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Kultur

»Wir werden auch weiterhin keinen Trends hinterherrennen«

Am 30. August feiert die Distillery am neuen Standort ihr Re-Opening

  »Wir werden auch weiterhin keinen Trends hinterherrennen« | Am 30. August feiert die Distillery am neuen Standort ihr Re-Opening  Foto: Christiane Gundlach

Zwei Jahre Warten hat nun ein Ende und die lang ersehnte Wiedereröffnung von Ostdeutschlands ehemals ältestem Club steht bevor. Am 30. August öffnet die neue Location ab 20 Uhr ihre Pforten und hält dabei, neben dem bisher geheimen Lineup, jede Menge Neuheiten bereit. Wir treffen Betreiber Steffen Kache im noch nicht ganz fertigen Club an der Alten Messe. Vor der Bar im Chillbereich sitzen wir auf zwei alten Kinosesseln – Relikte aus der alten Distillery. Wir sprechen über die Wiedereröffnung, die Hürden der letzten Jahre und die Zukunft des Clubs. Zum Zeitpunkt des Interviews fehlen noch die allerletzten Abnahmen – der letzte große Haken bis zum finalen Go, wie Kache erzählt. Die Vorfreude auf das Opening ist groß.

Was können wir von der neuen Distillery erwarten?

Die Fläche ist insgesamt vielleicht doppelt so groß, aber es ist nicht geplant, immer alles gleichzeitig zu öffnen. So haben wir viele Flächen, mit denen wir rumspielen können. Zum Beispiel einen Chill-Out-Bereich, der nicht vom Bass der anderen beiden Floors beeinflusst wird. Dann haben wir einen großen Floor, auf dem Konzerte mit etwa 400 Personen stattfinden können. Dafür war es früher viel zu eng. Wenn wir wollen, gibt es Tageslicht – total abgefahren, das hatten wir noch nie. Vielleicht wird der Garten am Tag auch ein Floor. Aber wir entdecken das Ding auch erst mal, wenn es dann losgeht. Das ist ein weißes Blatt Papier.


Wird denn alles bei der Eröffnung fertig sein?

Bis wir in die Komplettauslastung kommen und alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, wird es noch mal ein halbes Jahr dauern. Wir werden mit dem Samstag starten, am Anfang erst mal alle 14 Tage, ab Ende September kommt dann der Freitag dazu. Ab Oktober wollen wir in den wöchentlichen Betrieb gehen. Im Obergeschoss muss noch eine neue Anlage eingebaut werden und wir bauen gerade noch das Booking-Team für die Konzerte auf. Wir wollen nicht direkt von 0 auf 100 gehen, sondern uns langsam steigern.


Außerdem neu ist die Barrierefreiheit im Club, richtig?

Im Erdgeschoss sind wir schon barrierefrei und wenn Fördergelder da sind oder wir ein bisschen Geld verdient haben, bauen wir einen neuen Aufzug, damit man auch ins Obergeschoss fahren kann. Es gibt außerdem ein barrierefreies WC.


Was ist denn musikalisch zu erwarten, bleiben Sie Tille-Genres treu?

Ich finde es wichtig, dass Musik Seele hat. Das ist völlig unabhängig von der Musikrichtung. Sobald die Musik was mit dir macht, dann ist das was Gutes. Das Beste ist nach wie vor: Du stellst die Leute auf die Tanzfläche, nach ein paar Stunden kannst du sie wieder abholen und sie haben nur noch ein Grinsen im Gesicht. Das ist das Ziel. Und mit was für Musik das passiert – klar, es wird elektronisch bleiben. Am Freitag ist geplant, dass es wieder basslastig wird und vor allem Drum'n'Bass hier eine feste Homebase bekommt. Es wird vielseitig werden.


Werden die Floors wieder ähnlich sein wie früher, unten härter, oben etwas fröhlicher?

Ja, das wird wahrscheinlich ähnlich, wobei ich mal gespannt bin, ob der untere Floor wirklich so düster wird, weil die Räume insgesamt höher sind. Es ist halt kein dunkler Keller mehr, sondern kann durch Tageslicht auch ein fröhlicher Erdgeschossfloor sein. Es wird auf jeden Fall zwei Floors geben, die sich musikalisch unterscheiden.


Die alte Location mussten Sie vor über zwei Jahren schließen, eigentlich sollte es ein halbes Jahr später weitergehen. Was hat das Ganze so verzögert?

Viele Dinge haben sich leider als komplexer herausgestellt, als wir dachten. Es war auch für uns absolutes Neuland, in dieser Dimension einen Club aufzubauen. In den 90ern war das noch einfacher. Ich würde es mal so ausdrücken: Es gibt Denkweisen bei Planern und Genehmigungsbehörden, die für uns nicht immer so leicht nachvollziehbar waren.


Wie haben Sie das Bauvorhaben finanziert?

Es gab eine Förderung für die Lüftungsanlage aus Corona-Restgeldern und eine Förderung der Initiative Musik. Ansonsten gab es ein paar Eigenmittel, Unterstützung der Getränkeindustrie und Darlehen. Das Geld für die ganze Bude war nicht da – wir haben Verbindlichkeiten aufgenommen, die wir jetzt über die Jahre zurückzahlen müssen.


Von den Kürzungen in den Kulturförderungen der Stadt sind Sie also nicht betroffen?

Nein, das betrifft uns nicht, wir waren nie institutionell gefördert. Wir haben so kalkuliert, dass wir keine Förderung brauchen. Ich hoffe, das klappt.


Es stand für mich nie zur Debatte, dass der Club weitergeht.


Gab es denn in den letzten zwei Jahren mal einen Moment, in dem Sie daran gezweifelt haben?

Wir dachten nicht, dass es so komplex und umfangreich wird. Wir hatten mit weniger kalkuliert, als es schlussendlich gekostet hat. Aber ein Exit-Szenario gab es nicht, deshalb war immer klar: Wir müssen da durch. Es stand für mich nie zur Debatte, dass der Club weitergeht. Das, was jetzt hier entstanden ist, ist genau das Richtige. Wir setzen natürlich alles auf eine Karte, da steckt jeder Cent drin. Und so war halt klar: Natürlich geht es mit der Distillery weiter.

Ursprünglich war die Location an der Alten Messe als Übergangslösung gedacht bis das Projekt Gleisdreieck fertiggestellt wird. Ist es das immer noch eine Übergangslösung?

Unser Mietvertrag läuft bis Anfang 2034. Das sind noch achteinhalb Jahre. In der Zeit werden wir es unmöglich schaffen, das Projekt zu refinanzieren. Das heißt, wir haben in knapp zehn Jahren gar nicht die Power, irgendwo anders nochmal anzufangen. Zumal das auf dem Gleisdreieck auch in zehn Jahren noch nicht gehen wird. Wir hoffen einfach, dass es ein Umdenken in der Stadt gibt, was die Messehalle betrifft. Für den Standort ist es cool, dass hier mal ein bisschen Leben reinkommt. Für mich ist das kein Interim mehr. Generell zu denken, dass eine Versammlungsstätte ein Interim sein kann – das ist schon eine falsche Annahme. Die ganzen Anforderungen an Brandschutz, Lärmschutz und so weiter, die verursachen so viele Kosten, das kannst du nicht mal so machen und nach drei Jahren wieder gehen. Und bis so ein Laden dann wieder lebt, das dauert.


Seit Sie den alten Standort geschlossen haben, hat sich in der Clubszene einiges verändert. Haben Sie Vertrauen, dass das alte Konzept »Tille« noch funktioniert?

Klar, wir waren jetzt zwei Jahre draußen. Wir können gar nicht sagen, dass wir wissen, wie der Hase gerade läuft. Aber es gibt ein großes Potenzial und viele Leute, die warten, dass es losgeht. Ich kann mir vorstellen, dass wir die alle wieder aktivieren können. Aber wir werden das Konzept natürlich anpassen müssen. Auf der anderen Seite werden wir auch weiterhin keinen Trends hinterherrennen. Von daher lassen wir uns überraschen und sind optimistisch.


Welche Wünsche und Erwartungen haben Sie für die Zeit nach der Eröffnung?

Ich freue mich einfach darauf, wenn es losgeht. Die Zeit hat sich angefühlt wie ein Ultramarathon, wo du das Ziel schon gar nicht mehr siehst, weil das so weit weg ist. Ich freue mich total drauf, das erste Mal diesen Laden voller Menschen zu sehen. Gerade die Momente, früh ab um sechs, wenn du nur noch in lachende Gesichter guckst. Und ich freue mich auf jeden Fall, vielleicht mal ein paar Tage Urlaub zu machen.

> Distillery. Eggebrechtstraße 2, 04103 Leipzig.

> Re-Opening am 30. August ab 20 Uhr

> Mehr Infos auf @distillery


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