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Kultur

Von Normen und Formen im deutschen Kleingarten

Zwei Ausstellungen widmen sich Schrebergärten als Teil der Baukultur

  Von Normen und Formen im deutschen Kleingarten | Zwei Ausstellungen widmen sich Schrebergärten als Teil der Baukultur  Foto: Symbolbild/Frank Vincentz


Ein einfaches Zahlenschloss sichert mehr schlecht als recht den Eingang zu einem Kleingarten. Das Schwarz-Weiß Foto stammt aus der Serie »1,20 m« von Janis Vetter. Der Landschaftsarchitekt, Foto- und Videograf dokumentiert darin die Eingrenzungen von Kleingärten. Der Titel verweist auf die genormte Zaunhöhe von 1,20 Metern. Trotz dieser Norm finden sich in allen Kleingartenanlagen unzählige Formen, wie das gepachtete Land gesichert wird. Die in der vergangenen Woche eröffnete Ausstellung »Kleingarten Eden« im Stadtbüro zeigt eine Auswahl von seinen Motiven. Die vom Zentrum für Baukultur Sachsen organisierte Schau möchte über die Rolle von Gärten in der wachsenden Stadt mit den Menschen ins Gespräch kommen.

Zur Eröffnung benennt Baubürgermeister Thomas Dienberg die Bedeutung von Kleingärten in Leipzig bereits über die Zahlen: in 207 Kleingartenvereinen werden ungefähr 32.000 Parzellen bewirtschaftet – also etwa 960 Hektar und damit 30 Prozent der öffentlichen Grünflächen in der Stadt.

Bis zum 21. November liefert die Ausstellung einen Überblick zur Entwicklung der Kleingärten in Deutschland von den Armengärten über die Naturheilbewegung im 19. Jahrhundert zu den Schrebervereinen, den Kleingärten von Unternehmen, den Arbeitergärten vom Roten Kreuz.

Aus baukultureller Sicht erscheint vor allem die Laube interessant. Wer heute den Leipziger Schreberverein und das Kleingartenmuseum besucht, sieht nicht nur historisches Spiel- und Turngerät, sondern auch Lauben in Originalgröße im Schaugarten wie etwa die Krause-Laube, die in den Kleingärten der Maschinenbaufabrik Krause im Leipziger Osten normiert ab 1896 stand. Sie ist in der Ausstellung ebenso abgebildet wie die ebenfalls genormte und dennoch reizvolle Laube, die Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000) entwickelte. Die Architektin, die seit 1926 im sozialdemokratischen Stadtentwicklungsprogramm »Neues Frankfurt« in der Abteilung T für Typisierung, Standardisierung und Normierung von Bauelementen zuständig war, musste nach ihrer Heirat mit dem Architekten Wilhelm Schütte 1927 aus der bezahlten Erwerbsarbeit aussteigen, da eine Doppelbeschäftigung von Eheleuten nicht gestattet war. So arbeitete sie freiberuflich als Leiterin der Bauberatungsstelle für hauswirtschaftliche Wohnungsangelegenheiten und entwarf neben Wohnungen für alleinstehende berufstätige Frauen, Möbel für Kindertagesstätten sowie Kleinbauten für Schrebergärten wie in der Siedlung Römerstadt in Frankfurt/ Main, für die sie vier Laubentypen entwickelte.
Bekannt ist Schütte-Lihotzky auch durch die von ihr entwickelte Frankfurter Küche, eine Einbauküche auf der Grundlage einer rationalisierten Haushaltsführung und entwickelt aus der Speisewagenküche der Mitropa.
Als zeitgenössisches Beispiel von Baukultur dient eine Gartenlaube von den Leipziger Meier Unger Architekten. Aus DDR-Zeiten findet sich ein Bungalow vom Typ B22 W – der beispielsweise über die Geschenkdienst- und Kleinexport GmbH (Genex) erworben werden konnte.

Einen Blick in einen solchen Genex-Katalog liefert wiederum die Ausstellung »Übern Zaun. Gärten und Menschen« im Zeitgeschichtlichen Forum, die bis zum 31. Januar 2026 zu sehen ist. Hierbei stehen die Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland von 1945 bis in die Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt. Zu Beginn der Ausstellung werden Fluchtversuche über die Gartenvereine an der innerdeutschen Grenze an der Berliner Bornholmer Straße porträtiert. Aber trotzdem: die Fotoalben aus dem Westen und dem Osten über die Errichtung von Eigenheim und Laube ähneln sich sehr. Selbst die Fotografien aus der Hollywoodschaukel von den Familien Walter Ulbricht (1965) sowie von Willy Brandt (1972) lassen keine systemrelevanten Unterschiede erkennen – abgesehen von dem Umstand, dass bei Ulbrichts kein Tisch mit Speisen und Getränken zu sehen ist.
Aber nicht nur positive Beispiele für Baukultur hält die Ausstellung bereit, sondern unter anderem können auch Schottergärten begutachtet werden.

› »Kleingarten Eden«: bis 21.11., Stadtbüro Burgplatz, Di-Do 13-18, Fr 13-15 Uhr

› »Übern Zaun. Gärten und Menschen«: bis 31.1.2026, Zeitgeschichtliches Forum, Grimmaische Str. 6, Di-So 10-18 Uhr


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