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Schaffe, schaffe, Stadt umbaue

Die Wärmewende in Leipzig kommt - aber wie?

  Schaffe, schaffe, Stadt umbaue | Die Wärmewende in Leipzig kommt - aber wie?  Foto: Stefan Ibrahim


»Immer wieder derselbe Blödsinn«, murmelt Enrico Stange (Linke) erst leise vor sich hin, dann platzt es aus ihm heraus. »Das ist die schwäbische Hausfrau!«, ruft er quer durch den Saal in Richtung CDU-Fraktion. »Aber die ist doch richtig!«, schreit Lucas Schopphoven von dort zurück. Burkhard Jung läutet seine Glocke zur Ruhe: »Herr Schopphoven! Herr Stange!« »Er hat angefangen!«, stellt Schopphoven klar.

Anlass für Stanges Wut ist die schon fast anderthalb Stunden dauernde Diskussion zur Leipziger Wärmeplanung. Heute stellt die Verwaltung ihre Vorlage vor, die in den nächsten Monaten ins Beteiligungsverfahren geht und dann Mitte 2026 fertig sein muss – so will es der Bund. Ziel ist, dass die deutschen Kommunen bis spätestens 2045 ihre Wärme klimaneutral beziehen.

In Leipzig soll das sogar noch früher klappen. »Fossile Energieträger können in dieser Stadt ab 2038 aus der Wärmeversorgung entfallen«, sagt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne). In der Südvorstadt soll unter Laborbedingungen ein Pilotprojekt den Anfang machen. Dienberg sieht darin auch ein »Momentum für die Neugestaltung des öffentlichen Raums.« Denn sind die Straßen einmal offen, um neue Wärmeleitungen zu verlegen, sollen sie nicht einfach wieder zugepflastert werden, sondern gleichzeitig die Aufenthaltsqualität für Anwohnende verbessert, Klimaanpassung und nachhaltige Mobilität ausgebaut oder auch die Gehwege der Gründerzeitviertel stolperfrei werden. »Nicht nur für Rollis oder Rollatoren«, sagt Franziska Riekewald und schlägt sich, typisch Linkspartei, für eine besonders vulnerable Gruppe in die Bresche, »sondern auch für ganz normale Menschen wie du und ich, die vielleicht mit ihren hochhackigen Schuhen dort langlaufen wollen.«

Aber, und jetzt kommen wir zu Stanges Wut, die CDU will da nicht mitmachen. »Es ist richtig, dass wir so Wärmeversorgung sicherstellen«, sagt Michael Weickert, Fraktionschef der Konservativen. »Aber für die ganzen Vorhaben, die wir hier reinschreiben, haben wir schlicht und ergreifend kein Geld.« 51 Millionen Euro will die Stadt in den nächsten Jahren allein im Pilotprojekt in die Aufwertung des Stadtraums investieren – eine Summe, die angesichts der Milliarden, die in die Wärmewende fließen sollen, verschwindend klein wirkt. »Noch in zehn Stadtratswahlperioden werden die Leute darunter leiden, unter den Spielräumen, die wir einschränken, weil wir heute Geld ausgeben, was wir nicht haben«, sagt Julian Schröder (CDU), was schließlich die Brechtstange beschwört.

Denn anders als die CDU betont Rot-Grün-Rot, dass die Investitionen nicht nur zu Klimaneutralität führten, sondern vor allem auch der Leipziger Wirtschaft einen Boost geben könnten. Zumal der Bund den Kommunen mit Milliarden unter die Arme greifen will. Es gebe eine ganze Menge an Förderung, sagt Tobias Peter (Grüne) zur CDU: »Es ist eine Chance, Geld in unsere Stadt zu holen. Also tun Sie nicht so, als müssten wir das hier aus der Portokasse der Stadt bezahlen.« Denkbar knapp, mit 32 Ja- und 31-Nein-Stimmen (CDU, AfD und BSW) beschließt der Stadtrat das Pilotprojekt. Und auch die Gründung einer Quartiersentwicklungsgesellschaft geht durch (33:30). Die soll künftig Planung und Bau der Wärmewende koordinieren. Die CDU sieht in ihr einen »Blankocheck, um am Stadtrat vorbei Investitionen durchzuführen« (Zitat Weickert), Dienberg und die Fraktionen links der Mitte eine Chance, Zeit und Geld zu sparen.


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