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Kultur

Junges Glück

Die dänischen Jahre sind vorbei: Mit Gregor Meyer wird ein waschechter Sachse neuer Leiter des Gewandhauschores

  Junges Glück | Die dänischen Jahre sind vorbei: Mit Gregor Meyer wird ein waschechter Sachse neuer Leiter des Gewandhauschores

Es gibt sie noch, die Überraschungen in der Leipziger Hochkultur. Da schreibt das Gewandhaus international den renommierten Chorleiterposten aus. Und unter unzähligen Bewerbern mit zum Teil bekannten Namen finden sich sogar einige aus Übersee, die den Dänen Morton Schuldt-Jensen beerben wollen. Doch Gewandhaus-Leitung und Chor sind sich schnell einig: Das fast 140 Jahre alte traditionsreiche Ensemble soll kein Auswärtiger übernehmen und auch kein arrivierter Bewerber.

Es gibt sie noch, die Überraschungen in der Leipziger Hochkultur. Da schreibt das Gewandhaus international den renommierten Chorleiterposten aus. Und unter unzähligen Bewerbern mit zum Teil bekannten Namen finden sich sogar einige aus Übersee, die den Dänen Morton Schuldt-Jensen beerben wollen. Doch Gewandhaus-Leitung und Chor sind sich schnell einig: Das fast 140 Jahre alte traditionsreiche Ensemble soll kein Auswärtiger übernehmen und auch kein arrivierter Bewerber. Vielmehr übernimmt am 1. August 2007 mit Gregor Meyer ein Sachse das Ruder, der gerade erst seinen 28. Geburtstag gefeiert hat.

»Es macht dieses ehrwürdige Haus doch sympathisch, dass es einem so jungen Studienabsol-venten eine Chance gibt«, kommentiert der Zwickauer Pfarrerssohn, der als Dirigierstudent in Praktika bereits das Ensemble leiten durfte, die auch für ihn überraschende Wahl. Dabei ist der künstlerisch enorm vielseitige Meyer trotz seiner Jugend kein Unbekannter in der Szene. Das 1999 von ihm gegründete Vocalconsort gehört zu den interessantesten Alte-Musik-Ensembles der Bachstadt.

Schon als Schüler des Zwickauer Clara-Wieck-Gymnasiums, einer bewundernswerten mu-sischen Eliteschmiede, griff er als Pianist der 20er-Jahre-Gruppe Five Gentlemen in die Tas-ten, mittlerweile ist er zudem ein gefragter Continuo-Spieler. Dass ein derart versierter Künstler nach seinem Studienabschluss zunächst eine nebenamtliche Kantorenstelle in der kleinen Kirchgemeinde annimmt, ist jedoch gar nicht so ungewöhnlich, wie es scheint. »Ich wäre sicher einige Jahre in Marienbrunn geblieben, wenn ich nicht bei der Bewerbung im Gewandhaus einfach Glück gehabt hätte«, ist sich Meyer sicher.

Derlei Understatement macht vor allem ihn selbst sympathisch. Denn die Geschichte der Ernennung eines jungen Sachsen zum Gewandhauschorleiter ließe sich auch völlig anders erzählen. Als Meyers Vorgänger Schuldt-Jensen vor Jahren die Chordirektion übernahm, verordnete er dem Ensemble eine Radikalkur. Dem Dänen, der in der Chorleiterszene einen großen Namen hat, schwebte ein zumindest semiprofessio-nelles Ensemble vor. Die deutliche Verkleinerung auf 35 bis 40 Mitglieder steigerte unbestritten die Qualität, zwischenmenschlich aber riss der Skandinavier Lücken auf, die auch ein Grund dafür sind, dass aus den dänischen Jahren eben keine Ära wurde.

Die so entstandenen Lücken zu schließen, ohne die unumstrittenen Erfolge seines Lehrers Morton Schuldt-Jensen zu schmälern – das ist die schwierige Aufgabe, der sich Meyer stellen muss. Bereits seine ersten Schritte offenbaren Chorleiter-Geschick: »Ich übernehme ein Ensemble, das gerade bei A-cappella-Projekten in einer bewundernswerten Verfassung ist«, lobt Meyer, fügt aber hinzu: »Für die chorsinfonischen Aufgaben müssen wir uns jedoch einen Pool von mindestens noch einmal so vielen leistungsfähigen Sängerinnen und Sängern aufbauen, die dann hauptsächlich diese großen Sachen singen.« Im Klartext ist das ein Fingerzeig an diejenigen, die in den vergangenen Jahren dem Gewandhaus den Rücken kehrten, weil es trotz jahrelanger Chorzugehörigkeit plötzlich für die kleine Besetzung nicht mehr reichte.

Wer Meyer kennt, der weiß, dass die von ihm zusammengestellten Programme vom gängigen Einerlei abweichen. Gleich vier Mal wird er dies in seiner ersten Spielzeit beweisen. Im Einstandskonzert am 3. November mit Werken des jungen Mendelssohn (»Felix«), am 21. Dezember im traditionellen Weihnachtskonzert, vor allem aber in zwei ambitionierten Projekten, die dann im nächsten Jahr folgen. »Zahlen bitte« heißt ein Abend zum »Jahr der Mathematik«, für den Gregor Meyer einen Fachmann als Moderator eingeladen hat. Zuvor rückt der Neuling mit Sigfrid Karg-Elert einen fast vergessenen Großen in den Mittelpunkt. »Die Kirchenmusik hat diesem Leipziger Komponisten viel zu verdanken, darum führen wir im Jahr seines 75. Todestages seine Vokalkompositionen auf.«


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