliedszahlen bei Mädchen bereits ab 12 Jahren ein. Dann nämlich, wenn Wettbewerbe anfangen. Ein weiterer Knick kommt bei etwa 27 Jahren, wenn die Familienplanung bei vielen Frauen startet und Training und Kinderbetreuung nicht mehr gut zu vereinen sind. Die klassische Rollenverteilung betrifft nicht nur die interne Familie. »Da reden wir dann auch über Strukturen im Ehrenamt, die familienfreundlicher werden müssen«, gibt Großpietsch zu bedenken.

In der Ausstellung rücken die Sportlerinnen in den Mittelpunkt, die für Teilhabe gekämpft haben. Hedwig Dohm stellte schon 1874 fest: »Man redet der Frau ein, daß sie ­kränklich sei und schwach und daher des ­männlichen Schutzes bedürfe, denn ahnte sie die ihr ­angeborene Kraft und Gesundheit, so ­könnte der souveräne Mensch in ihr ­erwachen, und es könnte geschehen, daß ­eines Tages die Männererde der alten ­Germanen zur Menschenerde würde.«»Eine sehr genaue Analyse der Verhältnisse« nennt Deutschmann das. Dass die Männer zu Recht Angst um ihr Siegertreppchen haben, zeigt das Beispiel von Monika Warstat, eine der erfolgreichsten Segelfliegerin der DDR. »In den gemischten Wettbewerben standen irgendwann gar keine Männer mehr auf dem Treppchen«, erzählt Deutschmann.

Warstat ist in einem Mosaik aus Bildern zu sehen, dass ganz am Ende der Ausstellung steht. Es zeigt sächsische Sportlerinnen wie Jenny Nowak, Kay Espenhayn oder Maxi Klötzer – eine Auswahl, denn natürlich gebe es noch viel mehr Sportlerinnen, die auf dieser Wall of Fame auftauchen sollten. »Wir wollten mit der Ausstellung positive Beispiele und Role Models zeigen«, erklärt Deutschmann. Damit in Zukunft hoffentlich noch mehr Sportlerinnen dazukommen.

 

> Über jede Hürde. Frauen im Sport in Sachsen., bis zum 20.6. im Stadtbüro. Öffnungszeiten: Di – Do: 13 – 18 Uhr, Fr 15 – 18 Uhr.
>
www.frauenimsportinsachsen.de


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