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Kultur

Im Zeichen des Pentagramms

Das Partysan Open Air zog Tausende Extrem-Metal-Fans an

  Im Zeichen des Pentagramms | Das Partysan Open Air zog Tausende Extrem-Metal-Fans an  Foto: Tobias Prüwer


Ein Pentagramm ziert das Stadtwappen Schlotheims. Pentagramme prangen auch in vielfacher Form auf den Jacken und T-Shirts all jener, die sich am Wochenende in Schlotheim einfanden. Denn einmal im Jahr dient der Flugplatz der nordthüringischen Gemeinde als Sammelplatz für jene, die die härteren Spielarten des Metal bevorzugen. Rund 10.000 kamen beim Partysan Open Air für drei Tage zusammen, darunter viel Leipziger Stammpublikum.

»Das Pentagramma macht dir Pein?«, heißt es im »Faust«. Metaller haben dieses Symbol für sich gewählt. Manche verstehen es wirklich magisch, für die meisten ist es Mittel der düsteren Selbstinszenierung. Das ist Teil des Szene-Selbstverständnisses: Man orientiert sich an den dunklen Tatsachen des Lebens, das es doch aufgrund seiner Kürze ausgelassen zu feiern gilt.

Das sollte bei der 29. Ausgabe des Partysans gelingen. Die Bandauswahl für die beiden Bühnen klang im Vorfeld wenig abwechslungsreich, aber live erwiesen sich einige Künstler als unverhofft mitziehend. Von einer etwas aufgestauten Death-Metal-Schlange am Samstag abgesehen – es spielten zu ähnliche, mittelmäßige Bands hintereinander – erklang Vielfältiges.

Die erste Überraschung besorgten Doole (NL): Der psychedelisch-verträumte Progressive-Rock, der auf Platte doch zu säuselnd ausfällt, entfaltete live eine melancholische Kraft. Sie setzen auch am Donnerstagnachmittag früh das erste politische Zeichen: »Der nächste Song dreht sich eigentlich um Alkohol. Ich finde, alle sollten das trinken, was sie mögen. Und alle sollten das Recht haben zu sein, wer sie sein und wen sie lieben möchten.« Einige andere Bands beschworen allgemein Freiheit, Zusammengehörigkeit und Einigkeit. Am lautesten politisch fiel naturgemäß der Auftritt von Napalm Death (UK) aus, der gleichzeitig musikalisch den Höhepunkt des ersten Tages bildete.

Die Death-Grinder schleuderten Songs im Höchsttempo in die Menge, in der sich ein großer Moshpit formte. Mehrere hundert Menschen tanzten darin Pogo, schubsten sich umher, ließen die Köpfe mit zumeist langem Haar kreisen. Und immer wieder flogen Arme in die Luft, wo der ausgestreckte Kleine und der Zeigefinger die Metal-Hand/Pommesgabel formten. Währenddessen tobte Sänger Greenway über die Bühne und ließ nicht viele Themen der Weltpolitik unkommentiert. Und die Menge tobte unten mit. Insgesamt waren mehr Frauen als sonst in den Mosh- und Circlepits unterwegs; bei letzterem rennen die Fans gemeinsam im Kreis und werfen mit den Armen um sich. Dass sich hier – ganz ohne Quote – etwas in Richtung weiblicher Sichtbarkeit tut, war eine Botschaft des Festivals.

Nach dem brachialen Gewitter von Napalm Death hatten die eigentlichen Headliner des Tages Dark Angel (USA) keine Chance mehr. Ihr Thrash-Metal klang nicht uninteressant, nur hörten so viele nicht mehr hin. Sie waren zu erschöpft oder kannten die Band, um die es lange still war, gar nicht. Auch bei anderen Musikern waren Lücken im Publikum erkennbar. Dass die Hörerschaft selektiver einzelne Bands wählt, statt sich das ganze Paket zu geben, war mehrfach zu beobachten. Vielleicht funktioniert das Konzept, einen Headliner für alle zu finden, angesichts der ausdifferenzierten Metal-Stile nicht mehr ganz.

Tryptikon (CH) am Freitag wollten dann doch viele sehen: Was vor allem am Seltenheitswert lag. Bandleader Tom G. Warrior formte einst die zur musikalischen Legende geronnenen Celtic Frost. Für viele Bands waren die stilprägend. Und Tryptikon wollte das alte Liedgut aufleben lassen. Die Band modernisierte die alten Songs ein wenig in puncto Tightness, spielte kompakt und technisch sehr präzise, so dass ihr Gig nicht museal ausfiel. Hellbutcher (SWE) legten old-old-oldschool Thrash auf die Bretter und wurden voller Energie zum quicklebendigem Museum. Die Morbid-Angel-Abspaltung I am Morbid (USA) enttäuschte nicht, Grave (SWE) tags darauf ebenfalls nicht. Ihre Death-Metal-Darreichungen wurden in Sachen Geschwindigkeit und Nackenschmerzen von Suffocation und Skeletal Remains (beide USA) übertroffen; die in diesem Genre Highlights bildeten.

Karg (AUT) hat einen schönen Namen, aber zu überladenen Black-Metal. Firtans (GER) Post-Black wirkte zu inkonsistent, wenn die Geige nicht in den Sound integriert wird, sondern irgendwie dran geklebt klingt. Harakiri in the Skye (AUT) hörte sich weg, fiel gar nicht auf. Die Musiker von Gorgoroth spielten überzeugenden, an Death geschulten Black-Metal. Allerdings verpasste der eingesprungene Sänger ziemlich viele Einsätze, war nicht textsicher und zerkloppte unter seinem beeindruckend-fiesen Keifgesang drei bis vier Mikrofonständer. Das sah unfreiwillig komisch aus. Ganz deplatziert war der Auftritt als vorletzte Band am abschließenden Samstag allerdings nicht. War doch zu erkennen, dass Metal viel aus Inszenierung besteht – und die muss stimmen. Oder es wird lustig, denn den anderen Teil von Metal macht schließlich Ironie aus.


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