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Stadtleben

Kunst am Purple Path

Rund um Chemnitz gibt es weiter Kunstwerke, die an das Jahr als Kulturhauptstadt erinnern

  Kunst am Purple Path | Rund um Chemnitz gibt es weiter Kunstwerke, die an das Jahr als Kulturhauptstadt erinnern  Foto: Twister again (Alice Aycock) in Seifen/Foto: Ernesto Uhlmann


Was haben Toronto und Seiffen gemeinsam? Eine weiße Wirbelsturm-Skulptur von Alice Aycock. »Twister« steht an der Uferpromenade der kanadischen Großstadt und greift Formen von Wolken, Wettererscheinungen und Wellen auf – passend zur Lage am Ontario-See. Der Kontrast zum Erzgebirge könnte nicht größer sein. »Twister again« hebt sich als Aluminiumskulptur deutlich von den Fachwerkhäuschen des Freiluftmuseums ringsum ab. Und doch lässt sich die Skulptur in einen ganz klaren Bezug zum Standort setzen: Was sich in Seiffen dreht, das sind die Wasserräder, die erst die Pochwerke und später, mit dem Ende des Bergbaus, Drechselbänke antrieben. So entstand aus einer Krise ein neuer Wirtschaftszweig, der die Holzkunst weltberühmt machen sollte. »Das Bild der beim Drechseln herumwirbelnden Holzspäne erinnert die Menschen im Erzgebirge sehr an die Energie ihres alten Handwerks«, ordnet der Begleittext ein. Wirbelstürme sind zum Erkennungszeichen der 1946 geborenen und in New York lebenden Künstlerin geworden. Dass Seiffen nun einen Pin auf ihrer Karte hat, ist dem Kunst- und Skulpturenweg Purple Path und seinem Kurator Alexander Ochs zu verdanken.

Die Zeit als Kulturhauptstadt Europas ist für Chemnitz offiziell vorbei, aber mit dem »Lila Pfad« wird dank der Kunstwerke im öffentlichen Raum noch lange daran erinnert. Dieses Kulturhauptstadt-Projekt hat aus Chemnitz und 38 Gemeinden der Umgebung ein dezentrales Museum mit weiten Wegen gemacht, in dem internationale auf sächsische und explizit Chemnitzer Künstlerinnen und Künstler treffen. Mit seinen Ausmaßen ist der Purple Path das größte Kunstprojekt Europas – und kaum an einem Tag in Gänze zu besichtigen. Finanziert wurde der Ankauf der Kunstwerke laut der Freien Presse mit 5,5 Millionen Euro von der Kulturhauptstadt – im Jahr 2023 hatte der Freistaat seine Unterstützung für die Kulturhauptstadt zugunsten des Skulpturenpfads um fünf Millionen Euro erhöht, in der Hoffnung auf langfristige Anziehungskraft.

Manche der Installationen wirken wie ein nostalgischer und zugleich augenzwinkernder Kommentar zum Ort – wie der weiße Schriftzug »Plywood« in der Nähe des Olbernhauer Bahnhofs von dem in Karl-Marx-Stadt aufgewachsenen und in Berlin lebenden Künstler Jay Gard. Nicht zufällig erinnert er an den Hollywood-Schriftzug in Los Angeles, rückt aber Sperrholz in den Fokus, das als

Heimat Ensemble II (Jan Kummer)/Ernesto Uhlmann

Baumaterial für die Vero-Spielwarenwerke in Olbernhau ebenso Verwendung fand wie für Häuser in Los Angeles. Auch das »Heimat Ensemble II«, das der Chemnitzer Maler und Konzeptkünstler Jan Kummer in Gersdorf platziert hat, dürfte das eine oder andere Lächeln hervorrufen: An der Hauptstraße stehen drei Mäuse, konstruiert aus überdimensionalen Kronkorken, und erinnern an den Versuch, Micky Mouse zu basteln.

Andere Künstlerinnen und Künstler rücken in ihren Werken Vergangenes in einen neuen Kontext, wie Michael Sailstorfer aus Berlin, der einen riesigen Motorradspiegel in die MZ-Stadt Zschopau stellte. Oder die aus Zwickau stammende Künstlerin Jana Gunstheimer, die ihre flaggenartige Konstruktion kunstvoll mit Schiefer verkleidet hat, in Anlehnung an die einst so verkleideten Dächer und Fassaden in der Region. Standort: vor den Plattenbauten an der Paradiesbrücke in Zwickau. Als transformativ auf allen Ebenen kann man beschreiben, was der multimedial arbeitende Künstler Via Lewandowsky mit dem Taurasteinturm in Burgstädt gemacht hat: Nachts gibt es ein mediales Wetterleuchten aus der Aussichtskanzel, tags eine Soundkulisse aus dem Zinnbergwerk Ehrenfriedersdorf.

Insgesamt 55 Kunstwerke zeigt die aktuelle Purple-Path-Karte, verteilt auf drei Landkreise und Chemnitz selbst. Bei Redaktionsschluss dieses kreuzer waren noch nicht alle eingeweiht: »Beyond Horizons 2025«, eine Lichtinstallation des preisgekrönten US-amerikanischen Künstlers James Turrell, ist erst seit Ende November zu sehen – in der 2025 wieder eröffneten Kohle-Welt in Oelsnitz.

Bei allem Prestige gab es aber auch Orte, die »ihr« Kunstwerk ablehnten, weil Standort oder Werk im Stadtrat durchfielen, etwa in Marienberg und Augustusburg (das nun eine andere Skulptur bekommen soll). Anderswo konnten sich die Orte Aufbau und Folgekosten nicht leisten. So integrierten sie stattdessen schon vorhandene Skulpturen wie den »Nackschen Mann« in Frankenberg in das eigentlich zeitgenössische Projekt – was für Kritik sorgte. Dass in den sozialen Netzwerken zum Teil harsche Worte für die Objekte gefunden wurden, kann indes weniger überraschen.

Welche Wirkung langfristig von dem Kunstprojekt ausgeht – für Einwohnerinnen und Einwohner wie für den Tourismus –, wird sich zeigen. Bustouren auf den Purple Path hat der Tourismusverband Chemnitz-Zwickau-Region auch für 2026 angesagt. Und wer zur Lichtlfahrt ins Erzgebirge aufbricht, hat nun neue Ziele am Straßenrand. 

> www.chemnitz2025.de/purple-path


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