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Kultur

»Um schöne Musik zu machen, muss man nicht gut musizieren können«

Carsten »Erobique« Meyer über sein neuestes Projekt »Songs for Joy auf der Veddel«

  »Um schöne Musik zu machen, muss man nicht gut musizieren können« | Carsten »Erobique« Meyer über sein neuestes Projekt »Songs for Joy auf der Veddel«  Foto: Yvonne Schmedemann

Wenn im September wieder »Urlaub in Italien«-Gesänge durch die Straßen von Gohlis hallen, liegt das an Carsten »Erobique« Meyer. Denn er bringt seine gut gelaunten Disco-Hits auf die Parkbühne vom Geyserhaus. In seiner mittlerweile 25-jährigen Karriere hat die »lebende Diskokugel« Erobique zwar »nur« zwei Solo-Alben veröffentlicht, dafür aber bei vielen musikalischen Projekten – etwa International Pony oder den Hamburg Spinners – mitgewirkt und den Soundtrack für Filme und Serien wie »Der Tatortreiniger« und »Magical Mystery« komponiert. Er zieht Trubel und Gemeinschaft musikalischer Eigenbrötlerei vor. Ein gemeinschaftliches Großprojekt der besonderen Art ist das Album »Songs for Joy auf der Veddel«, für das Erobique zusammen mit Jacques Palminger aus zugesandten Texten ein Album zusammengestellt hat.

»Songs for Joy auf der Veddel« ist das Nachfolgeprojekt von »Songs for Joy«, das 2009 in Berlin entstand. Jeder konnte Texte einreichen, Sie haben Songs daraus gemacht. Ist das einfach die Umsetzung des Konzepts für Hamburg?

Das Grundkonzept war das gleiche. Der Dramaturg Ludwig Haugk, der das damals in Berlin initiiert hat, war jetzt am Schauspielhaus Hamburg. Dem Schauspielhaus war es aber wichtig, dass wir auf die Veddel gehen. Also an diesen speziellen Ort zwischen Wilhelmsburg und Hamburg. Der liegt auf so einer Elbinsel und ist von Autobahnen umgeben. Das ist ein kulturell sehr vielfältiges Zentrum, was immer ein wenig übersehen wird. Dadurch konnten wir diese ganze multikulturelle Vielfalt dort mit einbeziehen, also zum Beispiel argentinische Akkordeonspielerinnen oder jemand mit einer Maultrommel.


Das Album-Cover zeigt unterschiedliche Tiere, die zusammen musizieren. War das in etwa das Gefühl, das Sie bei der Aufnahme der Platte hatten?

Ja, das ist ein irres Gruppenprojekt. Jacques Palminger und ich haben zusammen mit Peta Devlin, Chris Dietermann und Mario Hänni ein Studio in der Immanuelkirche auf der Veddel aufgemacht. Für zwei Wochen haben wir die Türen geöffnet, so dass alle vorbeikommen konnten. Dieses offene Musizieren macht einfach Spaß. Man versteckt sich nicht vor der Welt, igelt sich nicht ein, um Musik zu machen, sondern man lädt alle ein mitzumachen.


Leute kamen zufällig ins Studio und wurden eingebunden?

Am Anfang war es natürlich so, dass wir Leute einluden. Aber irgendwann kamen auch jede Menge Neugierige vorbei. Also es gab Leute, die einfach wissen wollten: Was ist denn hier los? Die sind reingekommen und haben daraufhin Freunden Bescheid gesagt, die dann Texte eingereicht haben. Auf der Straße vor der Kirche haben wir zum Beispiel einen Lehrer von der benachbarten Schule getroffen. Dadurch hatten wir dann einen Kinderchor.


Wie war es, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die nicht in professionellen Kontexten Musik machen?

Ich unterscheide das nicht so hart. Um schöne Musik zu machen, muss man gar nicht so gut musizieren können. Für mich ist jeder, der im Kirchenchor singt oder zu Hause für sein Kind zur Gitarre greift, Musiker oder Musikerin. Deswegen finde ich das eher gut, dass es da diese Unterschiede gibt. Das erfordert natürlich Rücksichtnahme und generell einen sehr freundlichen Ton. Aber diese arrogante Idee, dass einige Leute besser musizieren können als andere, die wird da ein bisschen vor der Tür gelassen.


18 Songs in zwei Wochen, das war ein straffer Zeitplan.

Wer hochprofessionell gearbeitet hat, das war Peta Devlin, die uns aufgenommen hat. Die war sehr präsent und sehr wach. Und na klar, man hat natürlich Verantwortung für die Menschen, die die Texte geschrieben haben, und auch die, die dann diese Songs performen. Das macht aber auch Spaß, diese Verantwortung. Dadurch muss man nicht so an sich selber zweifeln die ganze Zeit, wie man das als Solokünstler vielleicht kennt. Sondern man macht einfach wahnsinnig auf und lässt alles passieren. Man muss aber wirklich konzentriert bleiben, damit man nicht den Faden verliert.


Ihre Musik klingt ehrlich gesagt gar nicht nach Selbstzweifeln ...

Ich kenne niemanden, der das nicht hat, beziehungsweise sind die Künstlerinnen und Künstler, die diese Selbstzweifel nicht haben, mir eher suspekt. Aber klar, auf einer Bühne zu stehen mit davor tanzenden Leuten – da kommen Selbstzweifel selten vor.


Stilistisch ist die Platte extrem vielseitig. Von Disco bis Chanson ist alles dabei. War das geplant?

Das ist ein bisschen so entstanden. Allzu elektronisch wollten wir es nicht haben, weil wir ja zusammen musizieren und dadurch viele akustische Instrumente ins Spiel kommen. Was sich ansonsten herauskristallisiert hat: Wir sind alle so große Fans der Amiga-DDR-Unterhaltungsmusik und die alten Aufnahmen aus den Siebzigern und Achtzigern waren auch ein Einfluss. Die haben ja im Grunde auch alles gemacht damals. Das war in etwa unsere Idee: Alles, was groovt und Spaß macht, mit einzubauen.


Wird man in Leipzig Stücke der neuen Platte hören?

Das ist das Problem: »Songs for Joy« ist ein Gemeinschaftsprojekt. Wir sind alle sehr traurig, dass es logistisch nicht möglich ist, das aus Hamburg rauszukriegen, wenn man nicht zufällig einen Mäzen findet. Aber es sind vierzig bis sechzig Leute, die da unterwegs sind und alle unterschiedliche Instrumente brauchen. Dafür werde ich neue Disco-Stücke spielen, die noch nicht erschienen sind.


> 20.9., 19 Uhr, Parkbühne Geyserhaus


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