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Kinder, so teuer

Der Stadtrat muss die Ressourcen für die Schulsozialarbeit neu verteilen

  Kinder, so teuer | Der Stadtrat muss die Ressourcen für die Schulsozialarbeit neu verteilen  Foto: Stefan Ibrahim


Es ist spät geworden, OBM Burkhard Jung (SPD) schiebt sich den allerletzten Keks in den Mund. Die übrigen Zuckerreserven sind nochmal wichtig, denn es geht um die Schulsozialarbeit in Leipzig, für die es ein neues Steuerungskonzept geben soll. Der Stadtrat muss abwägen: Sollen die begrenzten Ressourcen auf alle Schulen verteilt werden? Oder insbesondere auf jene, die besonders dringend Schulsozialarbeit brauchen, wodurch andere leer ausgehen oder mit weniger Stellen auskommen müssten?

Vor der Ratsversammlung hatten sich hunderte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler versammelt, die befürchten, dass an ihrer Schule gekürzt wird. Auslöser der Sorgen ist eine Formel, die verschiedene Werte wie die Anzahl an Inklusionskindern oder derjenigen, die eine Klasse wiederholen, berücksichtigt, wodurch jede Schule einen Wert bekommt, der bestimmt, wie dringend dort Sozialarbeit nötig ist. Um Ihre Traumata aus dem Mathe-Unterricht noch etwas mehr zu wecken, hier noch ein paar Zahlen: letztes Jahr ließen sich Schülerinnen und Schüler in Leipzig 68.000 Mal über Schulsozialarbeit beraten, die an 10 von 25 Gymnasien der Stadt, an 46 von 71 Grundschulen und an allen Ober- und Förderschulen angeboten wird – und damit an insgesamt 70 Prozent der Leipziger Schulen. Für die kommenden beiden Jahre strich der Freistaat jeweils 400.000 Euro an Fördermitteln, die Stadt fing das auf, erhöhte ihr Budget sogar nochmal – und zahlt jetzt fast die Hälfte der rund 10 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit selbst. Trotzdem reicht das nicht aus, um angesichts der Personalkostensteigerungen flächendeckend Schulsozialarbeit anzubieten.

»Daher müssen wir priorisieren und wollen Schulen mit großen und gestiegenen Herausforderungen gegenüber denen in vergleichsweise besserer Lage den Vorrang geben«, sagt Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus (Grüne). »Für die Finanzierung des flächendeckenden Ausbaus« – dieses Ziel gab sich der Stadtrat noch vor zwei Jahren – »ist ganz klar der Freistaat in der Pflicht.«

Christian Kriegel (AfD) sagt, der Ruf nach mehr Schulsozialarbeit habe »auch etwas mit der Migrationspoli…« – ach, Sie können es sich denken.

Weil die Mittel eben begrenzt sind, soll nach der neuen Formel umverteilt werden. Schulen, die heute sogar zwei Sozialarbeitsstellen haben, könnten diese teilweise verlieren: »Der Wegfall von zweiten Stellen, der zu befürchten ist, der passt uns nicht als Linke«, sagt Juliane Nagel. Die Linke beantragt deshalb einen Bestandsschutz: Stellen an Grundschulen und Gymnasien sollen drei Jahre lang bestehen bleiben, auch wenn dort laut Formel eine Kürzung vorgesehen wäre. »Die Standorte, die schon ausgestattet sind, obwohl sie inzwischen einen besseren Sozialindex haben – vielleicht auch durch die Schulsozialarbeit – sollen jetzt nicht einfach weggesäbelt werden.« Aus Sicht der Linken ist das falsch, weil es schwer sei, Schulsozialarbeit erstmal zu etablieren, Vertrauensverhältnisse zu Schülerinnen und Schülern aufzubauen.

»Wir sind auch hier, um unpopuläre Entscheidungen zu treffen«, sagt Julian Schröder (CDU). »Egal wie wir heut hier entscheiden, irgendeine Schule wird uns morgen einen bösen Brief schreiben, weil sie betroffen ist.« Schulsozialarbeit solle aus Sicht der Konservativen »schwerpunktmäßig den Schwächsten zugutekommen, Schulen mit vielen Schulabbrechern, wo vermehrt Phänomene wie Schulverweigerung auftreten, wo die Familien durchschnittlich weniger Geld zur Verfügung haben.«

Der Antrag der Linken fällt durch, nur Teile des BSW hat die Fraktion damit auf ihrer Seite. Mit drei Enthaltungen stimmt der Stadtrat einstimmig für das neue Steuerungskonzept, weil auch die Linke mit Bauchschmerzen mitmacht.


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