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Kultur

»Vibratoren habe ich fünf, sechs Stück, alle klingen unterschiedlich«

Ronja Sophie Putz über ihr Debüt mit Neuer Musik und die Reinigung der Wahrnehmung

  »Vibratoren habe ich fünf, sechs Stück, alle klingen unterschiedlich« | Ronja Sophie Putz über ihr Debüt mit Neuer Musik und die Reinigung der Wahrnehmung  Foto: Robin Lambrecht

»Ich träume, ich spiele«, »ich träume Klang«, »ich spiele einen Traum«: Ronja Sophie Putz gibt mit den italienischen Begriffen »sogno/suono«, mehrere Möglichkeiten an die Hand, um ihre Musik zu fassen. Umso mehr lohnt es sich, ihrem damit überschriebenen und nun bald erscheinenden Debütalbum zu lauschen. Wie Träume arbeitet die junge Wahlleipzigerin mit bisweilen absurden musikalischen Elementen, um die Wahrnehmung zu reinigen und zu schärfen. Putz’ Geigenspiel flirrt in höchsten Höhen. Sie entlockt ihrem Instrument allerlei Klänge, es schwelgt, raunt und symbiontisch summt, säuselt und singt sie gleichzeitig dazu. So hallen ihre Stücke zauberhaft, zartfüßig und fragil nach. Im Gespräch mit dem kreuzer hält sie sich mit Traumdeutung zurück, erklärt aber einige Hintergründe zu ihrer Kunst.

Welche Bedeutungen schreiben Sie Träumen zu?

Ich fasse den Traumbegriff gerne etwas weiter und habe das Gefühl, von meiner Denkstruktur her und von meiner Art, die Welt wahrzunehmen, auf der verträumten Seite zu stehen. Ich kippe sehr leicht in meine Gedanken, in Details oder in parallele Wahrnehmungsebenen, die mich dann gefangen nehmen. Das entschleunigt. Das ist mir auch ein Anliegen mit der Musik, die ich mache: die Sinneswahrnehmungen zu schärfen, um in das Klanginnere einzusteigen. Ich möchte die eigene Sensibilität der Zuhörerinnen und Zuhörer maximal herauskitzeln und einen Raum durch die Musik eröffnen, in den man ins eigene Innere hineinkippen kann.


Dabei scheuen Sie nicht vor Klangexperimenten mit Nägeln, Schrauben und Vibratoren. Wie gehen Sie bei der Auswahl an Werkzeugen vor, mit denen Sie Geige spielen?

Es kommt alles Mögliche zum Einsatz. Bei den Vibratoren finde ich es jetzt, wo ich mich länger damit beschäftigt habe und auch andere Musikerinnen und Musiker damit arbeiten, ganz naheliegend. Allerdings kenne ich noch niemanden, der mit Vibratoren auf der Geige arbeitet. Also bin ich mit meinem Instrument in Sexshops gegangen, um die Vibratoren vor Ort auszuprobieren – von den Verkäuferinnen und Verkäufern hatte das so noch niemand erlebt.


Sie achteten auch auf Formen und Größen der Vibratoren?

Es ging mir hauptsächlich um den Klang. Von den Vibratoren habe ich mittlerweile fünf oder sechs Stück, alle klingen unterschiedlich und sind in ihrer Handhabung verschieden. Einige verwende ich direkt an der Saite. Dann gibt es manche, die klingen am schönsten, wenn ich den Bogen auf die Saiten lege und dann den Vibrator indirekt auf die Bogenstange halte und dann nur über den Bogen die Vibration indirekt auf die Geige übertragen wird. Es gibt einen, den habe ich an einer Schnur und der baumelt dann auf den Saiten. Das erzeugt Klangfarben und Rhythmen, auf die ich keinen Einfluss habe, die ich nicht kontrollieren kann. Und auch diesen Aspekt der Unkontrollierbarkeit finde ich wahnsinnig spannend. Vielleicht auch als Gegenentwurf zu meiner klassischen Ausbildung, bei der immer und über jeden Parameter die volle Kontrolle gegeben sein muss.


Sie arbeiten nicht nur mit solchen Gegenständen, sondern auch mit Ihrer Stimme. Was schätzen Sie an der Kombination von Geige und Stimme besonders?

Manchmal weiß man gar nicht, was jetzt genau eigentlich die Geige ist und was die Stimme. Es mischt sich einfach so toll. Ich schätze auch die Intimität, die dadurch entsteht. Ich hatte oft das Gefühl, die Geige sei quasi eine Verlängerung meines Körpers. Durch die Verbindung von Geige und Stimme wird dieses Gefühl intensiviert. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, nichts faken zu können. Das liegt vielleicht auch daran, dass meine Stimme nicht ausgebildet ist. In der Kombination aus Geige und Stimme liegt der unmittelbarste, echteste Ausdruck, den ich musikalisch vermitteln kann, und gleichzeitig eine wahnsinnige Intimität und Fragilität. Das finde ich beängstigend und schön.


Dabei singen Sie keine Texte …

Genau. Ich habe keinen Text, der schon eine Welt aufmacht und die Musik vielleicht auf eine Botschaft herunterbricht. So ergeben sich viel mehr Interpretationsebenen. Diese Vielgesichtigkeit, die die Musik bekommt, reizt mich sehr.


> Ronja Sophie Putz’ Debütalbum »sogno/suono« erscheint bald. Bis dahin spielt sie als Solokünstlerin im Rahmen etlicher spannender musikalischer Interventionen des Ideal-Festivals am 28.9., ab 15 Uhr in und an der Heilig-Kreuz-Kirche in Leipzig auf. Zudem ist Putz Teil von Gellért Szabós Ideal Orchester, das zum Festivalabschluss, 20 Uhr konzertiert.

> Ronja Sophie Putz auf Instagram


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