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Kultur

In der Fremde

Die Kinostarts der Woche

  In der Fremde | Die Kinostarts der Woche  Foto: Pandora Filmverleih


Film der Woche: Der Kontrast könnte kaum größer sein. »Timbuktu«, der letzte Film des mauretanischen Regisseurs Abderrahmane Sissako erzählte von islamistischem Terror, Zwangsehen und Ganzkörperschleiern. Danach herrschte beinahe zehn Jahre Pause. Nun ist Sissako zurück und hat einen Liebesfilm gedreht.

»Black Tea« beginnt mit einer Hochzeitszeremonie. Auf der soll die Protagonistin Yea verheiratet werden. Doch sie will nicht. In allerletzter Sekunde gibt sie ihr altes Leben an der Elfenbeinküste auf und zieht allein nach Guangzhou.

Die chinesischen Stadt hat eine große afrikanische Diaspora. Tag und Nacht verkaufen Händler dort ihre Waren an Einkäufer aus aller Welt. Sissako hält die kleinen Alltagsszenen fest: Chinesische Ladenbesitzer die mit afrikanischen Geschäftsmännern um Spitzenunterwäsche, Reisekoffer oder Teppiche feilschen. Frauen in einem Friseursalon. Polizisten auf nächtlichem Rundgang.

Vieles erinnert an Wong Kar Wais »In the Mood for Love«. Wie in dessen Klassiker scheinen auch hier die Figuren in ihrer Langsamkeit der Zeit enthoben. Ein Eindruck der durch geschickte Kameraarbeit und den gezielten Einsatz von Farbe und Beleuchtung verstärkt wird.

In dieser Welt, wo alles durchzogen ist von Sehnsucht und Melancholie, lernt Yea den Teeladenbesitzer Caï kennen. Die beiden verlieben sich. Zwei verlorene, von ihrer Vergangenheit gepeinigte und trotzdem lebensbejahende Seelen. Es ist lange her, dass unsere globalisierte Welt so schön aussah. JOSEF BRAUN


»Black Tea«: ab 19.6., Passage-Kinos


In der Szenerie eines drückenden Sommers auf dem brandenburgischen Land begegnen sich Anja und Isabell. Anja braucht dringend einen neuen Job, nachdem sie in der Spülküche entlassen wurde. Sie hat ein Kind, das sie versorgen muss. Dieses streunt selbstständig in ihrem Dorf umher. Hier steht auch das eindrucksvolle Ferienhaus von Isabells Eltern. Isabell ist, wie auch ihr Vater, gelernte Architektin und lebt eigentlich in Berlin. Seit dem Schlaganfall ihres Vaters kümmert sie sich um das leere Haus und saugt darin die toten Fliegen auf. Während ihre Ehe mit dem Franzosen Philipp in die Brüche geht, sucht sie nach einer Pflegekraft für ihre Eltern. Die ungleichen Frauen Anja und Isabell fühlen sich voneinander angezogen und kommen sich näher. Anstelle einer Rettungsinszenierung gelingt Ina Weisse in ihrer dritten Regiearbeit eine Geschichte von Menschen und Leiden unterschiedlicher Generationen und Lebenswelten, von den Sorgen einer Alleinerziehenden und den Fragen Kinderloser, vom Geldhaben und Geldbrauchen und dem Sterben. »Zikaden« ist eine leise Befreiungsgeschichte in den ruhigen Kameraeinstellungen Judith Kaufmanns, die keine Angst hat, Zeit vergehen zu lassen. Mit herausragendem Schauspiel Saskia Rosendahls und Nina Hoss’ und einem monumentalen Bau als Schauplatz von Macht und Enge, trotz luftiger Architektur zum Sound zirpender Zikaden. GRETA JEBENS


»Zikaden«: ab 19.6., Passage-Kinos



Den Meisten dürfte von „Wilhelm Tell“ der berühmte Apfelschuss in Erinnerung geblieben sein. Da ist es nur konsequent, dass Regisseur Nick Hamm, der Friedrich Schillers Novelle als großen Actionfilm für die Leinwand adaptierte, diese Szene an den Anfang stellt. Die gespannte Sehne und der Angstschweiß auf Tells Sohn Walter erfüllen die Leinwand, bevor die Handlung drei Tage zurückspult. Wilhelm Tell (Claes Bang) ist müde. Das Grauen der Kreuzzüge lässt ihn nicht los. Er hat die Waffen niedergelegt und lebt mit seiner Frau Suna (Golshifteh Farahani) und seinem Sohn Walter (Tobias Jowett), die er einst vor dem sicheren Tod bewahrte. Doch das friedliche Leben als Jägern und Bauern wird gestört, als die österreichischen Steuereintreiber kommandiert vom Reichsvogt Hermann Gessler (Connor Swindells) einen benachbarten Hof brandschatzen. Tell kann dem Unrecht nicht tatenlos zusehen und vereint die Häuser im Kampf gegen die Invasoren.

Eine klassische Heldengeschichte erzählt Nick Hamm mit seiner recht freien Interpretation von Schillers Vorlage. Der hatte sich in seiner Version der Schweizer Volkssage auch schon viele poetische Freiheiten erlaubt. So ist es nur recht, dass Hamm den Fokus auf die Action legt und rundum unterhaltsames Popcorn-Kino abliefert. Das hat reichlich Schauwerte: Kamerafrau Jamie Ramsay setzt die ausladenden Landschaften, die blutigen Schlachten und die aufwändige Ausstattung groß in Szene. Ob Hamm mit seinem »Wilhelm Tell« den Schweizern ein ebenso großes Denkmal setzt wie Mel Gibson mit »Braveheart«, bleibt abzuwarten. Das Potential für einen Kinoerfolg ist auf jeden Fall vorhanden.


»Wilhelm Tell«: ab 19.6., Cineplex, Cinestar, Passage-Kinos, Regina-Palast


Weitere Filmtermine der Woche

Der Mann mit der Kamera 
UDSSR 1929, Dok, R: Dziga Vertov, 68 min

Dziga Vertovs Experimental-Dokumentation stellt den Verlauf eines Tages in einer sowjetischen Metropole dar.

Hochschule für Musik und Theater, 20.06. 19:30 (Stummfilmimprovisation)


No Other Land 
N/PAL 2024, Dok, R: Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, 95 min

Doku über die Zusammenarbeit zwischen einem palästinensischen Aktivisten und einem israelischen Journalisten.

Ost-Passage-Theater, 20.06. 20:00 (OmU), 21.06. 20:00 (OmU)


Save Our Souls
F 2024, Dok, R: Jean-Baptiste Bonnet, 81 min

Im Mittelmeer treffen Hoffnungen auf Rettung und humanitäres Engagement aufeinander: Sechs Wochen lang begleitet Regisseur und Fotograf Jean-Baptiste Bonnet die Crew der »Ocean Viking« und dokumentiert eindrucksvoll deren Einsatz für Menschen in Seenot.

Kinobar Prager Frühling
20.06. 18:00 (mit Gästen, OmU, Q&A nach dem Film, Weltflüchtlingstag)


Als wir träumten
D/F 2015, R: Andreas Dresen, D: Merlin Rose, Julius Nitschkoff, Joel Basman, 117 min

Andreas Dresens gelungene Adaption des Leipziger Nachwende-Romans von Clemens Meyer.

Passage-Kinos, 22.06. 17:30 (Einführung und Filmgespräch, Literatur trifft Film)


Friedemann Bach
D 1941, R: Gustaf Gründgens, Traugott Müller, D: Gustaf Gründgens, Eugen Klöpfer, Wolfgang Liebeneiner, 102 min

Friedemann Bach genießt seinen Triumph. Mit dem Konzert, das er in Vertretung seines Vaters Johann Bach gegeben hat, erringt er die Gunst des Königs und erhält eine Anstellung. Doch er merkt nicht, dass sich seine wahren Freunde von ihm wenden und gerät in einen Strudel der Erfolgslosigkeit.

Passage-Kinos, 22.06. 11:30 (Bach-Matinée zum Bachfest, mit Einführung von Knut Elstermann)


Alles ist erleuchtet 
USA 2005, R: Liev Schreiber, D: Elijah Wood, Jonathan Safran Foer, Eugene Hutz, 106 min

Jonathan reist in die Ukraine, um die Frau zu suchen, die seinen Grovater 1942 vor den Nazis gerettet hat. Bewegendes Roadmovie nach Jonathan Safran Foers gleichnamigen Bestseller.

Passage-Kinos, 25.06. 18:00 (mit Nachgespräch, OmU, Rückkehr 80 Jahre Kriegsende)


Background
D 2023, R: Khaled Abdulwahed, 63 min

Der in Syrien geborene Künstler, Fotograf und Filmemacher Khaled Abdulwahed lebt heute in Leipzig und versucht, Teile der Biografie seines Vaters Sadallah zu rekonstruieren, der in Aleppo ausharren muss, trotz zahlreicher Bemühungen, ihn nach Deutschland zu bringen.

Cinémathèque, 25.06. 19:30 (mit Regiegespräch)


Barbie
USA/GB 2023, R: Greta Gerwig, D: Margot Robbie, Ryan Gosling, Emma Mackey, 115 min

Aus dem weltbekannten Plastikpüppchen machen Greta Gerwig und Noah Baumbach eine kluge, kämpferische Komödie für die Rechte und Wahrnehmung von Frauen in der Gesellschaft.

Moritzbastei, 26.06. 20:00 (Moritzkino)


Born For You
I 2023, R: Fabio Mollo, D: Pierluigi Gigante, Teresa Saponangelo,, 113 min

Der homosexuelle Katholik Luca Trapanese adoptiert ein Kind mit Down-Syndrom nachdem 30 heterosexuelle Familien das Baby abgelehnt haben.

Passage-Kinos, 25.06. 20:30 (OmU, QueerBLICK)


Claudine
USA 1974, R: John Berry, D: Diahann Carroll, James Earl Jones, Lawrence Hilton-Jacobs, 95 min

Im Harlem der 1970er Jahre trifft der Müllsammler Roop auf Claudine, die eine alleinerziehende Mutter von sechs Kindern ist und Sozialhilfe bezieht.

Bibliotheca Albertina, 25.06. 19:00 (Reihe »New Hollywood«, OmU)


Die Liebe in ungleichen Zeiten
TAN/D/SA/KAT, R: Amil Shivji, D: Gudrun Mwanyika, Ikhlas Gafur Vora, Siti Amina, 88 min

Eines Nachts auf Sansibar in den letzten Jahren der britischen Kolonialzeit. Denge, ein junger afrikanisch-sansibarischer Freiheitskämpfer, trifft auf Yasmin, eine junge indisch-sansibarische Frau, die vor ihrer Zwangsehe geflohen ist und ihre eigene Freiheit sucht. Leidenschaft und Revolution eskalieren.

Ost-Passage-Theater, 25.06. 20:00 (mit Publikumsgespräch, OmU)


Lesvia
GR 2024, Dok, R: Tzeli Hadjidimitriou, 78 min

Seit den 1970er Jahren ist die griechische Insel Lesbos zu einem Zufluchtsort für Lesben aus aller Welt. Im Küstendorf Eressos, dem Geburtsort der antiken Dichterin Sappho, entstand über die Jahrzehnte eine lebendige Gemeinschaft, in der Frauen offen und frei leben und lieben konnten.

Kinobar Prager Frühling, 26.06. 18:00 (Im Rahmen des CSD Leipzig, OmU)


Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft
J 2018, R: Mamoru Hosoda

Mirai geboren wird. Von nun an steht er nicht mehr allein im Mittelpunkt, sondern muss sich die Aufmerksamkeit seiner Eltern hart erkämpfen. Zu allem Überfluss schimpfen sie ständig mit ihm. Mit dem Baby kann er nicht mal richtig spielen! Doch immer wenn Kun besonders wütend wird geschehen im Garten des Hauses magische Dinge: So begegnet er plötzlich auch seiner Schwester aus der Zukunft.

Regina-Palas, 24.06. 16:00 (Anime Special), 18:00 (Anime Special), 20:15 (Anime Special, OmU), 
Cinestar 24.06. 17:00 (Anime Special, OmU), 20:00 (Anime Special), 
Cineplex 24.06. 20:00 (Anime Special)Der vierjährige Kun wächst unbeschwert auf – bis seine kleine Schwester 


Sabbath Queen
USA 2024, Dok, R: Sandi Simcha DuBowski, 105 min

Über 21 Jahre hinweg gedreht, folgt der Film Rabbi Amichai Lau-Lavies Reise als Erbe von 38 Generationen orthodoxer Rabbis, hin- und hergerissen, ob er sein angestammtes Schicksal akzeptieren oder eine rebellische Drag Queen werden soll.

Open-Air-Kino in der Spinnerei, 26.06. 22:00 (DOK Day zum CSD, Eröffnung DOK Leipzig Sommerkino, OmeU)


Sie leben! 
USA 1988, R: John Carpenter, D: Keith David, Meg Foster, Roddy Piper, 91 min

Aliens haben die Erde besetzt. Sie benehmen sich ganz »normal« und sehen aus wie du und ich. Nur durch eine Spezialbrille erkennt man ihr wahres Gesicht. Die findet der Gelegenheitsarbeiter Nada und führt einen einsamen Kampf gegen eine gewaltige Übermacht. Satirischer, höchst unterhaltsamer SciFi-Klassiker von John Carpenter, der seine medienkritische Botschaft nicht gerade subtil verpackt.

Passage-Kinos, 26.06. 20:30 (mit Einführung und Filmgespräch, Passagen Werke Alien Invasion)


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