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»Es steht auf Messers Schneide«

Die Leipzigerin Ulla Gahn hat für ihr Engagement in Sachen Ökostrom den Deutschen Klimaschutzpreis erhalten – ein Interview mit der frischgebackenen Preisträgerin

  »Es steht auf Messers Schneide« | Die Leipzigerin Ulla Gahn hat für ihr Engagement in Sachen Ökostrom den Deutschen Klimaschutzpreis erhalten – ein Interview mit der frischgebackenen Preisträgerin

Am 21. August wurde Ulla Gahn, Leipziger Erfinderin der Naturstrom-Wechselpartys, in Berlin der erste Deutsche Klimaschutzpreis verliehen. Die Jury der Deutschen Umwelthilfe würdigte damit den praktischen Ansatz und das bürgerschaftliche Engagement der 33-Jährigen. Der KREUZER sprach mit Ulla Gahn über die Ehrung, neue Wertmaßstäbe und die Zukunft der Partys.

Am 21. August wurde Ulla Gahn, Leipziger Erfinderin der Naturstrom-Wechselpartys, in Berlin der erste Deutsche Klimaschutzpreis verliehen. Die Jury der Deutschen Umwelthilfe würdigte damit den praktischen Ansatz und das bürgerschaftliche Engagement der 33-Jährigen. Der KREUZER sprach mit Ulla Gahn über die Ehrung, neue Wertmaßstäbe und die Zukunft der Partys.

kreuzerONLINE: Wie fühlen Sie sich als erste Deutsche Klimaschutzpreisträgerin?

ULLA GAHN: (lacht) Am Anfang wusste ich gar nicht, was ich damit anfangen sollte. Ich musste mir erst mal erklären lassen, was dieser Preis eigentlich bedeutet. Erst als der Stress der ersten sechs Weltrettungspartys vorbei war, konnte ich mich freuen. Im Nachhinein finde ich es schön, dass mit dem Preis eine ganz normale Person wie ich geehrt wurde, die sich einfach hinstellt und was macht. Und auch der unorthodoxe Ansatz: Ökostrom-Wechselpartys, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!

kreuzerONLINE: Wie vereinbaren Sie Ihr freiwilliges Engagement mit Ihrem Job als Projektmanagerin?

GAHN: Meinen eigentlichen Job gibt es nicht mehr, deshalb wird es für mich auch so langsam existenziell. Seit Februar arbeite ich für die Partys mehr Stunden als bei einem Vollzeitberuf, allerdings unentgeltlich. Inzwischen sind meine Ersparnisse erschöpft, und es steht gerade auf Messers Schneide, ob ich es schaffen werde, mit unserem Verein »Weltverbesserung sofort und hausgemacht« über Sponsorengelder und Spenden die Partys weiterzuorganisieren.

kreuzerONLINE: Der Preis ist mit 10.000 € dotiert. Was fangen Sie mit dieser Summe an?

GAHN : Wenn ich sie nur schon hätte. Der letzte Brief, den ich von der Deutschen Umwelthilfe bekam, war aufgeschnitten und eine Plastikhülle drum: »Sendung wurde leider beschädigt«. Gott sei Dank war nur Infomaterial drin. Wenn ich das Geld habe, werde ich erst mal meine Schulden bezahlen. Für jede Party brauchten wir Plakate und Handzettel, eine Halle, Ton- und Bildtechnik, Kultur- und Kinderprogramm, Kaffeetassen, Catering, Reisekosten, Raumreinigung, Genehmigungen für Film, GEMA-Gebühren. Manches wurde gespendet, aber längst nicht alles, dafür geht das meiste vom Preisgeld drauf. Aber was übrig bleibt, stecke ich in die nächste Ökostrom-Wechselparty.

kreuzerONLINE: Wie viele Mitstreiter haben Sie?

GAHN: Wir arbeiten in neuen und modernen Strukturen, jeder steuert punktuell und zielgerichtet sein Fachwissen und Zeitkontingent bei. Bei den letzten großen Partys waren wir ein Team von 25 Leuten. Das Schwierigste ist, Leute zu finden, die noch ein bisschen Zeit übrig haben. Gäbe es schon Bürgergeld, wäre das anders – dann könnten die Menschen sich viel besser für etwas engagieren, ohne Existenzangst. Das Projekt »Ökostrom-Wechselparty« ist der lebendige Beweis dafür, dass sich Bürger eben nicht in die soziale Hängematte legen würden.

kreuzerONLINE: Wissen Sie, wie viele Leute auf den Partys bisher den Stromanbieter gewechselt haben?

GAHN: Die Erfahrung zeigt, dass auf den Partys bis zu 25 Prozent der Gäste sofort wechseln. Ich warne aber davor, dieses Projekt mit den Maßstäben der alten Welt zu messen. Man macht was und fragt: Was ist die Wirkung? Und zwar möglichst exakt in Zahlen ausgedrückt, wie es typisch ist für kurzfristiges Profitdenken. Das ist bei diesem Projekt anders: Die Ökostrom-Wechselpartys sorgen nicht nur dafür, dass die Leute wechseln, sondern auch dafür, dass die, die auf der Party waren, hinterher mehr wissen als vorher. Dieser Wissenszuwachs schlägt unglaubliche Wellen und lässt sich in Zahlen nicht ausdrücken. Es gibt ja auch Leute, die erst Wochen oder sogar Monate später wechseln.

kreuzerONLINE: Was sind das für Menschen, die auf die Partys kommen: alle jung und aus dem alternativen Milieu?

GAHN: Nein, überhaupt nicht. Da kommt ein Rentnerpärchen, ein Single, da kommen Familien mit Kind und Studenten-WGs. Alles querbeet, vom Arbeiter bis zum Akademiker, darunter ganz Konservative und ganz Linke.

kreuzerONLINE: Wann und wo ist die nächste Stromwechselparty in Leipzig?

GAHN: Ich würde gern im Herbst noch eine in Leipzig machen, aber aus anderen Städten gibt es schon Beschwerden: »In Leipzig waren schon vier, und hier war noch gar keine! Kommen Sie doch mal nach Berlin, Köln, Hamburg, Frankfurt!«

kreuzerONLINE: Wird es weitere Weltverbesserungsbetätigungsfelder jenseits des Stromanbieterwechsels geben?

GAHN: Anfang September gibt es ein Vereinstreffen, und da werden neue Projekte geplant. Wir werden aber unserer Ursprungsidee treu bleiben: mit kleinen, sofort machbaren Dingen das Leben ein Stück besser zu machen.


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