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Kultur

Spurensuche in Leipzigs Vergangenheit

Die Ausstellung »Bruchstücke« und die Installation »Spuren« erinnern an die Pogromnacht am 9. November 1938

  Spurensuche in Leipzigs Vergangenheit | Die Ausstellung »Bruchstücke« und die Installation »Spuren« erinnern an die Pogromnacht am 9. November 1938  Foto: Säuleninstallation/Britt Schlehahn


Weiße Lichtsäulen stehen seit Ende Oktober an 14 Orten in der Stadt und erinnern an ehemalige Synagogen und Betstuben. Die Leipziger Malerin Nina K. Jurk initiierte erstmals 2002 diese Erinnerungssäulen als Installation »Spuren«, die erst nach über zwanzig Jahren im Herbst 2023 wieder zu sehen waren. In diesem Jahr können sie bis zum 30. November im Leipziger Zentrum sowie in Gohlis betrachtet werden. Auf dem Säulenfuß finden sich Informationen zu den konkreten Aufstellungsorten und auf der Säule selbst das Gedicht »Todesfuge« von Paul Celan.

Als Grund für diese Installation erklärt die Künstlerin: »Ich gehöre zur dritten Generation nach dem 2. Weltkrieg. Meine Generation hat das jüdische Leben in Leipzig nicht mehr erfahren. Dabei haben seinerzeit Jüdinnen und Juden das Leben in unserer Stadt vielseitig beeinflusst. Sie leisteten einen bemerkenswerten Beitrag zum geistig-kulturellen Leben und zu Leipzigs Bedeutung als internationales Handelszentrum. Sie waren als angesehene Bürgerinnen und Bürger eingebunden in unsere Stadtgesellschaft.«

Eine Säule steht auch am Standort der ehemaligen Ez-Chaim-Synagoge in Apels Garten. Hier ertönen seit 2023 Originalklänge aus der Synagoge. Dazu ist eine Innenaufnahme der Synagoge an einer Fassade zu sehen, die der Verein Leipziger Notenspur initiierte.

An das Ende und die Zerstörungen vieler Synagogen erinnert aktuell auch die Ausstellung »Bruchstücke. Die Novemberpogrome in Sachsen 1938«, die bis zum 19. Dezember im Neuen Rathaus zu sehen ist. Sie basiert auf den Recherchen von Daniel Ristau und zeigt die Ereignisse um den 9. November 1938, stellt Opfer und Täter vor, lässt Zeitzeuginnen und -zeugen zu Wort kommen und beschreibt jüdische Geschichte in Sachsen bis 1945 sowie die Entstehung einer Erinnerungskultur nach 1945.

Die zahlreichen Rollups im Neuen Rathaus beginnen mit der Dokumentation antisemitischer Anfeindungen weit vor der Reichspogromnacht – wie in Leipzig etwa die Beseitigung des Mendelssohn-Bartholdy-Denkmals vor dem damaligen Gewandhaus an der Beethovenstraße am 9. November 1936 durch den stellvertretenden Oberbürgermeister Rudolf Haake während einer Auslandsreise von Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler, gefolgt von den konkreten Ereignissen am Abend des 9. November 1938. Neben den Berichten zu den Angriffen auf Synagogen ab zwei Uhr nachts am 10. November, auf Kaufhäuser oder etwa dem Verlagshaus der Edition Peters wie auch auf Wohnungen und die Trauerhalle auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Wiederitzsch, zeigen Fotografien das Ausmaß der Zerstörungen.

Erstmals sind alle Tafeln der Recherchen in einer Ausstellung zu sehen und zeigen die Ereignisse unter anderem in Dresden, Chemnitz, Riesa oder Görlitz, wo die 1911 geweihte Synagoge als einziges großes Gotteshaus von der Zerstörung verschont blieb.

> »Bruchstücke. Die Novemberpogrome in Sachsen 1938«: bis 19.12., Neues Rathaus, Mo-Do 7-18 Uhr, Fr 7-16 Uhr

Daniel Ristau: Bruchstücke. Die Novemberpogrome in Sachsen 1938. Leipzig 2018: Hentrich & Hentrich Verlag, 244 S., 19,90 €


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