anzeige
anzeige

Das neue Bewerbungsverfahren simuliert nur eine öffentliche Ausschreibung

Ein Kommentar von Tobias Prüwer

  Das neue Bewerbungsverfahren simuliert nur eine öffentliche Ausschreibung | Ein Kommentar von Tobias Prüwer  Foto: Maddl79 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de


Würden Sie eine Bewerbung formulieren, die von Ihnen ein »ausführliches Motivationsschreiben« verlangt, ohne dass das gesuchte Stellenprofil klar ist? »I would prefer not to«, wäre die passende Antwort. Die neue Stellenausschreibung zur Intendanz an der Oper Leipzig fordert aber genau das. Was sich zunächst als Frechheit gegenüber potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern liest, birgt aber ganz anderen Zündstoff: Es ist dreist gegenüber der Stadtöffentlichkeit.

»Ein weiter ausdifferenziertes Stellen- und Aufgabenprofil nebst geschichtlicher Bedeutung der Oper und Musikstadt Leipzig leiten wir Ihnen nach Eingang Ihrer aussagekräftigen Bewerbung gerne zu.« – So jovial-herablassend steht das wirklich in der Ausschreibung. Natürlich gab es schon eine erste Ausschreibung, in der das Stellen- und Aufgabenprofil detailliert aufgeführt war. Aber dazu fehlt jeder Hinweis in der neuen Ausschreibung, auf der neben dem Stadtwappen das Logo der Personalscouts prangt. Im Übrigen macht der Ton die Musik.

Das wissen nicht nur Opernschaffende. Wollte man hier Hochkaräter wirklich zu einer Bewerbung motivieren, würde man anders formulieren. Zumal nach der ersten Runde die Stelle am Augustusplatz bei nicht wenigen in Musiktheaterkreisen als verbrannt gilt. Welche Kandidatin, welcher Kandidat hätte noch Lust auf die regelmäßigen Sitzungen im Betriebsausschuss Kulturstätten, wenn schon die Bewerbungsgespräche mit denselben Leuten derart im Orchestergraben versinken wie im Frühjahr?

Doch steckt hinter der Knappheit des Schreibens keine Herablassung gegenüber möglichen Bewerberinnen und Bewerbern, sondern vielmehr gegenüber der Stadtöffentlichkeit. Denn der Text ist nur eine Attrappe, die öffentliche Ausschreibung in der zweiten Runde nur eine Simulation. Es werden hier ganz offensichtlich keine Bewerbungen erwartet, die Personalscouts sprechen ihnen fähig erscheinende Kandidatinnen und Kandidaten direkt an. Was durchaus zielführender sein kann als die große Runde mit den Stadtratsabgesandten. Ob aber das Stellenprofil aus der ersten Bewerbungsrunde noch aktuell ist oder verändert wurde, erfährt die Öffentlichkeit dabei nicht. Transparenz sieht anders aus. Und damit ist die neue Intendanz schon vor Antritt beschädigt. Denn der Graben zwischen Bühne und Zuschauerraum wird so tiefer. Der zwischen Politik und Bürgerschaft übrigens auch.


Kommentieren


0 Kommentar(e)