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Kultur

»Es geht nicht um Schmuddel, sondern um Aufklärung«

Die Comedyshow »Pornosüchtig« thematisiert männlichen Pornokonsum

  »Es geht nicht um Schmuddel, sondern um Aufklärung« | Die Comedyshow »Pornosüchtig« thematisiert männlichen Pornokonsum  Foto: Morris MacMatzen

Komisch aufklären? Das geht, sagt Pascal Ulli. Er ist Regisseur, Produzent und Übersetzer von »Pornosüchtig«. Im Gespräch erklärt er, warum das aus seiner Sicht funktioniert.

Sie erzählen aus Sicht eines Elfjährigen über die Pornosammlung seines Vaters. Warum ist Aufwachsen in einer pornografischen Welt Ihr neues Thema?

Weil ich selber Vater bin. Als ich das Stück vor 16 Jahren übersetzt und adaptiert habe, war mein Sohn gerade in diesem Alter und surfte mit seinem ersten Tablet im Internet. Und ich wusste: Ich kann ihn nicht wirklich vor den Abgründen des WWWs schützen. Ein Browserwechsel und alle Kindersicherungen sind weg. »Pornosüchtig« erzählt diese Geschichte aus der Zeit der heutigen Vätergeneration, also meiner. Der Männer, die noch mit Pornos auf VHS in Berührung kamen. Das hat natürlich was Nostalgisches: »Bonanza«, »Der große Preis«, die Rockgruppe Kiss – die 80er sind überall. Und genau das macht die Show so charmant: Wir lachen über uns selbst und merken dabei, wie sich die Welt verändert hat.


Hilft Witz, dieses Thema zwischen Verklemmung und Verharmlosung anzugehen?

Unbedingt. Lachen ist die beste Waffe. Ich glaube fest daran, dass ich nur über Humor wirklich an die Menschen rankomme. Das Stück ist nie belehrend, aber es hat Haltung. Es ist frech, ehrlich, liebevoll, und dadurch kann unser Publikum über ein schwieriges Thema reden, ohne dass es weh tut. Und unser Publikum lacht viel, geht aber auch nachdenklich nach Hause.


Warum wollen Sie für dieses Thema sensibilisieren?

Weil wir etwas tun müssen. Ich habe nichts dagegen, wenn Erwachsene sich solche Filme anschauen. Aber für Kinder, die mit solchen Bildern konfrontiert werden, bevor sie selber eine eigene und schöne Sexualität entwickeln konnten, ist dies erwiesenermaßen mehr als ungesund. Die Pornoindustrie ist ein Milliardengeschäft, das Rekordgewinne schreibt – manche Anbieter haben zum Beispiel während der Pandemie ihre Goldmitgliedschaft verschenkt, um neue Abhängigkeiten zu schaffen. Diese Konzerne zahlen so hohe Steuern, dass kein Staat ein wirkliches Interesse daran hat, da einzugreifen. Also bleibt nur eines: die Kunst. Sie darf sagen, was andere verschweigen. Sie kann Bewusstsein schaffen, ohne zu moralisieren. Wir müssen darüber reden – mit Humor, mit Herz, aber auch mit Klarheit. Denn kein Jugendschutz-Filter und kein Gesetz kann unsere Kinder schützen, wenn wir es nicht selbst tun.


Wem Pornografie in der Comedy zu frivol erscheint, wie wischen Sie dessen Bedenken beiseite?

Ich sage: Schauen Sie’s sich an. Das Stück ist ab zwölf Jahren freigegeben und das völlig zu Recht. Es ist anständig, witzig und intelligent gemacht. 70 Prozent unseres Publikums sind Frauen. Es geht nicht um Schmuddel, sondern um Aufklärung. Und Cyrill Berndt, der Hauptdarsteller, macht das großartig mit viel Feingefühl und Improvisation. Das Publikum lacht Tränen und geht mit offenen Augen nach Hause.


Ist das Stück eine Weiterentwicklung der »Caveman«-Thematik?

Ja, irgendwo schon. »Caveman« war die Steinzeit des Geschlechterkampfs, »Pornosüchtig« ist die WLAN-Version. Es geht in unserer Show eben auch um mehr als nur Pornografie: Es geht um Beziehungen, um das Bild von Männern und Frauen, ums Kinderkriegen, ums Heiraten, um Nähe und Scham. Das Stück zeigt, wie diese Themen heute, im digitalen Zeitalter, aufeinanderprallen. Ich glaube, der Autor Andrew Goffman hat »Caveman« gesehen und sich gedacht: Sowas will ich auch machen, aber mit der nächsten Generation, mit der Realität von heute. Und das ist ihm gelungen. Es ist komisch, berührend, klug und mitten im Leben.


»Pornosüchtig – Die Comedy-Show«, 14.11., 20 Uhr, Kabarett Sanftwut, kabarett-theater-sanftwut.de


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