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Kultur

»Wir wirken stark in die Stadt hinein«

Die neue TdJW-Intendantin Miriam Tscholl im Auftaktinterview

  »Wir wirken stark in die Stadt hinein« | Die neue TdJW-Intendantin Miriam Tscholl im Auftaktinterview  Foto: Wer kommt nicht ins Theater?: Miriam Tscholl ist jedenfalls schon da/Christiane Gundlach


Ab dieser Spielzeit leitet Miriam Tscholl das Theater der Jungen Welt. Theaterreisenden ist sie vielleicht aus Dresden bekannt, wo sie die Bürgerbühne am Staatsschauspiel leitete. Dort realisierte sie zuletzt das Projekt »X Dörfer« für mehr Kultur im öffentlichen Raum. Was die gebürtige Freiburgerin, Jahrgang 1974, in Leipzig plant, erklärt sie im Gespräch.

Was reizt Sie am TdJW?

Theater für junges Publikum begleitete mich seit Studienzeiten. Es ist ein offenes Genre, experimentierfreudig und von großer gesellschaftlicher Relevanz. Das TdJW ist ein Haus, das der jungen Generation gehört, und unsere tolle Aufgabe ist es, ihre Themen stark zu machen und auf die Bühne zu bringen. In der Bürgerbühne Dresden, die ich viele Jahre geleitet habe, habe ich viel mit und für junge Menschen gearbeitet und in meinen Jahren als Freiberuflerin war es eines von zwei Standbeinen. Ich bin immer wieder begeistert, wie direkt und lebendig eine Theatervorstellung mit jungen Menschen sein kann.


Wir würden Sie Kinder- und Jugendtheater charakterisieren?

Letztlich ist es einfach Theater, mit ein paar Besonderheiten. Es ist oft uneitel, macht Spaß und es geht ums Publikum. Es probiert unterschiedlichste Formen, weil es mal die Zweijährigen, mal die Zwanzigjährigen und auch die älteren Generationen anspricht. Jedes Format ist deshalb anders, was das Genre lebendig und vielfältig macht.


Sie erwähnten die Relevanz des jungen Theaters ...

Die Frage »Wer kommt nicht ins Theater?« stelle ich mir oft. Mit dem Kinder- und Jugendtheater hat man über die Schulen und Kitas die Möglichkeit, eine Breite zu erreichen: Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten und Voraussetzungen, Geschmäckern, Interessen und Herkünften. Man agiert am Puls der Zeit, kann hinhören, was junge Menschen bewegt und welche Werte sich verändern.


Was werden Sie verändern?

Neue Menschen bringen Veränderungen, das ist klar. Aber wir werden das TdJW nicht neu erfinden, sondern wie die bisherigen Teams versuchen, spannendes Theater zu machen. Die Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen wird intensiviert. Wir haben Kooperationsmodelle entwickelt, an denen ganze Schulen beteiligt sind. In Stadtteilen, aus denen bisher weniger Interesse an Theater signalisiert wird, kooperieren wir gezielt. Wir wirken stark in die Stadt hinein mit lokalen Partnern wie zum Beispiel dem Ariowitsch-Haus, offenen Freizeittreffs und der Lebenshilfe.


Einige Stücke bleiben im Repertoire, wie wählten Sie die Premierenstoffe aus?

Wir wollen wichtige Themen der jungen Menschen und der Stadt aufgreifen und gleichzeitig unterhaltsam sein. Der breit gefächerte Spielplan soll viele Menschen einladen. Es geht um das Miteinander, unser Zusammenleben, unsere Grundrechte und immer wieder um Empathie. Das darf Spaß machen und politische Fragen können spielerisch daherkommen. Nehmen Sie unser Weihnachtsstück »Die Schneekönigin«. Da verliert ein Mädchen einen Freund an einen Kotzbrocken, an den Hass. Trotzdem gibt sie die Freundschaft nicht auf.


Zwei Premieren gibts am Eröffnungswochenende?

In »Wimmelstadt« wimmelt das gesamte Schauspielensemble auf der Bühne. Als verschiedenste Figuren, reale, vergangene, heutige, fiktive, begegnen sie sich mit Humor. Das ergibt ein lebendiges Bild von Leipzig und davon, wie wir uns unser Theater vorstellen. Mit »Ein Glücksding« wird das Puppenensemble die Partnerschaft zu Kyjiw beleuchten, historisch und gegenwärtig.


Mitmachen und Mitbestimmen sind Ihnen wichtig?

Die jungen Menschen sollen das TdJW als ihren Ort begreifen. Partizipation war am Haus bereits wichtig und wir stärken sie. In zwei der neun Premieren werden Leipziger und Leipzigerinnen mitspielen. Wir bieten 13 Theaterclubs an, davon jeweils einen in Sellerhausen und Grünau. Zusätzlich gibt es Clubs im ländlichen Raum.


Sie setzen auf Nachhaltigkeit?

Die preisgekrönte Puppeninszenierung »Die goldene Gans« übernehmen wir mit der Unterstützung des Puppentheaters Chemnitz aus Halle. Bühnenbild und Kostüme für »Peer Gynt« stammen vom Dresdner Staatsschauspiel. Eine AG kümmert sich um Ressourcenschonung und auch soziale Nachhaltigkeit.


Sind Sie persönlich in Leipzig angekommen?

Ich bereite seit einem Jahr vor und lebe seitdem hier. Ich habe übrigens schon einmal 2008 am Lofft inszeniert, »Leipzig für Anfänger« hieß die Produktion. Nach dem Studium wollten wir als Theaterkollektiv nach Leipzig ziehen. Aber alle bekamen nach und nach woanders Jobs oder Familien.


Eine Bitte ans Publikum?

Begreifen Sie das TdJW als Ihr Haus! Gönnen Sie es sich! Wenn Ihnen ein Stück mal nicht gefällt, trotzdem wiederkommen.


> »Wimmelstadt«: 19.9., 18 Uhr (Premiere), 21.9., 16 Uhr, 22.9., 10 Uhr

> »Ein Glücksding«: 21.9., 18 Uhr (Premiere), 23./24.9., 10.30 Uhr


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