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Kultur

Abseits des diktierten Realismus

Kinostart des Films »Go Clara Go« über das Künstler-Kollektiv Clara Mosch aus Karl-Marx-Stadt

  Abseits des diktierten Realismus | Kinostart des Films »Go Clara Go« über das Künstler-Kollektiv Clara Mosch aus Karl-Marx-Stadt  Foto: Inselfilm & Lindenau-Museum Altenburg, Archiv Ralf-Rainer Wasse


Eine Ausweisseite, anstelle eines gewohnten Passbildes ist ein gen Ferne gerichteter, mit einem Schleier verhüllter Frauenkopf zu sehen. Als Name steht »Clara Mosch«, das Geburtsdatum lautet 30.5.1977, auf dem Stempel steht Adelsbergstraße 298 Karl-Marx-Stadt, unter besonderes Kennzeichnen ist »Galerie« zu lesen. Der in einer 200er Auflage ausgeführte Druck, den Lutz Dammbeck gestaltete, kündigt die Öffnung der Galerie im östlich vom Karl-Marx-Städter Zentrum gelegenen Vorort Adelsberg an. Hier in einem ehemaligen Milchladen eröffnete das Künstler-Kollektiv Clara Mosch die gleichnamige Galerie als Kleine Galerie des Kulturbundes.

Clara Mosch setzt sich aus den Namen der Mitglieder zusammen: Carlfriedrich Claus (1930-1998), Thomas Ranft (* 1945) und Dagmar Ranft-Schinke (* 1944), Michael Morgner (* 1942) und Gregor-Torsten Schade (Kozik) (* 1948). Bis auf Claus hatten die anderen zwischen 1961 und 1972 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert. Morgner und Ranft nahmen seit 1975 an Pleinairs an der Ostsee teil – die gemeinsame künstlerische Produktion an der frischen Luft, im Wald, an Seen oder der Ostseeküste steht bei Clara Mosch auch im Mittelpunkt. 1982 endet die Existenz von Galerie und Gruppe.

Um die vier Künstler, die eine Künstlerin und den Galerist Gunar Barthel (*1954), der von 1979-84 in der Galerie Oben in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) arbeitete, dreht sich der Dokumentarfilm »Go Clara Go: die Kunst des kreativen Widerstands« von Sylvie Kürsten. Für Kürsten bildete der sogenannte Bilderstreit von 2017 den Anlass für den Film. Damals kritisierte der Dresdner Kunstwissenschaftler Paul Kaiser, dass die Kunst aus der DDR oftmals in Museumsdepots verschwunden sei und nicht in den Dauerpräsentationen zu sehen ist.

Passend zu Chemnitz als europäischer Kulturhauptstadt 2025 beginnt der Film mit Archivaufnahmen der Einweihung des Marx-Monumentes 1973. Dass die damalige sozialistische Musterstadt kreative Geister besonders anzog, mag sicherlich auch daran liegen, dass hier keine Kunsthochschule existiert einschließlich der damit verbundenen Netzwerke.

Aber darum geht es nicht im Film. Vielmehr erzählen die damaligen Akteure über ihre eigene Motivation und beschreiben vergangene Happenings. Dabei zeigt Kürsten sehr viele Fotografien von Aktionen, Performances, die in der Galerie Oben stattfanden, beispielsweise die Aufführung des »Szenischen Kammerspiels II – Missa Negra«, das in Kooperation von Hartwig Ebersbach und Friedrich Schenker entstand, ohne die zu sehenden Personen zu benennen bzw. in die DDR-Kunstgeschichte einzuordnen.

Bei der Vorstellung der Performance »Schwarzes Frühstück« von Kozik wird noch nicht einmal der Ausstellungsort – die vom Kunstwissenschaftler Klaus Werner (und späterem Gründungsdirektor der Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst) von 1973 bis zu seiner Entlassung 1981 geführte Ostberliner Galerie Arkade genannt, geschweige denn überhaupt seine Rolle als Ausstellungsmacher und Netzwerker insbesondere für die Gruppe benannt. Stattdessen tanzt von Beginn an eine Frau mit einem verhüllten Kopf wie auf dem eingangs beschriebenen Druck in Schwarz-weiß Sequenzen an Orten, an den Aktionen stattfanden oder stellt Abbildungen von den Künstlern nach. Je länger der Film dauert, schleicht sich das Gefühl ein, dass auf die Tänzerin vielleicht hätte ganz verzichtet werden können, stellte doch Dagmar Ranft-Schinke als einzige Frau in der Gruppe dar, dass diese »schon etwas männerdominant war«.

Seine Stärke besitzt der 93-minütige Film, wenn die Mitglieder der Gruppe über ihre Arbeiten und Inspirationen sprechen oder sich gemeinsam erinnern wollen wie etwa am Rande des Fußballplatzes, wo die Spiele gegen die Leipziger Künstler stattfanden, oder über die (wirtschaftlichen) Veränderungen nach 1989.

Dass mittlerweile am Getty Institut in Los Angeles nicht nur ein Teil des Archivs vom Fotografen Ralf-Rainer Wasse, der als Teil der Gruppe diese per Fotokamera begleitete und an der Zersetzung in seiner Rolle als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit arbeitete, wie auch Publikationen und Objekte gelandet sind, erzählt die dortige Kuratorin Isotta Poggi. Was sie nicht mitteilt: Das US-amerikanische Institut zahlt beim Erwerb und Museen in Deutschland verfügen entweder über kein Geld für Ankäufe, Vor- oder Nachlässe oder besitzen schlicht keine Expertise oder Interesse.

Dass sich dies ändern könnte, wäre eine positive Wirkung des Films. Dass sich das Publikum für die vielen Geschichten, Menschen und Kunstwerke interessiert, die Kürsten in ihrem Film eher als Kulissen benutzt, eine andere.


> »Go Clara Go: die Kunst des kreativen Widerstands«, Deutschland 2025, 93 Minuten,

Luru Kino in der Spinnerei, Freitag, 26.6., 19 Uhr, Samstag, 28.6., 17.30 Uhr, Sonntag, 29.6., 17 Uhr, Dienstag, 1. Juli 19 Uhr

> »Galerie Oben und Clara Mosch«, bis 15.2.2026, Kunstsammlungen Chemnitz, am 16.7. eröffnet um 19.30 Uhr innerhalb der Ausstellung die Einzelpräsentation von Carlfriedrich Claus


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