»Macht Bio-Bier blau oder grün?« In der hellen, gemütlichen Küche von Ulla Gahn hängt, direkt neben der Schürze, eine Post-karte mit dieser Frage. Die Gastgeberin, gut gelaunt und eloquent, wirkt nicht so, als hätte sie nicht auch auf diese Frage eine Antwort parat.
»Macht Bio-Bier blau oder grün?« In der hellen, gemütlichen Küche von Ulla Gahn hängt, direkt neben der Schürze, eine Post-karte mit dieser Frage. Die Gastgeberin, gut gelaunt und eloquent, wirkt nicht so, als hätte sie nicht auch auf diese Frage eine Antwort parat.
Doch um Bier geht es ihr nicht, vielmehr um grünen Strom. Kurze Farblehre: Yellow-Strom ist nicht wirk-lich gelb (böse Zungen behaup-ten: »Gelber Strom ist Pisse«), grau-en Strom nennt man das Standardgemisch mit Atomstromanteilen, das die Großanbieter verkaufen, und grüner Strom – das ist der gute Strom, komplett gewonnen aus erneuerbaren Energien.
Warum man den kaufen sollte? »Die Welt verreckt uns sonst unterm Arsch«, sagt Ulla Gahn. Der 33 Jahre alten Freiberuflerin ist es ernst damit, nicht erst seit den medialen Klimawandel-Sprechchören. Doch dieses Jahr beschloss sie: Eine »Weltrettungsaktion« muss her. So lud Gahn im Februar in ihre Wohngemeinschaft im Waldstraßenviertel, zur ersten von bisher drei »Naturstrom-Wechselpartys«.
Die Jahresabrechnung ihres Strom-anbieters sollten die Gäste – jeder war willkommen – mitbringen, den rund 40 Erschienenen stellte Gahn die vier deutschen Ökostromversorger vor. Elektrotechnikprofes-sor Jörg Finke von der HTWK informierte, ein Preisrechner half beim Kalkulieren der Kostenunterschie-de im Falle eines Wechsels, zu essen gab es mit Ökostrom gebackenen Kuchen.
Eine Werbeveranstaltung? »Nein«, sagt Ulla Gahn. Immer werde sie gefragt, welchen Strom sie beziehe, seit sie im Januar ihren Vertrag bei den Leipziger Stadtwerken gekündigt hat. Doch verraten will sie das nicht, um keinen Anbieter herauszuheben. »Zu jedem Interessierten passt ein Produkt besonders gut, jeder muss selbst sehen, welches das ist.« Sei es der besonders preisgünstige Anbieter LichtBlick, seien es die ehemali-gen Stromrebellen (heute: Elektrizitätswerke Schönau), die 1996 einfach das Stromnetz ihrer Stadt übernahmen, sei es der älteste Anbieter Naturstrom oder das preisstabilste, schuldenfrei wirtschaften-de Unternehmen Greenpeace Energy.
Auslöser für Gahns Wechsel war Al Gores Film »Eine unbequeme Wahrheit«, der die Erderwärmung und ihre Folgen thematisiert. Atomkraftwerke waren der gebürtigen Münchnerin schon lange ein Dorn im Auge, »ich kann mich noch an Tschernobyl erinnern, mit dem Geigerzähler übern Salat«. Schneller, flexibler und direkter als eine Vereins- oder Parteizugehörigkeit sei ihr der Stromwechsel erschienen – »leichter geht Klimaschutz nicht«.
Als sie Freunden vom Wechsel erzählte und erkannte, wie groß deren Interesse war, kam ihr die Idee mit den Partys. Für die zweite stellte das Horns Erben seine Räume kostenlos zur Verfügung, die dritte fand im Bürgerverein Waldstraßenviertel statt. Dass dort ein Mitarbei-ter der Stadtwerke – »in seiner Freizeit«, wie er sagte – auftauchte und Flyer des Stadtwerke-Stroms aus-legen wollte, amüsiert Gahn. Weni-ger lustig findet sie es, dass einige Kulturschaffende, die von den Stadtwerken gesponsert werden, deswegen nicht aus deren Stromverträgen aussteigen wollen. Auch dass sie für die Informationsveranstaltung im Bürgerverein aus eigener Tasche die Raummiete zahlen musste, ärgert sie: »Ich mach doch was für das Viertel, und dann zahl ich noch drauf.«
Schon vor Ulla Gahns Partys hat sich Anselm Model für grünen Strom entschieden. »Wenn schon viel Strom, dann den richtigen«, ist die Devise des Geschäftsführers der fünf Zimo-Copyshops, der Wechsel sei Ehrensache gewe-sen. Seit er wählen darf, wähle er grün, sagt der 42-Jährige, privat beziehe er schon lange Ökostrom – und seit etwa vier Jahren auch in seinen Kopierläden. Einige der Filia-len haben LichtBlick-, andere Greenpeace-Strom. Der Stromver-brauch sei zwar hoch, dennoch seien die Kosten niedriger als zuvor bei den Stadtwerken. Auch andere Geschäftskunden der Stadtwerke sind zu Ökostrom-Versorgern abgewandert, darunter die Wald-straßen-Apotheke und Elektro-mechanik Pinder. Viele Wechselwillige aber werden durch die langfristig abgeschlossenen Verträge der Stadtwerke gehindert. Ulla Gahn rät daher, vom Sonderkündigungsrecht bei Preisveränderungen Gebrauch zu machen. Sie selbst konn-te Anfang des Jahres schnell aussteigen, weil sie innerhalb von zwei Wochen nach der »Strom-wird-teurer«-Bekanntmachung der Stadtwerke gekündigt hatte.
Ein guter Anlass für den Umstieg auf Ökostrom ist bei vielen der Umzug. Auch Philipp Steuer verband kurzerhand den Wohnungs- mit dem Stromwechsel. Mit seiner jungen Familie – »zwei Große, ein Kind, eins unterwegs« – zog er vor einem Jahr innerhalb Leipzigs um und wechselte zu LichtBlick. Die Zeit sei reif, sagt der Politikwissenschaftler, man könne nicht weiter den Oligopolisten in die Hände spielen, jedes Zögern sei für diese ein Argument gegen sauberen Strom. Steuer, der beim Verein Ökolöwen arbeitet, zahlt nun ein paar Euro mehr im Jahr. Das aber ist ihm die Sache wert. Ulla Gahns Infopartys, die inzwischen in Städten wie Köln, Hamburg und München kopiert werden, findet er gut: »Wieso sind wir da nicht draufgekommen?«
Das fragt man sich womöglich auch bei den Leipziger Stadtwerken. Zwar haben diese auch einen grünen Strom im Angebot – den aller-dings bezeichnet Steuer als »sehr unschöne Mogelpackung«. Auch Gahn warnt: »Das ist gar kein wirklicher Ökostrom.« Denn aus rein regenerativen Energien wird er nicht gewonnen.
Der Anbieter siehts gelassen: »Wir finden es gut, wenn grüner Strom populärer wird, dann informieren sich die Kunden intensiver, auch über unser Angebot«, sagt Referentin Ines Hammer von den Stadtwerken. Keine Angst vor der Konkurrenz? Nein, man beobachte den Markt, das sei ein ganz gesunder Wettbewerb. Zu dem auch das Verteilen von Flyern auf Strompartys zu gehören scheint.
Die Ökostrom-Anbieter können mit der Entwicklung zufrieden sein. LichtBlick-Sprecher Gero Lücking berichtet, dass sich die Zahl der Kun-den aus Leipzig allein im letzten halben Jahr beinahe verdoppelt habe. Rund 5.000 Leipziger beziehen inzwischen LichtBlick-Strom, wei-tere 1.000 haben schon ihren Auftrag erteilt. Allein 585 Personen haben im März gewechselt, einige von ihnen nach Wechselpartys. Gahn spricht von einem »verzögerten Domino-Effekt«: Viele informierten sich bei ihr und wechselten erst Monate später.
Die Partys will sie weiterhin veranstalten, eventuell auch die Beschäftigung mit dem Thema Ökostrom zum Teil ihrer Arbeit machen. Sie weist aus ihrem Küchenfenster: »Alles Südausrichtungsdächer.« Solaranlagen seien der nächste Schritt, sagt sie und erzählt von dem Rentnerpaar mit der Anlage auf dem Dach, mit der es inzwischen mehr Strom ins Netz einspeise, als es verbrauche. »Das sind Helden im Stromsparen.«
Denn ebenso wichtig wie grüner Strom, darin sind sich die Experten einig, ist das sparsame Haushalten mit der Energie. Ulla Gahn, die in Italien, Holland, Kanada und Australien gelebt hat, die in der Boomzeit in der Beratungsbranche gearbeitet hat, sieht ihr Engagement für die Umwelt als ihren »Beitrag zur Welt«, sagt: »Geld ists nicht. Heute lebe ich schlicht, aber glücklich.«