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Kultur

»Jugendliche suchen einen Ort, wo sie sein können, wie sie sind«

Die Sächsische Nacht der Jugendkulturen will Aktionen und Angebote für Jugendliche im ländlichen Sachsen sichtbar machen

  »Jugendliche suchen einen Ort, wo sie sein können, wie sie sind« | Die Sächsische Nacht der Jugendkulturen will Aktionen und Angebote für Jugendliche im ländlichen Sachsen sichtbar machen  Foto: Tom Nicklaus

Am 19. und 20. September findet zum siebten Mal die »im:puls Sächsische Nacht der Jugendkulturen« in ganz Sachsen statt. Die Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen (LKJ) will damit jugendkulturelle Vielfalt im ländlichen Raum sichtbar machen und Initiativen vor Ort unterstützen und vernetzen. Teilnehmen können alle Initiativen aus Kommunen und Gemeinden unter 40.000 Einwohnern, mit der Zielgruppe 14 bis 27 Jahre. Eine Förderung für Veranstaltungen erhalten dieses Jahr 35 Aktionen, mit jeweils 500 Euro. Neben der finanziellen Förderung bietet die LKJ Beratung und Hilfe bei der Öffentlichkeitsarbeit. Mit John Bieber von der Aktion »Skate&Create« im Offenen Jugendhaus Riesa und Nele von Kortzfleisch vom LKJ Sachsen spricht der kreuzer darüber, was vielfältige Jugendarbeit im ländlichen Sachsen leisten kann.

Wozu braucht es eine Nacht der Jugendkulturen?

Bieber: Die Jugendlichen werden auf dem Land vergessen. Ich bin selbst in Riesa aufgewachsen und wohne seit kurzem in Dresden, auch in Leipzig war ich schon öfter. Das ist ein großer Unterschied. In den Städten mit viel Angebot haben die Jugendlichen eine echte Chance auf Selbstverwirklichung. Es gibt dort noch richtige Subkulturen. Das hat man in den Kleinstädten gar nicht mehr. Dann rutscht man schnell in andere Szenen ab. In Leipzig und Dresden wird man noch eher aufgefangen. Riesa ist da noch nicht mal am schlimmsten, es gibt ja noch kleinere Orte in Sachsen, wo es echt krass ist.

Kortzfleisch: Der Anteil der Bevölkerung unter 30 sinkt immer weiter in Deutschland, auch in Sachsen. Deswegen werden Räume immer weiter begrenzt. Gerade im ländlichen Raum gibt es weniger Angebote. Da ist es toll, wenn Kinder und Jugendliche auch die Möglichkeit und Räume bekommen, sich aktiv einzubringen und zu beteiligen. Welche Aktionen wir fördern, entscheidet eine Jugendjury. Die Kriterien dafür haben die Jugendlichen gemeinsam mit uns entwickelt.

Nele von Kortzfleisch
Nele von Kortzfleisch von der LKJ Sachsen


Und jetzt geht ihr schon in die siebte Runde.

Kortzfleich: Durch solche Projekte werden Träger von Jugendarbeit besser vernetzt und Jugendkultur immer sichtbarer. Wir sind relativ klein gestartet: Beim ersten Mal hatten wir neun geförderte Aktionen, jetzt sind es schon 35. Das zeigt uns, dass Bedarf und Engagement da ist und immer mehr wird.


Die »Skate&Create« Aktion wird auch gefördert. Inwiefern ist das hilfreich?

Bieber: Gerade auf kommunaler Ebene ist letztes Jahr Förderung erheblich gekürzt worden – das betraf auch uns. Wenn der Stadtrat einsparen muss, kürzt er bei uns. Das macht Jugendarbeit erheblich schwerer. Jugendarbeit sollte kein Nice-to-Have sein, sondern ein Muss.


Was kann Jugendarbeit leisten?

Bieber: In der Jugend suchen wir nach unserer Identität. Jugendarbeit hilft dabei, Interessen und Stärken zu finden und sie zu fördern. Wenn jemand zum Beispiel gerne Gitarre spielt, haben wir einen Proberaum mit Instrumenten. Wenn jemand Kunst mag, haben wir dafür Graffiti-Wände. Manche skaten gerne, dafür haben wir einen Skatepark. Wir haben hier Jugendliche, da ist die Welt zu Hause nicht wunderbar. Ein schlechtes Verhältnis zu den Eltern oder Todesfälle: Jugendliche suchen einen Ort, wo sie sein können, wie sie sind. Wo sie ihre Freunde treffen, aber auch Bezugspersonen haben, die sie vielleicht sonst nicht haben.

John Bieber
John Bieber von »Skate&Create«

Wie kann Jugendkultur in Zukunft aussehen?

Bieber: Ich wünsche mir, dass Subkulturen stärker werden, so wie früher: Punk, Hiphop, das ist ein bisschen weggebrochen. Ich fände cool, wenn sich sowas wieder bildet. Es muss nicht das Gleiche sein. Gaming ist mittlerweile eine eigene Jugendkultur geworden. Eben etwas, womit sich die Jugendlichen identifizieren können. Das hilft ihnen bei der Selbstverwirklichung. Ich finde gut, dass die Aktion allein das Wort »Jugendkultur« mal wieder einbringt. Im Alltag der Jugendarbeit wird gerne vergessen, dass es Jugendkulturen gibt.

Kortzfleisch: Es gibt auch nicht nur die eine Jugendkultur. Deshalb heißt das Projekt auch: »im:puls – Sächsische Nacht der Jugendkulturen« – mit Betonung auf dem Plural. Jugendliche sind eine sehr heterogene Masse. Das heißt, da gibt es unterschiedliche Bedürfnisse und strukturelle Unterschiede. Es wäre aber wünschenswert, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben, sich auszuprobieren, Safer Spaces und Freund:innenschaften zu erfahren. Deshalb ist es wichtig, vielfältige Angebote zu schaffen: Es wird Graffiti und Skating geben, also klassische Subkulturideen. Aber auch Kalimba (ein Instrument, Anm. d. Red.) oder Holzlehmofen bauen, Tanzen, Fußballdisco, ein Trickfilmworkshop und Theater.


> Einen Überblick über alle geförderte Projekte finden Sie hier.


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