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Verschnaufpause vom Überlebensmodus

Das Connewitzer Homeplanet-Hostel öffnet auch in diesem Winter seine Türen für obdachlose Menschen – und hofft auf Spenden zur Finanzierung

  Verschnaufpause vom Überlebensmodus | Das Connewitzer Homeplanet-Hostel öffnet auch in diesem Winter seine Türen für obdachlose  Menschen – und hofft auf Spenden zur Finanzierung  Foto: Christiane Gundlach


Armin Hasert drückt die Hand bei der Begrüßung fest zusammen und grinst. »Eat the Rich« steht auf seinem T-Shirt. Hasert ist nicht nur Betreiber des Cafés El Rojito, in dem wir ihn treffen, sondern auch Inhaber des Homeplanet-Hostels in Connewitz. In den Wintermonaten wird es erneut seine Räume für Obdachlose öffnen – inzwischen zum sechsten Mal. Ab dem 18. Dezember bis voraussichtlich zum 2. März können im Rahmen des Projekts »Homeplanet for Homeless« zehn obdachlose Menschen im Hostel auf der Bornaischen Straße unterkommen. Damit will Hasert ein ergänzendes Angebot zu den regulären Notunterkünften der Stadt schaffen.

Hasert setzt sich an den Tresen seines Cafés. Hinter ihm flimmert auf einem alten Fernseher Charlie Chaplin, in den Regalen um ihn herum stehen nur noch vereinzelt Packungen solidarisch produzierten Kaffees und regionale Produkte zum Verkauf. Das Café wird Hasert aus finanziellen Gründen abgeben. Rezeption und Speiseraum, die bislang hier sind, werden mit ins Hostelgebäude ziehen, das sich etwa 30 Meter weiter südlich auf der Bornaischen befindet. »Es wird eben ein bisschen gemütlicher werden«, sagt Hasert. Doch in seiner Stimme liegt Bedauern.


Freie Betten nutzen

2012 hat er das Hostel eröffnet, acht Jahre später startete – mitten im Winter, »von jetzt auf gleich« – das Beherbergungsprojekt für wohnungslose Menschen. Damals waren zwei Mitarbeiterinnen des Hostels mit der Idee auf ihn zugekommen. Zu der Zeit – es war der Corona-Winter 2020/21 – galt ein Beherbergungsverbot für touristische Zwecke, das Hostel hatte keine Gäste, die Betten waren frei. »Wir mussten dann schnell feststellen, dass wir an unsere Grenzen kommen und Menschen einbeziehen müssen, die mehr Ahnung haben als wir«, erinnert sich der heute 53-Jährige. Mittlerweile werde das Projekt eng begleitet von den Streetworkern des Suchtzentrums, des Vereins Machtlos und der Diakonie. Die Sozialarbeitenden wählen aus, wer für die Wintermonate im Hostel aufgenommen wird. »Sie kennen die Menschen und wissen, was wir leisten können – und können so besser einschätzen, wer hier reinpasst«, erzählt Hasert.


Der Kiez hilft mit

Wir laufen vom Café ins Hostel rüber, vorbei an einem veganen Restaurant, in dem das Zwei-Gänge-Menü 42 Euro kostet. Über den von Laub bedeckten Hinterhof und ein altes Treppenhaus kommen wir in die Etage, die den wohnungslosen Menschen in den Wintermonaten ein temporäres Zuhause sein wird. Während sie hier leben, geht der laufende Betrieb des Hostels auf den anderen Etagen weiter.

Hasert öffnet die Türen zu den fünf Zimmern, die jeweils von zwei wohnungslosen Personen bezogen werden können. Selbst zusammengeschweißte Betten stehen darin neben restaurierten Holzmöbeln. An den bunt tapezierten Wänden hängen Werke von Connewitzer Künstlerinnen und Künstlern. Hier werden die Wohnunglosen schlafen, im Hostel können sie aber auch frühstücken und zu Abend essen. Zubereitet werden die warmen Mahlzeiten von der Nachbarschaft, das Engagement im Stadtteil für das Projekt sei sehr hoch, erzählt Hasert. Aus einem Regal können sich die Gäste an weiteren Lebensmitteln und Hygieneartikeln bedienen. Ein Friseur bietet an, ihnen kostenlos die Haare zu schneiden. Auch medizinisch können sie versorgt und durch Sozialarbeitende während ihres Aufenthaltes im Hostel täglich beraten werden.

Der Aufenthalt ist für die wohnungslosen Gäste kostenfrei, das ist Hasert wichtig zu betonen. In städtischen Notunterkünften müssen obdachlose Menschen in der Regel fünf Euro fürs Übernachten bezahlen – und müssen die Unterkunft tagsüber verlassen. Beides möchte das Hostel vermeiden. Auch die Geschlechter werden hier nicht wie in den Notunterkünften strikt getrennt. »Wir wollen einen Rahmen schaffen, in dem die Menschen zur Ruhe kommen können. Dazu gehört auch, dass die Menschen tagsüber bei uns verweilen und Paare sich ein Zimmer teilen können«, erzählt Stefanie Koch uns später am Telefon. Sie ist Teil des Hostel-Teams und organisiert das Projekt mit. Eine »Verschnaufpause vom Überlebensmodus auf der Straße« biete sein Hostel, nennt Hasert den Ansatz: »Im besten Fall können die Menschen bei uns ihr Leben etwas organisieren.« Teilweise mit Erfolg: Manche hätten in der Zeit im Hostel Arbeit oder eine eigene Wohnung gefunden, erzählt er.


Finanzielle Schwierigkeiten

Finanziert wird das Projekt ausschließlich über Spenden, die der Verein Timmi to Help über die Plattform betterplace.org für das Hostel sammelt. 61 Euro kostet eine Übernachtung samt Verpflegung und Personalkosten pro Person. Für die zehn Plätze ergibt das über den gesamten Projektzeitraum Kosten von insgesamt 45.140 Euro. »Jedes Jahr müssen wir aufs Neue hoffen, dass die Gelder zusammenkommen«, sagt Hasert. In der Vergangenheit habe das dank der Unterstützung von Connewitzer Veranstaltungsorten wie Werk 2, Conne Island oder Zoro durch Soli-Partys oder Spendenaufrufe funktioniert. Dennoch: »Den Betrag für die Projektphase im letzten Winter hatten wir erst im Herbst 2025 zusammen, kurz bevor es mit der Planung für die diesjährige Phase losging«, erzählt Hasert. Bis die kostendeckenden Spenden zusammengetragen sind, gehe das Hostel für das Projekt in Vorkasse.

Zu dieser finanziellen Herausforderung kämen weitere Hürden dazu. Das Haus, in dem sein Hostel sitzt, gehört Hasert nicht; die Miete sei in den letzten Jahren gestiegen. Die Kulturstätten im Viertel hätten finanzielle Probleme, würden weniger veranstalten – wodurch wiederum weniger Publikum im Kiez unterwegs sei und bei Hasert die Gäste fehlen. Hinzu kommen Rückzahlungen der Corona-Hilfen als große Herausforderung. Angesichts der finanziell angespannten Lage sei Hasert und seinem Team nichts anderes übriggeblieben, als die Anzahl der Plätze für das Übernachtungsprojekt zu reduzieren. Während letztes Jahr noch 13 Schlafplätze für obdachlose Menschen angeboten werden konnten, sind es dieses Jahr noch 10. »Das Risiko der Finanzierung ist zu groß. Die drei Personen mehr oder weniger machen da durchaus einen Unterschied«, sagt Hasert. Er hoffe, dass auch für die neue Projektphase diesen Winter genügend Spenden eingehen. »Ansonsten wird es vielleicht das letzte Mal gewesen sein«. 

> Homeplanet-Hostel, Bornaische Str. 56, 04277 Connewitz, www.homeplanethostel.de, Spendenaktion: www.timmitohelp.de/homeplanet-for-homeless/


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