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Kultur

Letzte Ausfahrt naTo

Die Feinkost-Ausschreibung ist da. Im Klartext: naTo siegt, Genossenschaft fliegt

  Letzte Ausfahrt naTo | Die Feinkost-Ausschreibung ist da. Im Klartext: naTo siegt, Genossenschaft fliegt

»Die vorliegende Ausschreibung schreibt die von uns entwickelten Grundideen für den Kultur- und Gewerbehof Feinkost (felsen)fest.« Wo Falk Elstermann Recht hat, hat er Recht. Elstermann ist Chef der naTo und seit Jahr und Tag Frontmann der Freien Kulturszene in Leipzig. Und er behält am Ende eben meistens Recht.

»Die vorliegende Ausschreibung schreibt die von uns entwickelten Grundideen für den Kultur- und Gewerbehof Feinkost (felsen)fest.« Wo Falk Elstermann Recht hat, hat er Recht. Elstermann ist Chef der naTo und seit Jahr und Tag Frontmann der Freien Kulturszene in Leipzig. Und er behält am Ende eben meistens Recht.

Der »Feinkost-Streit« geht in die nächste Runde. Diesmal hat die TLG den Ball eingeworfen, Linienrichter ist die Stadtverwaltung und fangen kann ihn eigentlich nur ein Spieler: die naTo. Wir erinnern uns. Der Feinkost – prekär-marode- charmantes Szeneidyll in der Südvorstadt – drohten Radikalsanierung und die Ansiedlung eines schnöden Supermarktes. Das wollte zumindest Geländeeigentümer und Treuhanderbe TLG. Schnell regte sich Widerstand, die anliegenden Kleingewerbe würden verdrängt, die angestammte Szene, die gemütlichen Läden vertrieben.

Auftritt naTo: »Milieuschutz« sei geboten! Warum nicht aus dem Feinkost-Gelände einen »Kultur- und Gewerbehof« im großen Stil machen? Mit der gebündelten Kulturkompetenz von naTo (die will so schnell wie möglich aus den bisherigen beengten Verhältnissen raus), Cinémathèque (ehemals Kommunales Kino) und LOFFT-Theater auf der einen und einer »Kunst- und Gewerbegenossenschaft « auf der anderen Seite, die alternatives Wirtschaften für jeden Leipziger erfahrbar machen sollte. Ein Super-Konzept, die Anwohner unterschrieben zu Tausenden dafür, die Politik stand dahinter, die Stadtverwaltung fand es sowieso gut und selbst die TLG stimmte zu und plante gerade mal noch einen harmlosen Aldi im Hinterhof. Alle waren sich einig.

Dann ging es ans Kleingedruckte. Es ging um Vorstellungen von »Szene«, um Zeitpläne, Entscheidungsstrukturen, unglaublich viele Details und natürlich um Geld. Das Ergebnis: heillose Zerstrittenheit der Hauptakteure – die Kulturseite um die naTo und die Genossenschaft um die Läden Mrs. Hippie und Absturz. Ratlose Konfliktschlichter, ein sichtlich entnervter Stadtplanungsdezernent und die fassungslose Öffentlichkeit standen Spalier. Letzter Befreiungsschlag: Die TLG sollte das Gelände mit den bekannten Rahmenbedingungen – »Kultur«, »Szene«, »Südstadtflair« – für den symbolischen Ein-Euro-Preis ausschreiben.

Ausgesprochen herzig geriet die Präambel: »Für manche ist die Feinkost nur eine Ruine, der äußere Anblick ein öffentliches Ärgernis, doch vielen Bewohner/- innen Leipzigs, insbesondere der Südvorstadt, ist sie ans Herz gewachsen.« Drin stehen indes knallharte Bedingungen: Die naTo und das damit verbundene Kulturzentrum sind »eine wesentliche Vorgabe«. Die Genossenschaft dagegen findet nur an einer Stelle explizit statt: Bestehende »Mietverhältnisse« und »Kündigungsfristen « werden aufgelistet. Das macht die Genossenschaftler wütend. Der Vorwurf: Die naTo habe sich ihre eigene Ausschreibung auf den Leib schneidern dürfen. Das will sie von der zuständigen Sachbearbeiterin im Stadtplanungsamt erfahren haben.

Alle anderen Beteiligten – TLG, Stadtverwaltung und naTo selbst – beteuern, dass es so nicht gelaufen ist. Naheliegender ist tatsächlich, dass die Stadt schlicht und einfach Prioritäten gesetzt hat. Sie hat letztendlich die Rahmenbedingungen festgelegt, die sich in der TLG-Ausschreibung wieder finden und die keinen Weg an der naTo vorbei erlauben. Eine klare Entscheidung für das naTo-Konzept. Sogar klarer, als die naTo das vor dem Detail-Gezerre öffentlich im Sinn hatte.

Für die Kulturseite (und damit auch für den Hauptstreitpunkt Gastrofläche) ist jetzt zum Beispiel sogar noch mehr Raum vorgesehen als vor der gescheiterten Schlichtungsverhandlung. Was – so die Ausschreibung – der Finanzierung der Kultur dient, die »perspektivisch ohne Zuschüsse der Stadt auskommen soll«. Und zwar mittels »Quersubventionierung durch Einnahmen aus der Gastronomie und/oder dem Rest des Geländes«. Ein Auskommen ohne Zuschüsse empfindet Elstermann allerdings als viel zu optimistische Vision: »Wir haben die Betreibung des Zentrums ohne Steigerung der Zuschüsse für die beteiligten Kulturvereine zugesagt. Dazu stehen wir.«

Eine Abfederung von Zuschuss-Senkungen sei spätestens nach Abzahlung des Baukredits allerdings möglich. Eine ebenso klare Entscheidung ist das gegen die bisherigen »Bestandsmieter«. Die sehen das Ganze ohnehin als »Besatzerpolitik des Falk Elstermann«. Ihr inhaltliches und ökonomisches Konzept sei durch die Bedingungen der Ausschreibung undurchführbar geworden, man müsste die eigenen künstlerischen und kulturellen Vorstellungen aufgeben, um mit weniger verfügbarer Fläche mehr Einnahmen zu erwirtschaften (Stichwort »Quersubventionierung«), und hat obendrein – so fordert die Ausschreibung – einseitig die Bedingungen des – so Katrin Roschig vom Absturz – »Fischers aller Reusen« zu erfüllen.

Der, Elstermann, geht selbst von einer schwierigen Erfüllbarkeit der Auflagen aus, wenn das Kulturzentrum keinen eigenen Wirtschaftsbereich betreiben könnte und dadurch auf die Quersubventionierung aus dem Gewerbezentrum angewiesen wäre. Die Feinkost-Genossenschaft schließt er dabei trotz aller Querelen als alten / neuen Partner nicht grundsätzlich aus. Für die jedoch ist das naTo-Projekt mit seinen gastronomischen Planungen »Biersuppe mit Kultureinlage«. Was sicher dramatischer klingt, als es wirklich ist. Zumindest, wenn man gegen die Kulturballung auf der Südmeile nichts einzuwenden hat.

Und wenn man das Argument der Genossenschaftler ignoriert, dass hier die Stadt erneut eine »Leuchtturm«-Vision (Roschig: »Palazzo Prozzo «) real existierenden Kunst- und Gewerbeprojekten (und Steuerzahlern) vorgezogen hat. Fazit Roschigs: »Wir brauchen ein deutliches Signal aus der Leipziger Politik. Sonst müssen wir langsam anfangen, uns etwas anderes zu suchen.« Bis zum 31. Mai müssen alle Angebote vorliegen. Fortsetzung folgt ...


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