Auf dem Schulhof der Grünauer Schule für Lernförderung wird in einer deutlichen Sprache gespaßt. Ganz hinten kampeln sich 13-Jährige um das Bier nach der Schule und während weiter vorn ein »Drecks-penner« gejagt wird, ziehen sich jüngere Mädchen in die Ecke am Spielplatz zurück. Mittendrin genießen Sandy und Jasmin ihre Hofpause. Die bei-den 14-jähri-gen Mädchen reden über Tokio Hotel und ihren Traum, Back-groundsängerin zu werden.
Auf dem Schulhof der Grünauer Schule für Lernförderung wird in einer deutlichen Sprache gespaßt. Ganz hinten kampeln sich 13-Jährige um das Bier nach der Schule und während weiter vorn ein »Drecks-penner« gejagt wird, ziehen sich jüngere Mädchen in die Ecke am Spielplatz zurück. Mittendrin genießen Sandy und Jasmin ihre Hofpause. Die bei-den 14-jähri-gen Mädchen reden über Tokio Hotel und ihren Traum, Back-groundsängerin zu werden. Sie gehören zu den rund 30 Hauptschülern eines Jahrgangs. Die anderen Schüler der Förderschule gehen mit dem Abgangszeugnis der neunten Klasse einer noch ungewisseren Zukunft entgegen. »Beruflich möchte ich gerne etwas mit Stars machen, oder mit Tanzen berühmt werden«, sagt Sandy, die seit der 5. Klasse die Förderschule besucht.Rund 1.300 Kinder und Jugendliche lernen derzeit in Leipzig an sechs Förderschulen zur Lernförderung. Der demografisch bedingte Schülerrückgang ist an den Förderschulen prozen-tual nur halb so groß wie an der Regelschulen.
Die Zahl der Schüler mit Lernbehinderungen aber steigt. Die Leipziger Bildungsagentur spricht von einer erforderlichen Zunahme der Ka-pazitäten an den Förderschulen zur Lernförde-rung. Pressesprecher Roman Schulz sieht die Hauptursache in der sich verändernden gesellschaftlichen Situation, die in den neunziger Jah-ren begann. »Die Medialisierung der Gesellschaft nahm ein rasantes Tempo an, Familien zerfielen und fungierten nicht mehr im traditionellen Sinn als Bildungsträger.«
Gegenwärtig zeigen sich die Auswirkungen. In Leipzig gibt es immer mehr Kinder, die im Grundschulalter eine Schule zur Lernförderung besuchen müssen. Schulz räumt ein, dass nicht nur die Gesellschaft Schuld habe an dieser Entwicklung, sondern auch die Schulen und die Schulaufsichtsämter: »Wir haben in der Vergangenheit zu schnell zu viele Kinder in die Förderschule übergeschult und zu wenig individuell gefördert.« In Leipzig gibt es immer noch Schulen, die Kinder mit Teilleistungsschwächen, wie Mathe- oder Lese-Recht-Schreibschwäche, verfrüht an teure private Nachhilfeinstitute verweisen oder die Förderschule empfehlen, anstatt – wie im Schulgesetz verankert – diese Kinder selbst zu fördern. Wenig bekannt ist auch, dass Eltern das Recht haben, zu jeder Zeit an jeder Schule einen Antrag auf Rückstufung (freiwillige Wiederholung) zu stellen. Lehrer bieten das nicht immer an, weil die wenigsten Leipziger Regelschulen entsprechende Förderpädagogen haben.
Seit 2003 setzt die Bildungsagentur auf das Projekt der sogenannten verbesserten Schuleingangsphase. Damit soll die Schnittstelle zur Förderschule abgefedert werden. Im letzten Kindergartenjahr beginnt die Förderung mit dem Ziel, lernschwache Kinder bis zum Ende der 2. Grundschulklasse auf ein normales Lernniveau zu bringen. Dieses integrative System funktioniert laut Schulz an immer mehr Leipziger Schulen. Aktuelle Statis-tiken belegen, dass die Zahl der Integrationskinder sich in den letzten Jahren verdreifacht hat.
Lernbehinderungen haben nicht nur die Kinder der sozial Schwachen, sondern aller Bevölkerungsschichten zu schultern. »In Leipzig erleben wir soziale Verwahrlosung zum Teil auf hohem materiellem Niveau«, weiß Roman Schulz. »Etliche Kinder kommen ohne Frühstück zur Schule, dafür mit viel Taschengeld. Es ist keine Seltenheit, dass Kinder nicht mehr vorgelesen bekommen, sondern mit Unterhaltungselek-tronik ruhig gestellt werden. Das ist ein großer Schritt in Richtung Lernschwäche.« Es gibt Förderschulen, an denen lernt bereits die zweite Generation einer Familie. Ein Teufelskreis.
Die Schule zur Lernförderung Grünau hat sich auch am Nachmittag bei den Schülern beliebt gemacht. In über 20 Arbeitsgemeinschaften und Projekten sollen die Kinder aktiv werden und sich verantwortlich füreinander fühlen. Sandy, die zu den »Streitschlichtern« gehört, schwärmt besonders vom Projekt »Kinder lesen Zeitung«: »Das war voll cool!«