Fernsehen macht wieder schön! Erst vor einem halben Jahr verkündete der Verein Fernsehen macht schön (FMS) seine Auflösung und hinterließ damit eine Lücke. Carsten Möller versucht diese Lücke nun mit einer zweiten Staffel der Initiative zu schließen. Möller ist Mitarbeiter der HGB, gibt Kurse in Kamera und Schnitt, hat selbst mehrere Filme realisiert und beobachtet den Leipziger Filmnachwuchs seit vielen Jahren.
Fernsehen macht wieder schön! Erst vor einem halben Jahr verkündete der Verein Fernsehen macht schön (FMS) seine Auflösung. Der Initiative zur Förderung des regionalen Filmnachwuchses mangelte es nicht zuletzt am eigenen Nachwuchs. Erstmals musste das Dokfestival wieder ohne die populäre Kurzfilmveranstaltung Shockin’ Local Short Night Shuffle auskommen. Doch vor allem die kleinen Shows im Ilses Erika hinterließen eine Lücke. Carsten Möller, der mit Ulrich Miller vor acht Jahren FMS begründet hatte, dem Verein aber schon lange nicht mehr angehörte, versucht diese Lücke nun mit einer zweiten Staffel der Initiative zu schließen. Möller ist Mitarbeiter der HGB, gibt Kurse in Kamera und Schnitt, hat selbst mehrere Filme realisiert und beobachtet den Leipziger Filmnachwuchs seit vielen Jahren.
KREUZER: Fernsehen macht schön wurde von den eigenen Vereinsmitgliedern für tot erklärt. Was versprichst du dir von der Wiederbelebung?
CARSTEN MÖLLER: Das, was wir im Kern wollten, hat sich nicht eingelöst: eine agile Filmszene aufzubauen, deren Projekte sich wechselseitig beeinflussen und vorantreiben. Kann eine kleine Veranstaltungsreihe da etwas bewegen? Ich glaube, ja. An diese Ursprungsidee will ich anknüpfen.
KREUZER: Die Anfänge von FMS waren geprägt von einem großen Aufbruchsgefühl, zu dem auch junge Filmemacher wie Christoph Hochhäusler (»Falscher Bekenner«) oder Benjamin Heisenberg (»Schläfer«) beigetragen haben. Wie war das damals?
MÖLLER: Bei einer der ersten FMS-Shows ging es um die Filmzeitschrift Revolver, die Benjamin, Christoph und einige andere damals gerade in München gegründet hatten. Ihr Heft verfolgte ein ähnliches Anliegen wie wir: ein Forum zu etablieren, in das sich die Leute selbst einbringen können. Einige Monate später rief mich Christoph an, sagte, dass sie nach Berlin gehen. Er fragte, ob wir nicht mitkommen wollen – etwas Neues auf die Beine stellen, einen neuen Ansatz wagen. Dieser Vorschlag hat mich beschäftigt …
KREUZER: … Dabei gibt es auch in Leipzig eine Menge einzelner Initiativen von Nachwuchsfilmern.
MÖLLER: Die gibt es, aber sie interagieren zu wenig. Es gibt eine strukturelle Lücke zwischen Nachwuchs und professionellem Bereich. Anderswo wird diese Lücke durch eine Filmschule geschlossen: Sie bietet professionelle Ausbildung, vor allem aber Vernetzung. Dort treffen Leute aufeinander, die oftmals über Jahre zusammenarbeiten. Hier nicht. Das war einer der Gründe für das Entstehen von FMS.
KREUZER: Wie macht sich diese Lücke in Leipzig bemerkbar?
MÖLLER: Wenn du hier versierte Handwerker für anspruchsvolle Dokumentar- oder Spielfilme suchst, bist du verlassen. Du findest weder Cutter mit entsprechender dramaturgischer Erfahrung noch Kameraleute mit Kinopraxis. Der professionelle Bereich ist auf TV-Produktionen konzentriert. Kino erfordert aber andere Zusammenhänge und Sensibilitäten.
KREUZER: Hochhäusler und Heisenberg sind tatsächlich nach Berlin gegangen und zählen mittlerweile zu den Protagonisten der »Berliner Schule«, der vielleicht spannendsten derzeitigen Entwicklung im deutschen Film. Warum bist du in Leipzig geblieben?
MÖLLER: Ich habe hier Familie und Arbeit. Diese Stadt ist auch eine Herausforderung: Warum soll hier nicht ebenfalls etwas entstehen können? Das Potenzial existiert. Es muss entwickelt werden.
KREUZER: Was müsste sich konkret ändern?
MÖLLER: Selbstorganisation und Vernetzung auf der einen Seite, ein klares Bekenntnis zur regionalen Nachwuchsentwicklung auf der anderen. Geld ist da. Es könnte effizienter verwendet werden. Allein die Ausbildungsangebote in Leipzig: Sechs Einrichtungen bieten medienpraktische Ausbildung, die kaum aufeinander abgestimmt sind. Wenn wir an das Potential hier glauben, brauchen wir eine explizite Nachwuchsförderung.
KREUZER: An wen denkst du da als Akteur?
MÖLLER: An die Ausbildungseinrichtungen, den MDR, das Dokfestival, die Mitteldeutsche Medienförderung, die Landesregierungen. Die MDM unterstützt bereits wichtige Initiativen wie den Talent Pool in Erfurt, seit einigen Jahren veranstaltet sie einen Nachwuchstag. Ein runder Tisch aller Akteure wäre sinnvoll. Wir brauchen eine gemeinsame Strategie.
KREUZER: Wie versucht FMS auf diesen Missstand zu reagieren?
MÖLLER: Durch drei Veranstaltungsrubriken mit unterschiedlichen Schwerpunkten. »cinespacio« knüpft an die Tradition der FMS-Werkstattgespräche an, lädt Regisseure und Festivalmacher ein – in Zukunft verstärkt auch Cutter, Dramaturgen und Kameraleute. »workshop« bietet Vorträge und filmpraktische Kurse an: Kamera, Steadycam, Arbeit mit Ton, Lichtkonzepte. Bei »regards« schließlich werden Filme auf ihre dramaturgischen und formalen Mittel hin analysiert. Darauf freue ich mich besonders: Gemeinsam einen Film in seine Bestandteile zu zerlegen, ist fast ebenso spannend, wie einen neuen Film zusammenzusetzen.
KREUZER: Im Februar holst du das Festival des gescheiterten Films nach Leipzig. Was ist das?
MÖLLER: Ein ungewöhnliches Festival, das gerade mit großem Erfolg in Wien, München, Hamburg und Berlin lief. In Leipzig zeigen wir eine Auswahl der Filme und diskutieren den Ansatz des Festivals. Kein Gipfelsturm ohne Abstürze, lautet das Motto. Ist Scheitern ein Tabu? Viele Filme sind inhaltlich und formal so eigen, dass sie nie ins Kino kommen. Dieses Festival einzuladen, ist auch ein Rückbezug auf die damalige FMS-Veranstaltung mit Revolver. In einem Artikel hatte Christoph Hochhäusler seinerzeit die Idee einer zweiten Liga der Filmauswertung formuliert – eine Liga mit Aufstiegschancen. Darum geht es hier in Leipzig. Ich glaube, die Möglichkeiten zum Aufstieg sind da. Alleine steigt aber niemand auf, sondern nur in der Mannschaft.