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»Ich habe keine Gegenstimmen vernommen«

Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew erklärt, warum die Maßnahmen der Stadt unumgänglich sind

  »Ich habe keine Gegenstimmen vernommen« | Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew erklärt, warum die Maßnahmen der Stadt unumgänglich sind  Foto: Torsten Bonew/Christiane Gundlach


Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew hat mit seinen Sparplänen Unmut auf sich gezogen. Der Stadtrat fühlt sich bei Haushaltssperre und Investitionsmoratorium nicht mitgenommen, der Grüne Baubürgermeister Thomas Dienberg bemängelt fehlende Transparenz. Im Interview mit dem kreuzer wehrt Bonew die Vorwürfe ab und erklärt, warum die Maßnahmen aus seiner Sicht unumgänglich sind.

Wie sehr schränken die Auflagen der Landesdirektion zur Haushaltsgenehmigung die Autonomie der Stadt Leipzig ein?

Ich glaube, dass diese Frage das eigentliche Problem nicht erfasst. Es sind nicht die Auflagen der Landesdirektion, sondern unsere aktuelle finanzielle Situation, die die Autonomie der Stadt Leipzig einschränken. Wer sich wirklich um die Autonomie der Stadt sorgt, muss sich zwingend mit ihrer finanziellen Lage beschäftigen. Dabei stellen wir fest, dass wir viel mehr ausgeben, als wir einnehmen, und dass wir derzeit so viele Kredite aufnehmen, dass bereits jetzt absehbar ist, dass wir 2030 nicht mehr in der Lage sein werden, unsere Kredite zurückzuzahlen, wenn wir so weitermachen. Das ist das eigentliche Problem, nicht die Auflagen der Landesdirektion.



Hätte die Leipzig aus Ihrer Sicht auch mit weniger restriktiven Auflagen der Landesdirektion eine Konsolidierung des Haushalts erreichen können? Hätten sich die Maßnahmen der Stadt von den Vorschriften der Landesdirektion unterschieden?

Nein, das glaube ich nicht. Die Auflagen der Landesdirektion entsprechen dem aktuellen Haushaltsrecht im Freistaat Sachsen. Bei der Genehmigung des Haushalts stützt sich die Stadt Leipzig auf den Erlass des Sächsischen Innenministers vom Sommer dieses Jahres. Die Landesdirektion hat nichts anderes gemacht, als den Haushalt der Stadt Leipzig zu prüfen und ihn mit dem geltenden Recht und dem Erlass des SMI abzugleichen. Demzufolge konnte die Landesdirektion gar nicht anders handeln. Zudem sind dies die Maßnahmen, die die Stadt Leipzig bereits im Frühjahr begonnen hat. Jetzt werden Haushaltskonsolidierung und Repriorisierung im Investitionsprogramm umgesetzt, um die Verschuldung zu begrenzen und nicht mehr so viele Kredite aufzunehmen. Die Maßnahmen der Stadt Leipzig unterscheiden sich nicht von den Vorschriften der Landesdirektion.


Beim Beschluss zum freiwilligen Haushaltssicherungskonzept legte der Stadtrat fest, dass Anträge des Stadtrates zum Haushalt 2025/2026 nicht zur Konsolidierung herangezogen werden dürfen. Nun sind einzelne Haushaltsanträge im Rahmen der Haushaltssperre doch Teil der Konsolidierung. Warum übergeht die Verwaltung hier den Beschluss des Stadtrats?

Ja, das ist richtig. In seiner Sitzung vom 12. März hat der Stadtrat beschlossen, die Haushaltsanträge für 2025 und 2026 im Rahmen des Haushaltssicherungskonzeptes nicht zu kürzen. Dennoch habe ich für die Haushaltsanträge 2025 die Haushaltssperre mit ausgesprochen. Warum? Weil wir feststellen mussten, dass wir im Herbst dieses Jahres über 100 Millionen Euro schlechter dastehen als zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Haushaltes. Die allgemeine Wirtschaftslage hat sich eingetrübt, und die Einnahmesituation der Stadt Leipzig hat sich um mindestens 100 Millionen Euro verschlechtert. Aufgrund der späten Beschlussfassung des Haushaltes und der Tatsache, dass viele Haushaltsanträge gar nicht mehr umgesetzt werden können, habe ich die Haushaltssperre ausgesprochen. Diese wurde teilweise auch auf die Haushaltsanträge ausgedehnt. Wie es bei den Anträgen von 2026 weitergeht, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.


Von wem wurden die Inhalte von Haushaltssperre und Investitionsmoratorium erarbeitet? Nach unseren Informationen wurden die Fachdezernenten dabei nicht involviert, warum?

Ich möchte gern darauf hinweisen, dass diese Information nicht korrekt ist. Insbesondere das Investitionsmoratorium wurde in einer Haushaltsklausur mit allen Fachbürgermeistern und dem Oberbürgermeister besprochen. Nach weiteren 14 Tagen und der Prüfung der Auswirkungen auf die einzelnen Budgets wurde es am 9. September erneut in der Dienstberatung behandelt. Man kann also nicht behaupten, dass die Fachdezernenten nicht involviert waren. Ganz im Gegenteil, ich habe in den beiden Runden keine nennenswerten Gegenstimmen vernommen. Wir waren uns alle einig, dass eine Umkehr vom bisherigen Verhalten erreicht werden muss. Auch die Haushaltssperre wurde intensiv diskutiert, die am Ende dann aber vom Fachbediensteten für das Finanzwesen der ich bin, erlassen wird. Auch in den nachfolgenden Gesprächen mit den Kollegen habe ich nicht den Eindruck gewonnen, dass sie sich überrumpelt fühlen oder nicht von der Notwendigkeit der Haushaltssperre überzeugt sind. Rückblickend kann ich nur von sehr konstruktiven Gesprächen in der Verwaltungsspitze berichten.


Warum wurde der Stadtrat bei der Erarbeitung des Investitionsmoratoriums nicht involviert?

Sie haben vollkommen recht, den Stadtrat konnte ich nicht einbeziehen. Zunächst ist festzuhalten, dass die Verhängung einer Haushaltssperre eindeutig in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltung fällt. In diesem Fall ist der Fachbedienstete für das Finanzwesen zuständig. Ich bedauere, dass die Kommunikation nicht den gewünschten Standard erreicht hat. Nach zweimaliger Behandlung in internen Gremien wurde jedoch bereits teilweise an die Presse durchgestochen, sodass ich nicht länger abwarten konnte, bis es zur Veröffentlichung in der LVZ kam. Ich bedauere dies, habe jedoch bereits ausreichend Gründe hierfür dargelegt.


Warum haben Sie das Moratorium bis zum 30.06.2026 verhängt?

Das Investitionsmoratorium soll bis 30. Juni gelten. Der Grund dafür ist, dass die Stadt Leipzig erst spätestens im Juni weiß, wie die Investitionsmittel für 2027 und 2028 ausgestattet sind. Wir erleben jetzt, dass das erste Gesetz für das sogenannte Sondervermögen im Bundestag bestätigt wurde. Der Landtag muss beschließen, und es müssen Ausführungsverordnungen erstellt werden. Dann kommt es zur Steuerschätzung im Mai, gefolgt von den Verhandlungen zum Finanzausgleichsgesetz. Das bedeutet, dass wir im Grunde genommen erst kurz vor der Sommerpause genau über unsere Investitionsmittelt Bescheid wissen. Daher haben wir den 30. Juni gewählt. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir das eine oder andere Investitionsprojekt nicht bereits vor Erhalt der entsprechenden Daten durchführen können. In der Haushaltssperre hat die Stadt Leipzig die Möglichkeit eigenständig Entscheidungen zu treffen. Diese Zuständigkeit liegt beim Finanzbürgermeister der Stadt Leipzig.


Wie haben Sie die sieben Ausnahmen vom Investitionsmoratorium festgelegt? Einige Stadtratsfraktionen werfen Ihnen vor, dabei den Spielraum der Landesdirektion nicht auszunutzen.

Die sieben Ausnahmen vom Investitionsmoratorium habe nicht ich festgelegt, sondern die Verwaltungsspitze in Gänze und gemeinschaftlich. Wir haben uns davon leiten lassen: Was ist das Wichtigste und die höchste gesetzliche Pflichtleistung? Das wäre z.B. Schulbau bzw. der Schulunterricht. Zudem wollen wir keine Brückenbauwerke und Ingenieurbauwerke, die zusammenstürzen könnten, also wo Gefahr im Verzug ist. Besonders wichtig war uns, sämtliche Investitionen, die die Wirtschaftskraft unserer Stadt stärken. Denn wir brauchen wieder Wirtschaftswachstum, um das Problem der ersten Frage offensiv angehen können, nämlich neue Einnahmen zu erzielen. Ich sehe nicht, dass ich den Spielrahmen der Landesdirektion nicht ausgenutzt habe; ich sehe mich auf der Linie der Landesdirektion!


Die Landesdirektion genehmigte für das Haushaltsjahr 2025 Kreditaufnahmen für Investitionen in Höhe von 227.800.000 Euro und für 2026 in Höhe von 297.250.000 Euro. Demgegenüber stehen laut Investitionsmoratorium für Fortsetzungsmaßnahmen und vom Moratorium ausgenommene Neumaßnahmen für 2025 Ausgaben in Höhe von 146.218.600 Euro und in 2026 in Höhe von 151.707.150 Euro. Warum nutzt die Stadt Leipzig den genehmigten Kreditaufnahme-Rahmen nicht stärker aus?

Zunächst ist festzustellen, dass die Kredite zwar genehmigt wurden, jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, dass ein Nachweis erbracht wird, sie ausschließlich für drei Themen zu verwenden. Diese Themen sind wie folgt: Maßnahmen der infrastrukturellen Grundversorgung, Sogenannte rentierliche Kredite, wie beispielsweise der Kauf eines Rettungswagens, der sich über Gebühren finanziert. Und Kredite in städtische Beteiligungen. Infolgedessen ist unser Kreditrahmen sehr eingeschränkt. Auch wenn die Kredite betragsmäßig voll genehmigt wurden, bedeutet dies nicht, dass alles freigegeben wird. Es muss nachgewiesen werden, was unter die Kategorie der infrastrukturellen Grundversorgung fällt und was nicht. Zum anderen bezieht sich das Moratorium ja nur auf Neumaßnahmen und nicht auf laufende Maßnahmen. Somit sehe ich uns im Rahmen der Haushaltsgenehmigung, und es wird schon knapp genug, alle Investitionen fortzuführen, mit den Kreditgenehmigungen, die uns vorliegen.


Außerdem wurde festgelegt, dass Investitionen mit einer Förderquote von 75 Prozent ausgenommen sind, sofern sie zur infrastrukturellen Grundversorgung zählen. Warum kann das nicht schon aber einer geringeren Förderquote passieren?

Die Festlegung auf die 75% erfolgte, weil wir die 25% über Kredit finanzieren, und unsere Kreditermächtigungen endlich sind.


Ausgenommen sind zudem »Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zur Steigerung der Ertragssituation«. Wie definieren Sie, was die Ertragssituation steigert?

Die Steigerung der Ertragssituation umfasst alle Maßnahmen, die darauf abzielen, bestehende Steuerzahler zu motivieren, zu investieren und hier Mehrwert zu schaffen, sodass sie in zukünftigen Jahren mehr Steuern zahlen. Zudem bezieht es sich auf Maßnahmen, die darauf abzielen, mehr Steuerzahler in die Stadt Leipzig zu ziehen. Die Stadt Leipzig hat ein Problem, was die Anzahl der Steuerzahler angeht!


Wie bewerten Sie den Vorwurf von Linksfraktion und Grünenfraktion durch die geplante Haushaltssperre und das Investitionsmoratorium, CDU-Politik am Stadtrat vorbei zu machen?

Dieser Vorwurf entbehrt jeglicher Grundlage und ist totaler Unsinn. Ich wende das geltende Haushaltsrecht an und bin als Fachbediensteter für das Finanzwesen verpflichtet, diese Haushaltssperre zu verhängen. Alle Fraktionen im Stadtrat sind sich bewusst, dass sich die finanzielle Situation zwischen Haushaltsbeschluss und der Verhängung der Haushaltssperre wesentlich verschlechtert hat. Das Haushaltsrecht des Freistaates Sachsen lässt mir in dieser Angelegenheit keinerlei Spielraum.

Im Übrigen finde ich, dass dieser Vorwurf ein negatives Licht auf diejenigen wirft, die ihn erheben. Welches Bild soll hier vermittelt werden? Die Ära, in der Bürgermeister ihre politischen Leitlinien von Parteisekretären bekamen, ist in unserem Land zum Glück seit 35 Jahren vorbei. Doch wie es im Volksmund heißt: Zeigt man mit einem Finger auf jemanden, so zeigen mindestens drei Finger auf einen zurück.


Bis wann legt die Verwaltung der Öffentlichkeit eine Übersicht dazu vor, welche Investitionen vom Moratorium betroffen sind und welche nicht?

Die Verwaltung wird der Öffentlichkeit eine Übersicht darüber vorlegen, welche Investitionen vom Moratorium betroffen sind und welche nicht. Im November wird es dazu eine Investitionsklausur geben mit den Kollegen aller Dezernate und dem Oberbürgermeister. Sobald die internen Abstimmungen abgeschlossen sind und konkrete Ergebnisse in gemeinsamer Runde abgestimmt wurden, werden wir die Gremien wieder entsprechend informieren und anschließend auch die Öffentlichkeit.


Welche Auswirkungen hätte die Aufhebung des Investitionsmoratoriums durch den Stadtrat? Würde dies die Genehmigung des Haushalts nachträglich gefährden?

Eine Aufhebung des Investitionsmoratoriums durch den Stadtrat könnte potenziell die Genehmigung des Haushalts nachträglich gefährden. Dies liegt daran, dass die Verwaltung die Einhaltung der finanziellen Vorgaben und die Konsolidierung des Haushalts sicherstellen muss. Eine Aufhebung könnte die bereits festgelegten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung untergraben und zu weiteren finanziellen Schwierigkeiten führen.


Transparenzhinweis: Dieses Interview geht aus einer Anfrage des kreuzer hervor, die Torsten Bonew schriftlich beantwortet hat. Die Antworten kamen zu spät, um sie vollumfänglich in unserer November-Titelgeschichte abzubilden.


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